04 | 10 | 2024 | Schweiz | Diverses | 0 | 966 |
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Daniel Jositsch: «Das Fischen hat unglaubliche Qualitäten»
«Petri-Heil» hat den neuen Zentralpräsidenten des Schweizerischen Fischerei-Verbands SFV am Zürichsee getroffen und mit ihm über das Verbandswesen, die Jugend und die politische Arbeit gesprochen.
«Petri-Heil»: Vielleicht zuerst: Stellen Sie sich doch kurz den Fischern vor und erklären Sie uns, welche Stärken Sie zu Gunsten unserer Fische in Bern am besten ausspielen können.
Daniel Jositsch: Ich bin zeitlebens verbunden mit dem Wasser. So bin ich im Limmattal aufgewachsen und war lange in Stäfa am Zürichsee wohnhaft. Ich bin Professor für Strafrecht an der Uni Zürich und seit 2007 im Parlament. Dank meiner langjährigen Tätigkeit im Parlament bin ich dort gut verankert und vernetzt, was für die politischen Anliegen sicher wichtig ist.
Mein Zugang zu den Fischen kommt zuerst vom Tierschutz her. Fische haben da eine schlechte Position. Sie haben kaum eine Stimme, sie haben keine Lobby. Als mich Roberto Zanetti – dessen Arbeit ich stets bewundert habe – anfragte, dachte ich: Doch, das ist etwas, was ich aufgrund meiner Erfahrung und meinem Standing im Bereich eines pragmatischen Tierschutzes gut einbringen kann.
Und erzählen Sie mal von Ihren ersten Überlegungen, als Ihnen dieses Amt angeboten wurde. Überlegt man sich da gleich, was man erreichen und welche Ziele man selbst setzen würde?
Zuerst geht es immer mal darum, einfach reinzuschauen. Es wäre nicht optimal, von Anfang an sagen zu wollen, was da alles zu tun wäre. Die Vorgänger haben sich ja jeweils auch etwas überlegt. Das Fischzentrum Moossee ist mir gleich ins Auge gesprungen. Diese konkreter werdende Vision ist wichtig, vor allem für die Sichtbarkeit der Fische und der Fischerei.
Ein Punkt, der mir sehr am Herzen liegt, ist es, die Jugend zu erreichen. Wenn man an einer Delegiertenversammlung des SFV ist, dann ist man mit 59 Jahren recht im Durchschnitt (lacht). Doch die Zukunft der Fischerei sind nicht wir, das sind die Jungen. Und diese zu erreichen und so ein moderneres, dynamischeres Bild nach aussen vermitteln zu können, ist sowohl für den Verband als auch für die Fischerei an sich zentral. Ich bin auch sehr positiv überrascht, wie aktiv der Verband da bereits ist. Nebst dem Fischzentrum und der Jugend wird auch der Gewässerschutz weiterhin höchste Priorität geniessen. Dieser ist konstant unter Druck im Parlament, aktuell gerade wegen der Energiesituation. Da muss fortlaufend Einsatz und Widerstand geleistet werden.
In der Politik läuft es fast immer auf einen Interessenskonflikt der Fischer mit der Landwirtschaft hinaus: Reizt es Sie, hier Ihren Einfluss spielen zu lassen?
Das gehört ja ein bisschen dazu, wenn man im Parlament ist. Insbesondere wenn man eine gewisse Zeit dabei ist, hat man mehr Einflussmöglichkeiten. Im Gegensatz zum 200-köpfigen Nationalrat ist man im Ständerat mit 46 Leuten so was wie eine Schulklasse, man kennt sich und am Ende braucht man für die Mehrheit 24 Stimmen. Das hat Roberto Zanetti sehr erfolgreich gemacht. Und das ist der Weg, der auch richtig ist. Fischen können die anderen, wir brauchen jemanden, der im Parlament wirken kann. Ich konnte das beim Problem des Gänsesägers sehen. Ständerat Regazzi von der Mitte hat dazu einen Vorstoss lanciert, und wenn man im Ständerat zusammen und organisiert vorgeht, kann man etwas erreichen.
Wegen Ihres Berufs als Strafrechtsprofessor geniessen Sie auch den Ruf als Law-and-Order-Typ. Sehen Sie da Handlungsfelder bei Gewässerverschmutzungen, illegalen Wasserentnahmen oder fehlerhaften Fischern?
Das ist sicher ein Thema. Es ist so, Tiere haben keine Anwälte. Wenn man für Delfine, Katzen oder Schafe kämpft, hat man ein Tier, das leidend dreinschauen kann. Bei den Fischen ist das nicht der Fall. Da ist auch die Strafverfolgung relativ lasch. Hier muss man sensibilisieren.
Werden Sie demnächst mal einen SaNa-Kurs absolvieren?
Den mache ich nächsten Frühling; ich bin bereits angemeldet. Zwar wäre ich wohl eher ein Schönwetterfischer. Ich finde es aber stets spannend, irgendwo in ein neues Thema einzutauchen, ich mag solche Herausforderungen. Ich lese übrigens gerne auch im «Petri-Heil», gerade letzthin den Artikel über die besten Plätze am Zürichsee.
Sie präsidieren einen Verband. Diesem sind 26 Kantonalverbände und unzählige Vereine und demnächst wohl auch Einzelmitglieder angeschlossen. Wie sehen Sie da die Kräfteverhältnisse: Soll die Verbandsspitze eher die Initiative punkto Schwerpunkte und Beschlussfindung haben oder soll auf eine stärkere Einbindung der Kantonalverbände und Vereine abgezielt werden?
In allen Strukturen, die so aufgebaut sind, ist das ähnlich gelagert. Seit 13 Jahren bin ich Präsident des kaufmännischen Verbands. Es funktioniert genau gleich. In jedem Verband, den ich kenne, bis hin zu der Migros, läuft das so. Man ist eben nicht in der UBS, wo oben gesagt werden kann, so läuft es, und wer das nicht will, der soll gehen. Hier haben wir eigenständige Lokalverbände, die können alle austreten, wenn sie wollen. Als Verbandspräsident braucht man auch eine gewisse Gelassenheit. Man ist zwar formell zuoberst, aber in Tat und Wahrheit ist man ein Dienstleister für die einzelnen Kantonalverbände. Wenn man sich damit nicht abfinden kann, sollte man sein Glück besser woanders suchen. Und man muss immer wieder das Gespräch suchen. In den allermeisten Fällen lassen sich die Dinge so regeln. Und dann gibt es gewisse Situationen, wo es eine Abstimmung braucht.
Jetzt haben wir das Thema mit den Einzelmitgliedschaften. Für einzelne Kantonalverbände könnte das zu einer Gefahr werden, das verstehe ich. Auf der anderen Seite ist es aber eine grosse Chance für den Gesamtverband, und dazu haben bereits viele Diskussionen stattgefunden. Bei solchen Änderungen muss man sukzessive die Leute an Bord holen und da und dort Kompromisse und Abstriche machen. Das lässt sich nicht umgehen. Ich kenne keinen Verband, wo das anders wäre.
Der deutsche Verband hat eine Kampagne, die die psycho-sozialen Vorteile des Fischens hervorhebt: Naturverbundenheit, Abschalten, Stressbewältigung, Ausgleich vom Berufsalltag. Die sagen eigentlich: Geh angeln! Fischen ist gut. Kann man eine ähnliche Werbung fürs Fischen bei uns auch bald mal erwarten?
Heute muss man mit sogenannten Influencern arbeiten. Wenn man sieht, wie Junge Sachen machen, die teils völlig unerwartet sind, beispielsweise Bücher lesen. 20-Jährige gehen heute nicht mehr in Vereine und Verbände, sie sind aber für die Botschaften offen und sehen die Probleme. Deshalb bin ich auch für Einzelmitgliedschaften. Das Fischen hat in der heutigen Zeit unglaubliche Qualitäten. Es ist total was anderes als ein Fitnessstudio oder so.
Wir haben in den letzten drei Jahrzehnten in den Fliessgewässern des Schweizer Mittellands über 80 % der Forellen und 95 % der Äschen verloren. Die Gründe sind vielfältig. Aber weder Wissenschaft, Behörden noch die Politik können den katastrophalen Niedergang unter Wasser aufhalten. Lohnt sich dieser Kampf noch?
Der Kampf lohnt sich auf alle Fälle und die Sensibilität für die Gewässer ist ganz klar gestiegen. Im Bundesparlament ist das auch angekommen. Dort ist halt immer die Frage: Was muss man machen und vor allem, was kostet es? Und meistens hat man als grössten Widersacher die Landwirtschaft. Diese wehrt sich fast schon aus Prinzip gegen alles. Das ist ein schwieriges Problem. Ich bin jetzt dem landwirtschaftlichen Club beigetreten; denn im Bundeshaus kann man die Bauern nicht direkt schlagen. Vielmehr muss man schauen, wo man Kompromisse machen kann.
Gerade wenn man schaut, was der viele Niederschlag dieses Jahr bewirkt hat: Man sieht so viele Insekten wie schon lange nicht mehr. Und das zeigt eigentlich, dass bereits kleine Schritte, die niemandem wirklich wehtun, wie etwa grössere Zeitabstände zwischen den Wiesen-Schnitten, schon viel bewirken können. Man muss ja nicht gleich alles auf den Kopf stellen, oder?
In der Umweltschutzthematik wurden immer wieder grosse Fehler gemacht. Da ist man andauernd viel zu radikal. Nachdem die Grünen gewonnen haben bei den vorletzten Wahlen, haben sie viel zu weitgreifende Ziele herausgegeben, und spätestens mit dem Aufkommen der Klimakleber haben die Leute scharenweise gesagt: «Da mach ich nicht mehr mit.» Wenn man im Aufwind ist, muss man unbedingt pragmatisch bleiben. Stets kleine Schritte, so kommt man vorwärts. Und sobald man radikal wird, sind die Leute weg.
Ein Teil des Problems besteht darin, dass Schweizer Fischereibiologen dazu neigen, den Besatz einzustellen und «die Natur machen zu lassen». «Petri-Heil» hat am Beispiel der Bayerischen Fischerei und deren Verband gezeigt, dass es anders besser geht. Werden Sie solche Lösungsansätze unter die Lupe nehmen?
Ich bin immer gerne bereit, Studien anzuschauen und mit den Fakten zur Hand auf Bundesebene aktiv zu werden. Ein Vorteil von uns Parlamentariern ist, dass wir zu der Verwaltung einen barrierefreien Zugang haben. Sie machen zwar nicht, was man ihnen sagt, aber sie müssen einem zuhören (lacht). Das ist immerhin schon mal eine Möglichkeit.
Lieber Daniel Jositsch, vielen herzlichen Dank für das Gespräch!
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