[Barotrauma:]</br>Schäden bei tief gefischten Fischen
05 | 02 | 2024 PraxisText: Fischereiberatungsstelle FIBER Foto: Michel Roggo 04002
05 | 02 | 2024 Praxis
Text: Fischereiberatungsstelle FIBER Foto: Michel Roggo 0 4002

Barotrauma:
Schäden bei tief gefischten Fischen

Werden Fische aus der Tiefe gefangen, dann bemerkt man nach dem Fang nicht selten eine Blähung des Fischs. Aber warum und ab welcher Tiefe tritt dieses Barotrauma-Phänomen auf? Wieso sind zudem nicht alle Fischarten gleich empfindlich und wie muss ich mit einem solchen Fang umgehen? Die FIBER liefert Antworten.


Die grossen Schweizer Voralpen- und Alpenrandseen bieten vielfältige Lebensräume für Fische und andere Wasserlebewesen. Oftmals wird die gesamte Tiefe eines Sees – also vom Flachwasser bis zu den tiefsten Stellen von mehr als 200 Metern – von Fischen als Lebensraum genutzt. So werden zum Beispiel Saiblinge und Trüschen mehrheitlich in Tiefen unterhalb von 20 Metern gefangen. Trüschen wurden im Forschungsprojekt «Projet Lac» bis in eine Tiefe von 280 m, Saiblinge bis in Tiefen von 90 m oder mehr festgestellt. Viele Fischarten halten sich vor allem im Winter gerne in kühlem Wasser auf, entweder in der Tiefe oder in kühlen Zuflüssen, um Phasen mit einer tiefen Nahrungs-Verfügbarkeit durch eine reduzierte Aktivität zu umgehen (z. B. Jepsen et al., 2001; Jepsen & Berg, 2002).

Manche Fischarten (z. B. Felchen) kommen das ganz Jahr über in grösseren Tiefen vor. Werden nun Fische gezielt in tieferen Wassern gefischt, muss der Fischer oder die Fischerin beurteilen können, ob die Fischerei in der Tiefe zielführend ist und ob der gefangene Fisch überlebensfähig ist, wenn er nötigenfalls wieder freigelassen werden muss. Beim Fischen werden Fische aus unterschiedlichen Gründen freigelassen. So müssen untermassige oder geschonte Fische freigelassen werden. Weiter dürfen auch ökologisch wichtige Fische und Beifänge freigelassen werden. Werden grösstenteils massige Fische gefangen, die allesamt verwertet werden können, spricht grundsätzlich nichts gegen eine Fischerei in tieferen Wassern. Ansonsten empfiehlt es sich, einen Platz- oder Gewässerwechsel vorzuziehen.


Unterschiede zwischen Fischarten

Die Möglichkeiten für einen Fisch, im Drill die Druckveränderungen auf den Körper auszugleichen sind je nach Fischgattung unterschiedlich. Am kritischsten ist es hierbei für Fische ohne Verbindung der Schwimmblase zum Darm. Dazu gehören Barschartige (Egli & Zander), Stichlinge und Dorsche.

Die Sterblichkeit von nordamerikanischen Walleye, die mit dem Zander verwandt sind, zeigen deutlich, dass die Sterblichkeit ab einer Tiefe von 10 m sehr stark ansteigt. Werden die Fische zudem vor dem Freilassen für das Handling während 5 Minuten aus dem Wasser gehoben, ist die Sterblichkeit nochmals deutlich erhöht (Quelle: Talmage & Staples, 2011).

Für die europäischen barschartigen Verwandten ist somit naheliegend, dass diese ab einer Tiefe von 10-12 Metern ebenfalls nur noch sehr schlechte Überlebenschancen haben. Ein tief gefangener Fisch ist also in diesem Fall nicht überlebensfähig und sollte, wenn erlaubt, entnommen werden. Wenn der Fisch nach den Fischereivorschriften nicht entnommen werden darf, so muss er tierschutzgerecht getötet und zurückversetzt werden. Dass das langsame Heraufdrillen von gehakten Barschartigen die Sterblichkeit reduziert, ist ein weit verbreiteter Irrglaube. Dazu wären Pausen von mehreren Stunden notwendig – dies ist mit einem schonenden Drill nicht zu vereinen. Werden weitere geschonte oder untermassige Fische am gleichen Platz gefangen, empfiehlt es sich, wie bereits erwähnt, einen Platz- oder Gewässerwechsel vorzuziehen.

 Nicht immer ist ein Barotrauma äusserlich sichtbar. Verletzungen kommen sowohl äusserlich, als auch innerlich vor:  A. Blutgerinnsel und Blutungen im Auge, B. Aufblähungen im Herzbeutel, C. Embolie im Kopf hinter den Augen, D. Blutgerinnsel an Schwimmblase, Leber und Niere, E. Risse der Schwimmblase rückenseitig gegen die Niere, F. Risse der Schwimmblase bauchseitig. © Brown et al., 2016

Nicht immer ist ein Barotrauma äusserlich sichtbar. Verletzungen kommen sowohl äusserlich, als auch innerlich vor: A. Blutgerinnsel und Blutungen im Auge, B. Aufblähungen im Herzbeutel, C. Embolie im Kopf hinter den Augen, D. Blutgerinnsel an Schwimmblase, Leber und Niere, E. Risse der Schwimmblase rückenseitig gegen die Niere, F. Risse der Schwimmblase bauchseitig. © Brown et al., 2016

Im Gegensatz zu den Barschartigen haben Forellenartige, Karpfenartige und Hechte eine Verbindung zum Darm und können Druckunterschiede daher schneller ausgleichen. Aber auch bei ihnen können aus grösseren Tiefen Schäden durch Barotrauma auftreten! Bei kanadischen Seesaiblingen konnten bei Fängen bis 65 m Tiefe Fälle von Barotrauma festgestellt werden (Ng et al., 2015). In einer früheren Studie (Loftus et al., 1988) wurde ebenfalls bei kanadischen Seesaiblingen festgestellt, dass die Fangtiefe bis in Wassertiefen von 50 m keinen Einfluss auf die Sterblichkeit hatte. Bei Regenbogenforellen wird die Sterblichkeit in der Literatur beim Fang mittels Downriggern (Tiefsee-Schleppfischen) aus 35-45 Metern mit 15 % angegeben (Dedual, 1996). Flacher gefangene Fische (<15m) hatten in dieser Studie deutlich tiefere Sterblichkeitsraten (2-8 %). Zum Ausmass des Barotraumas gibt es auch zwischen verschiedenen Fischarten mit Verbindung der Schwimmblase zum Darm Unterschiede. Ebenfalls gibt es noch Wissenslücken. Die Sterblichkeit von Felchen beim Freilassen wurde zum Beispiel bislang noch nie untersucht. In Testfängen aus grossen Tiefen (>60 m) von nordamerikanischen Seen lag die Sterblichkeit bei 100 %.


Richtig handeln

Der Einfluss der Angelfischerei kann bei einer hohen Sterblichkeit beim Zurücksetzen und einer hohen Rate von nicht überlebensfähigen, nicht entnahmefähigen Fischen unterschätzt werden. Die passive Sterblichkeit (unerwünschte Sterblichkeit in der Fischerei) sollte daher in ein nachhaltiges Fischereimanagement einbezogen werden. In mehreren Untersuchungen wurden gefangene Fische (z. B. nordamerikanische Studien mit Saiblingen, Barschen und Zandern) in grosse Maschenkäfige oder Versuchsteiche freigelassen und für einige Zeit gehältert. Dadurch konnten die Fische auch ihre Schwimmtiefe frei wählen. Dabei konnte man klar feststellen, dass die Mortalität nicht unmittelbar auftreten muss, sondern meist in einem Zeitraum von 48 Stunden nach dem Fang eintritt.

Auf die Sterblichkeit beim Freilassen wirken sich neben der Tiefe insbesondere auch die Fangmethoden, die Zeit, in welcher der Fisch gehandhabt wird sowie auch die Wassertemperaturen beim Freilassen aus. Je wärmer das Wasser und je länger die Exposition an der Luft, desto schlechter die Chancen für den freigelassenen Fisch.



Der Tierschutz steht im Vordergrund

  • Falls möglich, Fischfang in der Tiefe vermeiden­.

  • Wo grosse Tiefen unvermeidbar sind, sollte die Methode möglichst auf den (massigen) Zielfisch optimiert werden, z. B. durch den Einsatz von grossen Ködern.

  • Fische sind bei Anzeichen von Barotrauma nicht überlebensfähig.

  • Beim Fang vieler untermassiger Fische: Platz- oder Gewässerwechsel vorziehen.

  • Keine Hilfsmittel einsetzen oder chirurgische Eingriffe tätigen (z. B. Anstechen der Schwimmblase oder Absenken von Fischen mit Gewichten).

 

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