28 | 09 | 2022 | Schweiz | 4 | 7278 |
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Eure Meinung zum Hitzesommer 2022: Nüchtern und pragmatisch
Aktive Fischer am Wasser erleben aus eigener Erfahrung mit, was draussen passiert. Entsprechend nüchtern und pragmatisch sind die Ansichten unserer Leser. Und offensichtlich ist die Bereitschaft hoch, zugunsten des Überlebens der gefährdeten Arten Abstriche bei deren Befischung zu machen. Aus dieser Umfrage wird auch ein Paradigmenwechsel in der Fischerei deutlich.
Die Abstimmung ist geschlossen
Wie sehen die Zukunftsperspektiven fürs Forellen- und Äschenfischen Deiner Meinung nach aus?
Total Abstimmungen: 197
14% | Ich bin – gerade wegen den Revitalisierungen – eher optimistisch
30% | Das kann man nicht sagen, alles ist möglich
56% | Ich bin eher pessimistisch
Sind Alet, Barbe, Karpfen und Wels für Dich eine interessante Alternative zum Forellen- und Äschenfischen?
Total Abstimmungen: 192
56% | Ja, Ruchfische sind eine interessante Alternative
44% | Nein, wenn das Forellen- und Äschenfischen nicht mehr möglich sein wird, werde ich nicht mehr ans Wasser gehen
Unsere Gewässer werden immer wärmer. Braucht es künftig stärkere Schonvorschriften für unsere Edelfische?
Total Abstimmungen: 193
67% | Ja, über 20 Grad Wassertemperatur sollte man nicht mehr fischen dürfen
33% | Nein, noch mehr Verbote helfen uns auch nicht weiter
In welche Richtung sollte Deiner Meinung nach eine künftige Bewirtschaftung gehen?
Total Abstimmungen: 191
45% | Es braucht mehr Flexibilität und neue Ansätze. Besatz mit Kleinfischen, Krebsen und auch Insekten beispielsweise
41% | Fischzucht ist vergebens. Lebensraumaufwertungen sind zentral
14% | Es braucht vor allem mehr fangfähige Forellen, dafür bezahlen wir ja unser Patent. Das ginge nämlich schon, wenn man nur möchte!
In immer kürzeren Abständen haben wir seit dem Auftakt im Jahr 2003, dann 2018 und schliesslich dieses Jahr 2022 einen extremen Hitzesommer erlebt. Der Klimawandel geschieht, und am Wasser erleben wir die Folgen besonders deutlich. Um kältebedürftige und verletzliche Arten zu erhalten, braucht es Initiativen auf verschiedenen Ebenen. Vielerorts müssen wir uns fischereilich leider auch neu orientieren hin zu Arten, die sich noch halten können. Die Stellungnahmen der interviewten Fachleute und Fischer im «Fokus» der letzten Ausgabe fassen sehr pointiert unterschiedliche Aspekte zusammen und widerspiegeln auch, was viele engagierte Petrijünger denken. Die gut 180 eingetroffenen Stimmen bei der Umfrage sprechen auch für sich.
Trübe Erwartungen für das Salmonidenfischen
Die Zukunft der Salmonidenfischerei wird mehrheitlich pessimistisch eingeschätzt. Immerhin knapp ein Drittel legt sich nicht fest und hält noch vieles für möglich. Dabei eine Rolle spielen dürfte die Erfahrung, dass die Widerstandsfähigkeit und Regenerationsfähigkeit des Lebens im Wasser immer wieder (positive) Überraschungen bietet.
Pragmatische Fischer
Bei der zweiten Frage zeigt sich, dass die Fischergemeinde mehrheitlich pragmatisch ans Wasser geht und sich 56% auch eine Fischerei auf Ruchfische und Welse vorstellen kann. Wenn jedoch satte 44 Prozent nicht mehr an die betreffenden Gewässer gehen und sich auch nicht mehr dafür einsetzen, wäre das ein sehr herber Verlust für alle, einschliesslich den Wasserbewohnern.
Schutz der Fische geht vor
Was die verstärkten Schonvorschriften betrifft, hat sich die deutlichste Mehrheit ergeben. Mehr als zwei Drittel befürworten verschärfte Schonvorschriften und dass man bei Wassertemperaturen über 20 Grad Edelfische nicht mehr befischen sollte. Offensichtlich liegt den meisten unserer Leser das Überleben dieser Fische mehr am Herzen als die Pirsch um jeden Preis. Das wird auch in den drei hinterlassenen Kommentaren deutlich, welche für den Fischereiverzicht auf gefährdete Salmoniden plädieren. Wobei Marcel zu Recht anmerkt: «Ich finde aber, dass nicht nur wir Fischer zum Schutz der Tiere verpflichtet sind, sondern auch die Bevölkerung im Allgemeinen zur Verantwortung aufgerufen werden soll.»
Paradigmenwechsel
Hätte man die letzte Frage noch vor zehn Jahren gestellt, wäre das aktuelle Ergebnis wohl undenkbar gewesen. Nur etwa einer von Zehn vertritt noch die Ansicht, dass sich ein bezahltes Patent rentieren muss in Form von behändigten Forellen. Dass sich die Mehrheit gegen Fischzucht (Besatz mit fangfähigen Fischen) ausspricht und für Lebensraumaufwertungen oder neue Ansätze wie den Besatz mit Kleinfischarten und Krebsen, spricht für einen Paradigmenwechsel und ein anderes Verständnis der Fischerei gegenüber früheren Zeiten. Das ist begrüssenswert, doch man sollte nicht vergessen, dass auch die Nutzung der Fische als wertvolles und nachhaltiges Nahrungsmittel ein wichtiger und legitimer Bestandteil der Fischerei ist. Dass Schutz und Nutzung Hand in Hand gehen können, zeigt sich auch heute noch.
Tabuthema Regenbogenforelle
Ebenfalls im Rahmen des Klimawandels auf das Tapet gebracht wird die Regenbogenforelle. So Christoph Hartmann im Leserbrief vom «Petri-Heil» 10/2022: «Die Regenbogenforelle hingegen hätte mit den geänderten Bedingungen keine Probleme und trotzdem wird deren Besatz verboten. (…) Ein Umdenken ist sehr wichtig und ich hoffe, dass der SFV sich beim BAFU für die Regenbogenforelle engagiert und bessere Verhältnisse für die Fischerei durchsetzen wird.» Damit spricht er wohl einigen Lesern aus dem Herzen, was auch aus der Replik von Emil Moos in den Leserbriefen vom «Petri-Heil» 11/2022 deutlich wird. Dass diese Diskussion vonseiten der Behörden und wissenschaftlichen Kreisen zum Tabu erklärt wird, ist nicht zielführend und blendet die heutige Realität aus.
Wie weiter nach Trockenheit und Hitzesommer?
2022 war ein Hitzesommer sondergleichen, nach 2003 der zweitwärmste seit Menschengedenken. Es gab viele Fischsterben in der ganzen Schweiz. Betroffen waren insbesondere die kältebedürftigen Fischarten wie Forelle und Äsche, aber auch andere Arten wie Nasen, Barben, Elritzen, Schmerlen und Groppen.
«Petri-Heil» hat unsere Experten befragt, was sie zum Hitzesommer und vor allem zum «Wie weiter?» meinen.
Lukas Bammatter
Co-Leiter Abteilung Fischerei und Jagd Kanton Zürich
«Wo häufig kein Wasser fliesst, nützt auch das beste Bewirtschaftungskonzept nichts.»
«Petri-Heil»: Im Kanton Zürich musste vielerorts wegen Wassermangels und viel zu hohen Temperaturen abgefischt werden und viele Fliessgewässer waren nach 2018 erneut nicht oder kaum mehr befischbar. Wie geht nun die Fischereiverwaltung des Kantons Zürich mit betroffenen Pachtabschnitten um?
Lukas Bammatter: Für eine definitive Beurteilung ist es noch zu früh, aber wir machen uns bereits Gedanken für die neue Pachtperiode ab 2026. So ist es möglich, dass wir gewisse Reviere zusammennehmen und wir werden wohl auch nicht umhin kommen, kleinere Bäche und Zubringer aus den Pachten herauszulösen.
Und was passiert dann mit den kleinen Bächen?
Wenn die Tendenz zur Trockenheit bestehen bleibt – was leider zu befürchten ist – und dies dazu führt, dass gewisse Abschnitte oder Zubringer regelmässig austrocknen, dann macht dort eine Bewirtschaftung mit Stützbesatz keinen Sinn. Priorität bei diesen besonders durch Trockenheit gefährdeten Gewässern hat die Vernetzung zu grösseren Gewässern. Bäche, die trocken fallen, werden uns wohl zukünftig noch mehr beschäftigen; nimmt man nun besonders betroffene Fliessgewässer aus der Bewirtschaftung heraus, entlastet dies im Katastrophenfall unsere Ressourcen und wir können uns besser auf andere Gewässer konzentrieren. Wir werden, was den Stützbesatz angeht, künftig noch restriktiver vorgehen müssen. Wo häufig kein Wasser fliesst, nützt auch das beste Bewirtschaftungskonzept nichts. Leider muss man damit rechnen, dass durch die zunehmende Trockenheit viele Kilometer einst befischbarer Gewässer für die Fischerei weitgehend verlorengehen. Für das Funktionieren der Ökosysteme sind diese kleinen Zubringer aber weiterhin zentral, und wo die Wandermöglichkeiten gegeben sind, kann man auch in Zukunft noch mit Fischen rechnen.
Samuel Gründler
Präsident Fischereiverein Schaffhausen und Geschäftsleitungsmitglied SFV
«Ohne wirkungsvolle Schutzmassnahmen hat die Äsche im Rhein kaum eine Überlebenschance. Dazu gehört auch ein konsequenter Schutz vor fischfressenden Vögeln.»
«Petri-Heil»: Mittlerweile erleben wir den zweiten Trockenheitssommer innert fünf Jahren und wohl das wärmste Jahr seit 2003; erneut hatte auch der Rhein mit viel zu tiefem Wasserstand und viel zu hohen Temperaturen zu kämpfen. Wie haben die Notfallmassnahmen funktioniert?
Samuel Gründler: Das Schaffhauser Notfallkonzept, welches nach 2003 entwickelt worden war und 2018 seine Nagelprobe hatte, funktioniert. Im Sommer 2022 konnte von den Erfahrungen und den daraus abgeleiteten Optimierungsmassnahmen profitiert werden. Im Gegensatz zu 2018 konnten allerdings an den Stellen, wo Massnahmen getroffen wurden, deutlich weniger Äschen und Forellen beobachtet werden. Der Grund dürfte der deutlich tiefere Bestand dieser Fischarten sein. Neben dem Hitzesommer 2018 hat auch die fehlende Kormoranabwehr (Gerichtsentscheid) zwischen Untersee und Bibermühle zu zusätzlichen Schäden am Fischbestand geführt …
Und wie geht es nun weiter mit der Äsche?
In den kommenden Monaten muss diskutiert werden, wie die Fischerei und die Gewässerbewirtschaftung an die neuen Umstände angepasst werden kann bzw. muss. Fakt ist, der Fischbestand im Rhein hat sich infolge Klimawandel stark verändert. Die Trüsche ist seit 2003 bereits praktisch vollständig verschwunden. Der Welsbestand hat dafür seit 2018 explosionsartig zugenommen.
Was müsste künftig verbessert werden?
Ohne wirkungsvolle Schutzmassnahmen hat die Äsche im Rhein kaum eine Überlebenschance. Dazu gehört auch ein konsequenter Schutz vor fischfressenden Vögeln. Die konsequente Aufwertung der (kühlen) Seitengewässer gemäss Praxishandbuch «Fischer schaffen Lebensraum» muss unbedingt fortgesetzt werden.
Ist ein Fischen auf Salmoniden im Rhein auf absehbare Zeit undenkbar geworden? Und falls ja, was bedeutet dies für die Fischer?
Die Zukunft wird dies zeigen … Klar ist, dass die Fischer sich umorientieren und an die neuen Umstände anpassen müssen. Dank erfolgreichem Ruchfischkonzept und entsprechender Ausbildung der Jungfischer passiert dies bereits heute.
Susanne Haertel-Borer
Chefin der Sektion Revitalisierung und Fischerei, Bundesamt für Umwelt BAFU
«Es zeigt sich, dass Revitalisierungs-Massnahmen lokal Erfolge haben. Die Umsetzung muss jedoch beschleunigt werden.»
«Petri-Heil»: Mittlerweile erleben wir den zweiten Trockenheitssommer innert fünf Jahren und viele Fliessgewässer waren nach 2018 erneut kaum mehr befischbar. Gibt es bereits Pläne, wie man diesen Ausfall an aquatischer Fauna wiederherstellen will?
Susanne-Haertel-Borer: Mit dem Klimawandel ist in Zukunft mit häufigeren Hitzewellen und Trockenphasen im Sommer zu rechnen. Für Tiere und Pflanzen in den Gewässern bedeutet dies Stress; es kann vermehrt zu hitzebedingten Fischsterben kommen. Notfallmassnahmen wirken nur beschränkt. Grundsätzlich gilt: Naturnahe Gewässer sind widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel. Sie sind strukturreich, durchgängig für die Fische und beschattet. Fische und andere Gewässerlebewesen können sich in kühlere Bereiche zurückziehen. Seit 2011 fordert das Gewässerschutzgesetz naturnahe Flüsse, Bäche und Seen. Seither wird revitalisiert und die negativen Auswirkungen der Wasserkraftnutzung werden verringert. Der kürzlich publizierte BAFU-Bericht «Gewässer der Schweiz – Zustand und Analyse» zeigt, dass die Massnahmen lokal Erfolge haben. Die Umsetzung muss jedoch beschleunigt werden. Die Zusammenarbeit mit den Fischerinnen und Fischern ist wichtig, weil gute Lösungen nur gemeinsam gefunden werden können.
Andreas Knutti
Abteilungsleiter Fischereiinspektorat Kanton Bern
«Nebst der Forelle ist jeweils auch zu prüfen, ob andere Arten wie Groppen, Flusskrebse oder Weissfische mit Initialbesätzen gefördert werden sollten.»
«Petri-Heil»: Die Emme hat es diesen Sommer besonders stark erwischt; das Wasser ist anhaltend zu warm, die Wasserstände sind auf historischen Tiefständen gewesen und gleich mehrere Streckenabschnitte sind trocken gefallen. In anderen Bächen hat es ähnlich schlimm ausgesehen. Wie sieht euer Bewirtschaftungskonzept für solche Totalausfälle aus?
Andreas Knutti: Die Fischbestände in der Emme und in weiteren von der Trockenheit betroffenen Gewässern sind teilweise stark dezimiert worden. Es ist damit zu rechnen, dass in kommenden Hitzejahren – diese werden kommen! – wieder die gleichen Strecken betroffen sein werden. Daher muss geprüft werden, inwieweit die Lebensbedingungen in diesen Bereichen optimiert werden können. Wir müssen die Gewässer «klimafit» machen: Vernetzen, beschatten, Pools und Niedrigwasserrinnen fördern und dafür sorgen, dass möglichst wenig Wasser aus dem Gewässer und dem Grundwasser entnommen wird.
Der Wiederaufbau der Fischbestände braucht Zeit. Die Bewirtschaftungspraxis muss flexibler werden. Dabei kann es Sinn machen, betroffene Gewässerabschnitte stärker zu besetzen oder auch ganz auf den Besatz zu verzichten. Nebst der Forelle ist jeweils auch zu prüfen, ob andere Arten wie Groppen, Flusskrebse oder Weissfische mit Initialbesätzen gefördert werden sollten. Zusätzlich ist die Regulierung der Fischerei in extremen Trockenzeiten zu überdenken und allenfalls anzupassen.
Andrin Krähenbühl
Leitung Fischereiberatungsstelle FIBER
«Es ist bekannt, dass aus intakten Kleinbächen jährlich mehrere hundert Jungforellen absteigen können. Wenn solche Extremereignisse nicht allzu häufig auftreten, können sich die Fischbestände also auf natürlichem Weg erholen.»
«Petri-Heil»: Wenn nun Pächter oder andere Fischereiverantwortliche an die FIBER gelangen, mit der Bitte um Hilfe bei der Neugestaltung der Gewässer, wie sieht da eure Antwort dazu aus? Was kann und soll man machen?
Andrin Krähenbühl: Aufgrund der letzten Jahre wird es immer klarer: Unsere Fliessgewässer müssen fit gemacht werden, sowohl für Trockenheitsperioden, als auch für Hochwasserereignisse. Glücklicherweise gibt es, auch wenn es nicht offensichtlich erscheint, einige Parallelen zwischen Hochwasser und Trockenheit. Eine natürlichere Ufergestaltung bietet Beschattung in Hitzeperioden, bremst die Fliessgeschwindigkeit bei Hochwasser und hält Wasser zurück bei starken Niederschlägen. Zusätzlich bietet ein natürlich bewachsenes Flussufer Futter für die Fische und bringt zudem auch Laub als Insektennahrung ein. Wo nötig, kann es sich lohnen, zur Förderung des natürlichen Bewuchses, den Austausch mit dem lokalen Gewässerunterhalt zu suchen.
Weiter müssen vielfältige Unterstände in unterschiedlichen Tiefen im Gewässer vorhanden sein, so dass genügend Stellen mit Versteckmöglichkeiten für künftige Hoch- und Niedrigwasser existieren. Davon profitieren alle Altersklassen von Fischen sowie auch die Fischnährtiere.
Und was macht man, wenn der Schaden angerichtet ist?
Dort, wo in diesem Sommer trockene oder zu warme Fliessgewässerabschnitte auftraten, empfiehlt es sich zu prüfen, ob intakte Zuflüsse oder Gewässerstrecken flussauf- oder abwärts vorhanden sind, und sicherzustellen, dass diese für die Fische gut durchgängig sind. Gerade kleine, sommerkalte Bäche werden bei Trockenheit gerne als Rückzugsort genutzt, sind aber vor allem auch wichtige Laichhabitate und Kinderstuben für Bachforellen und sind entsprechend wertvoll.
Es ist bekannt, dass aus intakten Kleinbächen jährlich mehrere hundert Jungforellen absteigen können (z. B. nach Untersuchung in Belgien von Huet & Timmermans).
Wenn solche Extremereignisse nicht allzu häufig auftreten, können sich die Fischbestände also auf natürlichem Weg erholen. Gerade Bachforellen sind bestens an dynamische Umweltbedingungen angepasst. Ein schneller Besatz in ein trockengefallenes Gewässer sollte gut überlegt werden. Dieser macht meist nur Sinn, wenn keine natürlichen Fischkorridore für die Wiederbesiedelung vorhanden sind und wenn genügend Fischnährtiere im Gewässer verblieben sind.
Aus Sicht der Fischerei ist in solchen Situationen, wie so oft beim Fischen, Geduld gefragt. Fischerei während der Trockenperioden, aber auch nach einem Fischsterben, ist der Situation nicht dienlich.
David Bittner
Geschäftsleiter Schweizerischer Fischerei-Verband SFV
«Ausnahmslos befinden sich sämtliche Kantone der Schweiz, welche mit dem Vollzug der Sanierung Wasserkraft und den Revitalisierungen beauftragt sind, in Verzug.»
«Petri-Heil»: Was sind nach diesem Katastrophensommer die grössten und dringendsten Herausforderungen der Fischerei?
David Bittner: Die grössten und dringendsten Herausforderungen bestehen einerseits bei der Verteidigung des geltenden und historischen Kompromisses des Gewässerschutzgesetzes, insbesondere was nebst anderem die Restwassermengen betrifft. Das Bisschen Energie, welches hier noch genutzt werden könnte, steht schlicht in keinem Verhältnis zum ökologischen Schaden. Dass wir den Ausbau der Wasserkraft mittragen, zeigt der «Runde Tisch Wasserkraft». Aktuelle Forderungen zum Restwasser sind kurzsichtig und stellen die längerfristigen Ziele des Gewässerschutzes in Frage. Andererseits müssen die begonnenen Umsetzungen zur nachhaltigen ökologischen Verbesserung unserer Gewässerlebensräume und deren Bewohner massiv beschleunigt werden. Ausnahmslos befinden sich sämtliche Kantone der Schweiz, welche mit dem Vollzug der Sanierung Wasserkraft (freie Fischwanderung, Geschiebehaushalt sowie Schwall-Sunk) und den Revitalisierungen beauftragt sind, in Verzug. Nebst den Kantonen glänzt auch der Bund nicht durch Eile und Hastigkeit bei der Bearbeitung der Projekte. Hier braucht es deutlich mehr Engagement und Ressourcen, denn wir müssen unsere Gewässer «klimafit» machen, und zwar rasch, bevor es zu spät ist.
Christian Schwendener
Vorstandsmitglied Fischereiverein Werdenberg, Ressort Gewässerschutz und Aufzuchtanlage
«Man kann es drehen und wenden, wie man will: Wir müssen mit den Fischen, die sich noch an die verschiedenen Einflüsse anpassen können, leben und zu ihnen grosse Sorge tragen. Letztlich entscheidet der Mensch mit seinem Verhalten, welche Fische noch in den Gewässern überleben können.»
«Petri-Heil»: Eure Äschenzucht hat diesen Sommer katastrophale Verluste erlitten. Macht ihr da weiter, und wenn ja, wie?
Christian Schwendener: Der Vorstand des FV Werdenberg ist glücklich, dass alle Helfer der Aufzuchtanlage trotz der sehr schwierigen Umstände weitermachen wollen. Auch der Vorstand hat sich entschlossen, die Aufzucht weiterzuführen. Aufgeben ist nicht unser Ding. Voraussetzung ist, dass das Problem der mittlerweile 12 Biberdämme im Böschengiessen gelöst werden kann, und das Gewässer wieder zu einem Fliessgewässer wird. Eine Wassereinspeisung vom Sevelerbach zum Böschengiessen wird dabei eine entscheidende Rolle spielen. Seit einem Jahr züchten wir nun Fische mit Grundwasser, was für den Verein immense Kosten verursacht. Auch hierfür soll eine Lösung gefunden werden. Am 17. Oktober findet eine Begehung des Geländes um die Aufzuchtanlage am Böschengiessen statt. In einer anschliessenden Sitzung werden diese und weitere Themen diskutiert. Mit dabei sein werden unter anderen Vertreter von ANJF und AWE. Der FV Werdenberg würde es unendlich bedauern, wenn er mit der Zucht von Äschen aufhören müsste und somit sein ganzes Wissen verloren ginge. Es wäre schön, wenn bei uns der Erhalt von Äschen denselben Stellenwert wie der Biber erfahren dürfte.
Und wie geht es eigentlich den Fischen im Werdenberger Binnenkanal? Haben die den Hitzesommer gut überstanden?
Die Hitze hat einmal mehr aufgezeigt, wie wichtig Renaturierungen sind. Beschattungen, Niederwasserrinnen, tiefe Löcher und Unterstände haben den Fischen im WBK gute Möglichkeiten geboten, um sich an kühlere Plätze zurückzuziehen. Äschen und Regenbogenforellen haben daher bei uns im WBK diesen Sommer mit wenigen Ausnahmen gut überstanden. Zudem haben sich Alet und Barben von den sehr warmen Seitengewässern in den WBK zurückgezogen. Temperaturen bis zu 27 Grad, wie diesen Sommer in der Simmi, sind selbst für Alet und Barben zu hoch. Es ist weiterhin zu beobachten, dass die Bachforelle mit den klimatischen Veränderungen im WBK und den umliegenden Gewässern kaum mehr zurecht kommt. Dazu kommen noch die Einflüsse von Landwirtschaft, der Stromgewinnung und Industrie. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Wir müssen mit den Fischen, die sich noch an die verschiedenen Einflüsse anpassen können, leben und zu ihnen grosse Sorge tragen. Letztlich entscheidet der Mensch mit seinem Verhalten, welche Fische noch in den Gewässern überleben können. Für die Fischerei bedeutet dies meiner Ansicht nach leider nichts Gutes.
Rolf Michel
Berner Äschenfischer und freier Mitarbeiter «Petri-Heil»
«Die Aare ist voller Badender und dazwischen lassen Äschenfischer ihre Hölzchen treiben. Man darf ja wieder. Aber ist das OK?»
«Petri-Heil»: Wie geht man als Berner Äschenfischer mit dem Umstand um, dass es immer schwieriger wird für die Äsche? Sollte man sich im kommenden Herbst in Verzicht üben oder weiterhin auf Äschen fischen? Und was wünschst Du Dir von den Behörden? Und was von den Äschenfischern?
Rolf Michel: Den ganzen Sommer über habe ich mir Sorgen gemacht um den Forellen- und Äschenbestand in der Aare. Wassertemperaturen um die 24 Grad, wenig Wasser und ein nicht enden wollender Strom an Erfrischungssuchenden haben unsere Fische sicher arg belastet. Täglich erwartete ich Sichtungen toter Edelfische in meinem Fluss. So wies aussieht, sind wir aber nochmals mit einem blauen Auge davongekommen.
Jetzt haben wir Mitte September und die Wassertemperatur liegt immer noch bei 20 Grad, die Aare ist voller Badender. Dazwischen lassen Äschenfischer ihre Hölzchen treiben. Man darf ja wieder. Aber ist das okay? Darauf angesprochen kassiere ich Gegenwind: «Was sollen wir da noch kaputt machen, wenn die halbe Schweiz ihre Sonnencrème im Fluss abwischt und sowieso, lass uns fangen, was nicht mehr zu retten ist.» Mir bleibt der Mund offen. Ich versinke in einem inneren Konflikt. Die Äschenfischerei mit der Trockenfliege ist für mich ein Höhepunkt des Petri-Jahres. Aber soll ich diese Fischerei noch kultivieren? Wieviel Druck mag das System noch verkraften?
Persönlich ziehe ich Grenzen. Meine Äschensaison beginnt erst bei Wassertemperaturen unter 17 Grad. Bei der Entnahme werde ich mich auf Böcke beschränken. Verzichten werde ich nicht. «Verzicht» ist ein Killerargument. Wer Verzicht fordert, ist ja unwählbar geworden. Selbstverantwortung funktioniert auch nicht. Aber wünschen darf man noch …
Ich wünschte mir von den Behörden:
- Schonzeit bis 1. Oktober
- Entnahmemenge halbieren
- Evtl. Ausschluss der Äschenfischerei aus Kurzzeitpatenten
- Einschränkung der Techniken auf Kunstköder, Zapfen- & Fliegenfischerei
- Natürlich die bösen, bösen Vögel managen
Von den Fischern wünschte ich mir:
- Verzicht auf Ausschöpfung maximaler Fangzahlen und effiziente Fangmethoden inkl. Naturköder
- Evtl. eine ernsthaftere Auseinandersetzung mit Ökosystemen und dem Metabolismus kaltwasserliebender Fischen
Und des Weiteren wünsche ich mir von den Göttern aller Elemente, dass sie nochmals etwas Nachsicht walten lassen mit der Erde und der Menschheit …
Ivan Valetny
Hobbyfischer und Raubfisch-Spezialist aus Solothurn und freier Mitarbeiter «Petri-Heil»
«Klar kann man noch Forellen und Äschen fangen. Die Bestände sind aber fast überall tief und Alet übernehmen immer mehr die Forellengebiete.»
«Petri-Heil»: Ivan, du warst viel unterwegs in den Mittellandflüssen im Berner Seeland und im Kanton Solothurn, und es sind dir dort immer wieder schöne Forellen- und Äschenfänge geglückt. Nun waren die Temperaturen über lange Zeit im kritischen Bereich und die Wasserstände auf rekordtiefem Niveau. Wie siehst du die Aussichten der Salmonidenfischerei bei euch?
Ivan Valetny: Ich sehe leider immer schlechtere Aussichten für unsere Salmoniden und sage schon seit Jahren: Nicht der Fischer senkt die Bestände massgeblich, sondern die Erwärmung im Sommer macht es. Nach meiner Einschätzung werden die Bestände von Bachforellen und insbesondere Äschen in der Aare unterhalb Bern noch weiter sinken. Noch tragischer ist die Situation in vielen mittleren und kleinen Fliessgewässern im Kanton Solothurn. Es fliesst fast kein Wasser mehr und es ist so warm, dass man nicht mehr mit gutem Gewissen fischen gehen kann. Klar, noch ist nicht aller Tage Abend, aber ich habe meine Fischerei nun noch stärker auf Hecht und Egli ausgelegt. Die Forellenfischerei habe ich für den Moment an den Nagel gehängt, die Fangzahlen sind so tief, und wenn das Wasser fehlt, fehlt eben alles. Es macht mich traurig, dies feststellen zu müssen, aber ich kann mir eine Trendwende zum Guten beim Forellenfischen an der unteren Emme, der Aare und den anderen Solothurner Bächen schlicht nicht mehr vorstellen. Im Berner Oberland fliesst zwar mehr Wasser, aber bei so viel Gletscherschliff werden die Forellen nur selten gross und die Bestände werden auch nicht besser. Im Jura haben wir seit Jahren Probleme mit verpilzten Salmoniden, welche durch den Hitzestress jetzt zusätzlich zur Laichzeit im Winter ein zweites Mal im Jahr ein geschwächtes Immunsystem haben. Auch haben wir für eine ganze Weile komplette Bestände durch Austrocknung verloren, wie beispielsweise in der oberen Emme bei Eggiwil.
An der unteren Emme wird leider zu viel Wasser von den umliegenden Kanälen entnommen. Streckenweise ist die Emme jedes Jahr praktisch trocken. Die untere Aare wird zwar sehr wahrscheinlich nicht austrocknen, dank den Schleusen und den Wasserreserven in den Seen, aber die Fliessgeschwindigkeit und die Pegelstände sinken bei einer solchen Trockenheit enorm. Das Schlimmste für die Salmoniden ist hier die Wassertemperatur. Wenn dann dazu die etwas kühleren Zuflüsse als Rückzugsort für die Salmoniden nicht zugänglich sind, ist die Katastrophe perfekt. Wir haben alles drainagiert, weil wir hier im Wasserschloss Schweiz leben. Denken wir an letzten Sommer, da war es gerade umgekehrt, niemand wusste wohin mit dem ganzen Wasser, der Bielersee hatte einen neuen Hochwasserrekord eingefahren. Das Extreme nimmt leider zu, entweder es regnet wie aus Kübeln oder gar nicht. Ohne Wasserrückhaltungen mit Schleusen und Böden mit Bäumen, die mit Trockenheit umgehen können, haben wir wahrlich schlechte Karten für solche Trockenperioden wie diesen Sommer.
Klar kann man noch Forellen und Äschen fangen. Die Bestände sind aber fast überall tief und Alet übernehmen immer mehr die Forellengebiete. Sei es durch Wanderung oder Laich, der an Wasservögeln kleben bleibt; das Leben findet einen Weg, den Lebensraum zu füllen. Ich muss mich nicht mehr abrackern beim Forellen- und Äschenfischen, wenn Egli und Hecht stabile Bestände und Fangspass bieten.
Hier ein Video, das die ausgetrocknete Emme bei Eggiwil zeigt.
Nils Anderson
Chefredaktor «Petri-Heil»
«Petri-Heil»: Nils Anderson, was ist dein Resümee aus der Umfrage zum «Wie weiter?»?
Nils Anderson: Die Strategie ist fast durchgängig ein «Weiter wie bisher», einfach intensiver. Um es auf einen kurzen Nenner zu bringen: Revitalisieren, revitalisieren und nochmals revitalisieren. Dies ist grundsätzlich der richtige Ansatz und bringt insbesondere in den kleinen Fliessgewässern die nachhaltigsten und am meisten versprechenden Erfolge. Bei den grossen und wichtigen Hauptadern hingegen sind die Revitalisierungs-Möglichkeiten doch begrenzt. Wo Schwall und Sunk ein Aufkommen von Kleinlebewesen fast vollständig verunmöglichen oder wo es schlicht zu warm geworden ist, verliert die Fischerei zusehends an Bedeutung, ihre Stimme droht langsam aber sicher zu verstummen. Die grossen Fischervereine an unseren Fliessgewässern wissen unisono vom selben Phänomen zu berichten. Zwar hat man noch Aktive, doch diejenigen, die auch wirklich ans Wasser gehen, werden immer weniger. Denn Wels, Alet und Karpfen haben schlicht nicht dieselbe Anziehungskraft wie Äsche und Forelle. Wir alle wissen, dass es kein einfaches Patentrezept gibt zur Lösung der Probleme unserer Fliessgewässer. Doch was ich auch gelernt habe, ist, dass die Leistungs- und Einsatzbereitschaft der Fischer für ihre Gewässer wirklich sehr gross ist. Ob Kormoranwache, Abfischen, Aufzucht, Gewässerreinigung, Revitalisierungen: Die Fischer setzen sich wirklich grosszügig und selbstlos ein und scheuen auch keine Kosten. Das Ziel muss also sein, möglichst viele Fischer an unseren Gewässern zu haben, nötigenfalls auch wieder mit vermehrtem Attraktionsbesatz, dessen Benefit rein fischereilicher Natur ist. Fischer müssen als konstruktive und konstitutive Kraft an unseren Gewässern verstanden werden, und nicht etwa als Störfaktor! In den Köpfen muss hier etwas passieren. Die dänische Erfolgsstory bei den Meerforellen zeigt, wie es gehen würde. Dort wird der Fischereitourismus amtlich beworben. Die Dänen haben verstanden: Fischer bringen Geld und Arbeitskraft und mit diesen beiden Mitteln lassen sich Probleme nun mal am besten angehen. Sonst haben wir in absehbarer Zeit nichts als Grundeln, Welse, Quaggamuscheln und Alet in unseren Mittellandflüssen und den schön revitalisierten Zubringern sowie verkümmerte Restwasser mit Schwall und Sunk in unseren alpinen Gewässern.
4 Kommentare
Silvan | 28 | 09 | 2022 |
Ich bin da ganz der Meinung keine Fischerei mehr auf Salmoniden in betroffenen Gewässern. Ich selber wohne an der kleinenemmme und machte mir denn ganzen Sommer sorgen um Die Fische. Ich habe da ausgewichen und bin gezielter auf nicht gefährdete Fischarten gegangen z.b. Egli etc.
Marcel | 10 | 10 | 2022 |
In Zukunft wird es für die Salmoniden in der Schweiz und den umliegenden Ländern immer düsterer. Ich finde aber, dass nicht nur wir Fischer zum Schutz der Tiere verpflichtet sind sondern auch die Bevölkerung im allgemeinen zur Verantwortung aufgerufen wird. Bei Trockenheit und Hitze müssen die Begehungsverbote der Uferzone und Wasserläufe viel schneller ausgerufen werden als es diesen Sommer der Fall war. Was denkt ihr was dem Äschenbestand an einem Hitzetag mehr zusetzt, ein Fischer welcher aufgrund der hohen Hitze sowieso niedrige Fangaussichten hat oder eine Horde Jugendliche Badegäste welche es für nötig finden von einer Brücke in die die tiefen Gewässerabschnitte zu springen?
Antworten an: Marcel
Eduard Huber | 11 | 11 | 2022 |
Bravo ein super Kommentar! In diesem Sommer hat man vor leuter Gummibooten teilweise das Wasser der Aare nicht mehr gesehen! Viele dieser Leute sieht man dann bei Umweltdemos , aber selber Verzichten ...... Leider sieht es so aus , dass es wieder nur mit strengeren Verboten geht!
Christian Mumenthaler
Finde die Anregungen sehr gut. Insbesondere die von Rolf Michel. Hier möchte ich noch ergänzen, dass namhafte Fischereiartikelgeschäfte in der Umgebung für diesen Herbst doch tatsächlich Äschenkurse anbieten. Moralisch höchst verwerflich, nach einem derartigen Sommer! Das Portemonnaie geht vor gesundem Menschenverstand. Ich kann nicht verstehen, dass das Fischereiinspekorat da nicht eingreift, zumal aus öffentlichen Gewässern ein Gewinn für Privat erzielt wird. Und dies noch auf eine stark gefährdete Fischart. Da habe ich absolut kein Verständnis dafür!