[Fischer-Tagebuch] Patagonien [– Teil 5]
16 | 08 | 2025 ReisenText & Fotos: Michel Utz 0193
16 | 08 | 2025 Reisen
Text & Fotos: Michel Utz 0 193

Fischer-Tagebuch Patagonien – Teil 5

Michel Utz war mit der Angelrute in Südamerika unterwegs. In einer kleinen Serie berichtete er uns von seinen Erlebnissen in den Weiten Argentiniens und Chiles. Zum Abschluss blickt er zurück auf ein halbes Jahr unter Forellen.


Salmo Trutta Globalis
Forellen zwischen Alpen und Anden

Zwar bin ich ein Fliessgewässerfischer – mich faszinieren die ständige Bewegung des Wassers und die Herausforderungen, die das mit sich bringt. Trotzdem versuche ich mich in der Schweiz jeden Frühling in der Seeforellenfischerei vom Ufer aus. Wer das selbst schon probiert hat, weiss: Viele Bisse darf man in unseren Seen nicht erwarten. Nur wer am Ball bleibt und die nötige Zeit investiert, wird belohnt! Unsere Salmo trutta im See ist ein Fisch der tausend Würfe!

Ganz anders ist die Seefischerei in Patagonien. Am Lago Tromen fische ich wie zuhause mit einer 2,4 m Rute und einer 0,14er geflochtenen Schnur – ideal, um grosse Wurfweiten zu erreichen. Gerade bei diesem starken Wind, der direkt auf mein Ufer zubläst, hilft gute Ausrüstung. Doch selbst damit und mit schweren Blinkern (30 g) komme ich nicht so weit, wie ich es mir wünsche. Trotzdem ist die Bissfrequenz hoch. Ich werfe den Köder über die Flachwasserkante ins tiefere Wasser – genau dort kommen dann auch die Bisse, und ich kann an einem Tag fünf Bachforellen zwischen 50 und 60 cm fangen. Die Argentinier neben mir mit ihrer dicken Mono-Hauptschnur können von meinen Wurfweiten nur träumen und fangen im Flachen nichts. Ich habe Mitleid und gebe ihnen den nächsten Fang für ihren Grillabend. Ich selbst teile mir eine Regenbogenforelle mit dem Campingwärter, einem Indigenen aus dem Volk der Mapuche. Nach einem hoffnungslosen Kampf mit der Fliegenrute gegen den Wind am nächsten Tag kehre ich dann wieder zur bewährten Methode zurück. Wer sich aber windgeschützte Buchten sucht, fängt auch mit der Fliege seine Fische!

Ein paar Monate später stehe ich am riesigen Lago Buenos Aires (so nennen ihn die Argentinier) oder General Carrera (wie ihn die Chilenen nennen). Einige Tage verbringe ich am See und fange schöne Forellen. Vor der Abfahrt der Fähre zur anderen Seeseite machen meine Freundin und ich einige letzte Würfe, und ich bekomme einen guten Biss. Als die Forelle das erste Mal an die Oberfläche kommt, weiss ich: Das ist ein Monster! Gwen zieht mir die Schuhe aus, nimmt mir das Handy aus der Tasche und ich stürze mich in die Wellen. Nach einem aufregenden Drill kann ich eine Bachforelle von 74 cm landen! Angelockt von meinem Jubel tritt ein älterer Fischer heran und fragt mich, was ich denn für einen Köder fische. Ich zeige ihm den farbigen Blinker und er läuft aufgeregt zurück zu seinem Auto. Als wir später zur Fähre fahren, sehe ich ihn an «meinem» Spot stehen und wünsche ihm in Gedanken Petri Heil!

Die Artenvielfalt grosser Räuber in den Gewässern Patagoniens ist erstaunlich. Neben den Bach- und Regenbogenforellen kommen auch Bachsaiblinge vor. Dazu die indigene «Perca», die dem Schwarzbarsch ähnelt, sowie im Einzugsgebiet des Pazifik Königs- und Silberlachs. Eine Besonderheit sind auch die binnenwandernden Bestände des Atlantischen Lachses, welche statt im Atlantik in grossen Seen (z. B. Tromen, Traful) leben und dann in die Zuflüsse aufsteigen. Ergänzt wird der Lebensraum von den «Pejerrey» (ähnelt einer Felche), weiteren Kleinfischen und einer Vielzahl von Insekten und Krebsen.

Spannend ist auch die Färbung der patagonischen Salmo trutta. So haben auch im See lebende Exemplare meist eine braune Färbung, was in der Schweiz dem Ökotyp Bachforelle entspricht. In den Alpen sind im See gefangene Forellen meist silbern und wir nennen sie Seeforellen – das ist einfach ein anderer Ökotyp der Salmo trutta. Eine kurze Recherche zeigt, dass dies wohl daran liegt, dass man in den Anden vor hundert Jahren häufig den Bachforellen-Ökotyp der Salmo trutta besetzt hat und die Fische das dunkle Schuppenkleid nie abgelegt haben. Auch scheinen sie sich in den Seen eher ufernah aufzuhalten. Der dunkle und strukturreiche Seegrund, das Totholz und Gestein begünstigen eine dunkle Färbung. Alpine Seeforellen halten sich häufig weit weg vom Grund auf, weshalb eine silberne Färbung bessere Tarnung bringt. Ausserdem fehlen in Südamerika typische europäische Fressfeinde wie der Hecht.

 Am Ufer eines unbekannten Sees stehen, auswerfen und gleich eine Riesenforelle an den Haken kriegen: Das ist Patagonien ...

Am Ufer eines unbekannten Sees stehen, auswerfen und gleich eine Riesenforelle an den Haken kriegen: Das ist Patagonien ...

Augenscheinlich ist: Je weiter südlich man kommt, desto auffälliger fischen die Einheimischen und knoten die Köder teilweise direkt an die geflochtene Hauptschnur. Anfangs war ich erstaunt, dass man auf diese Weise scheue Forellen fangen kann. Doch schnell erkannte ich, wie viel dünner Südpatagonien besiedelt ist und was das für den Befischungsdruck der Seen bedeutet. Verdeutlichen lässt sich dieser Umstand mit dem Vergleich des Lago Buenos Aires mit dem Thunersee. Am Thunersee leben etwa 80?000 Personen, dazu kommen viele in nahegelegenen Gebieten. Der Lago Buenos Aires wiederum beherbergt an seinen Ufern unter 20?000 Personen. Dagegen hat er eine 37-mal grössere Fläche als der Thunersee. Der Befischungsdruck in den Seen Südpatagoniens ist also deutlich kleiner. Und falls man doch im Dorfzentrum am Ufer nichts fängt, sucht man sich abseits der Leute einen schönen Ort. Dort ist die Aussicht auf schöne Fänge auch in Südamerika grösser!


Fischer-Info

Für das Fischen in Patagonien gibt es sehr ausführliche Regulatorien bezüglich der erlaubten Techniken, der Entnahme von Fischen und des Desinfizierens von Angelgeräten. Die Auflistung davon würde den Rahmen sprengen, besonders da sich die Regeln in Argentinien und Chile sowie in den einzelnen Provinzen unterscheiden. Wenn Du nach Patagonien reist, kannst Du Dich gerne bei mir melden und ich werde Dir eine Übersicht und die entsprechenden Links zukommen lassen.

Instagram: @alpinecapitalfishing oder @swissfishingcouple


> Teil 1 | Die Magie des Limay

> Teil 2 | Ein Hauch Down Under

> Teil 3 | Abenteuer zwischen Bürokratie und Triumph

> Teil 4 | Für Lachs ans andere Ende der Welt

 

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