25 | 06 | 2020 | Reisen | 0 | 6439 |
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Dänemark – Meerforellen im Dunkeln
Der Fluss Karup in Dänemark ist wahrscheinlich einer der besten Meerforellen-Flüsse der Welt. Meerforellen mit mehr als zehn Kilo Gewicht gibts zwar auch hier nicht alle Tage. Wer aber mit einer Forelle zwischen vier und acht Kilo seine Fischerträume erfüllt sieht, ist hier am richtigen Ort.
Der Karup mäandriert, fliesst frei und unverbaut beinahe 80 Kilometer durch eine der schönsten Landschaften Dänemarks. Das idyllische Tal ist seit den 1960er-Jahren geschützt, was eine für den Fluss schädliche Nutzbarmachung verhinderte. Ein Blick auf die Statistiken des Fischbestands jagt den Puls in die Höhe: Das Durchschnittsgewicht der gefangenen Meerforellen liegt bei unglaublichen vier Kilos, und jedes Jahr werden ein paar Fische zwischen fünf und acht Kilo gefangen. An diesem Fluss sah ein lokaler Angler vor beinahe hundert Jahren seine kühnsten Fischer-Träume bewahrheitet: Der Fisch, den er hakte und schliesslich landen konnte, gilt noch heute als die grösste je in Dänemark gefangene Meerforelle. Dieser Rekordfisch von 1929 wog 14,4 Kilo und galt damals als Weltrekord-Forelle.
Mai-Forellen
Obwohl die Fischer-Saison hier schon am 1. März eröffnet, muss man sich noch bis Mitte April, Anfang Mai gedulden, ehe die ersten Meerforellen einsteigen. So früh in der Saison sind die Fische noch wenig und nur vereinzelt unterwegs, was den Fang eines Fischs zur Herausforderung macht. Ab dem 1. Juni ändert sich das Bild und fast überall darf man mit Fischen rechnen, in den unteren wie auch den oberen Flussabschnitten. Den ganzen Sommer über wie auch im Herbst steigen bis zum Ende der Saison am 31. Oktober immer wieder Meerforellen in den Karup ein, um hier zu laichen.
Der Schlüssel zum Erfolg
Der Fluss Karup ist nicht für einfaches Fischen bekannt. Damit es mit dem Fang klappt, müssen einige Faktoren zusammenspielen, darunter natürlich das richtige Gerät und der richtige Köder. Am wichtigsten ist aber, den Fluss gut zu kennen. Besucher werden schnell merken, dass das Kunsthandwerk des Flussfischens (engl. river craft) hier noch wichtiger ist als an vielen andern Flüssen. Dies vor allem deshalb, weil man fast immer in der Abenddämmerung, in der Nacht oder in den frühesten Morgenstunden fischt. In anderen Worten, hier fischt man auf grosse Fische in der pechschwarzen Nacht. Selbst mit dem richtigen Gerät und einer guten Portion Wissen muss man sich auf eine aufwendige und zeitintensive Fischerei einstellen. Nicht etwa, weil wenige Meerforellen da wären, sondern weil sie so schwierig zu überlisten sind. In einer normalen Saison fangen die Angler zwischen sechs und neun Tonnen Fisch beziehungsweise 1500 bis 2200 Fische. Obwohl die Entnahme von Meerforellen im Karup erlaubt ist, steigt die Anzahl Angler, die Catch&Release betreiben. Mittlerweile wird etwa jede dritte Forelle zurückgesetzt.
In der Dunkelheit
Tagsüber verstecken sich die Fische in den tiefen Pools oder Unterständen. Erst mit der einsetzenden Dämmerung werden die Forellen rege und aktiv. Dann ist die beste Zeit gekommen, denn in der Dunkelheit bewegen sich die Fische bis zum frühen Morgen flussaufwärts. Diejenigen, die nicht wandern, begeben sich aus ihren Unterständen in die Strömung und beobachten neugierig, was dort so passiert. Normalerweise beginnt die Fischerei kurz vor Sonnenuntergang und dauert bis tief in die Nacht. Nicht selten wird man Zeuge davon, wie der Fluss in der verblassenden Dämmerung zum Leben erwacht und sich die Wasseroberfläche beim Durchziehen der grossen Fische immer wieder wölbt. Gefischt wird mit dicht an der Oberfläche geführten, halb-schwimmenden Lachsfliegen, sogenannten tube flies. Die meisten Angler bevorzugen schwarze oder dunkelblaue Modelle. Die Fliegen bewegen sich in der Strömung lebhaft über die Oberfläche und bewirken hinter sich eine grosse Furche, was für die grossen Forellen bisweilen unwiderstehlich erscheint.
An die Bedingungen anpassen
Um das Maximum aus dem nächtlichen Fliegenfischen herauszuholen, sollte man sich noch bei Tageslicht Zeit nehmen, um sich mit der Umgebung vertraut zu machen. Es ist bedeutend angenehmer, einen zumindest halbwegs vertrauten Ort zu befischen und zu wissen, wo sich welche Hindernisse befinden. Fast noch die grössere Schwierigkeit dürfte es sein, während der gesamten Zeit vor Ort die Nacht fischend zum Tag zu machen und im hellen Tageslicht Schlaf und Erholung zu finden. Um nicht wie der Esel vor dem Berg zu stehen und die Lernzeit drastisch abzukürzen, lohnt es sich, nach Informationen zu suchen. Am besten man wendet sich gleich an einen der lokalen Meerforellen-Experten, in meinem Fall war das Kenneth Nielsen. Kenneth ist pro Saison ungefähr 50 Nächte am Wasser auf der Suche nach den Silberbarren des Karups und weiss manchen Trick, der den Weg zum Fisch erheblich abkürzt.
Robustes Gerät
«Wer nachts erfolgreich sein will, muss seine Ausrüstung so einfach wie möglich halten. Und stabil genug muss sie ebenfalls sein, um auch in der Dunkelheit mit einer Grossforelle zurechtzukommen. Wer zu leicht fischt, wird hier schnell bestraft. Das Vorfach sollte die 0,35 mm nicht unterschreiten, ansonsten wird das hier nichts mit dem Fang eines grossen Fischs.» Kenneth fährt fort: «Ich fische mit Schwimmschnur und verwende eine Zehn-Fuss-Einhand-Rute oder ein kurzes Zweihand-Modell. An einem so schmalen und tiefen Fluss wie dem Karup ist es von Vorteil, einen ultra-kurzen Schusskopf zu verwenden. Mein Favorit ist gerade mal 6,6 Meter lang. Er ist von hiesigen Fischern für genau diese Art des Fischens entworfen worden.»
Die richtige Präsentation
Nach einem Wurf stromabwärts im 45 Grad Winkel zum gegenüberliegenden Ufer lässt Kenneth die Fliege kaum eine Sekunde sinken, um sie dann zu beschleunigen: «Ich bin überzeugt, dass der Fressinstinkt der Meerforellen aktiviert wird durch eine Fliege, die sich überraschend und schnell bewegt. Um dies zu bewirken, hebe ich die Rute und strippe gleichzeitig etwa einen Meter Schnur ein. Den Rest bewirkt dann die Strömung, die Fliege wird zum eigenen Flussufer geleitet, wo sie sich durch ein langsames Heben der Rute nochmals auffällig bewegt. Dann folgt der nächste Wurf.» Hier spielt der kurze Schusskopf seine Stärken aus, denn mit einer einzelnen Bewegung kann die Fliege neu platziert werden, ohne überflüssig über dem Standplatz der scheuen Meerforelle hin und her geschwungen zu werden.
Wer schliesslich mal seinen Rhythmus gefunden hat, kann die Sache gemächlich angehen und jeden Spot ausgiebig befischen. Dann reicht eine Bewegung von einem halben Meter zwischen zwei Würfen. Dabei muss man sehr vorsichtig vorgehen und äusserst sachte auftreten. «Der Gebrauch einer Taschenlampe oder selbst das Glühen einer Zigarette kann ausreichen, um die Chancen auf einen Fisch an diesem Ort zunichtezumachen. Und glaub mir, auch wenn Du kein Dänisch verstehst, wirst Du ohne Probleme begreifen, was die Rufe der anderen Fischer Dir sagen wollen, wenn Du mit einer Lampe über den Fluss zündest!»
Und übrigens – die Meerforellen beissen hie und da auch tagsüber. Aber das ist eine andere Geschichte.
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