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06 | 04 | 2021 | Praxis | 0 | 7856 |
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Der Österreicher Clemens Ratschan hat das Fliegenfischen auf Felchen für sich entdeckt und darüber einen lesenswerten Bericht für «Petri-Heil» geschrieben. Was an Österreichs Voralpenseen funktioniert, müsste auch an Schweizer Gewässern funktionieren.
Der Fliegenfischerei sind heute scheinbar kaum mehr Grenzen gesetzt. Nicht mehr nur auf Salmoniden, sondern auch auf Cypriniden und sogar den Wels und Zander wird mit der Fliegenrute gepirscht. Aber von der gezielten Fliegenfischerei auf Felchen in den Voralpenseen hört man kaum etwas. Dabei werden die auf Plankton und Mückenlarven spezialisierten Coregonen tausendfach mit Nymphen gefangen. Bei den Nymphen an den Felchenhegenen handelt es sich eigentlich um nichts anderes als zweckentfremdete «Fliegen», die mit einem Blei an der sensiblen Rute in die Tiefe gebracht werden. Sind nun aber die Tiefen der Felchenseen eine letzte, uneinnehmbare Bastion für die Fliegenfischerei?
Tatsächlich trifft man die Felchen meistens zwischen zehn und zwanzig, teils sogar dreissig und mehr Metern an. Das sind Tiefen, die mit Fliegengeschirr einfach nicht sinnvoll befischt werden können. Aber es gibt Zeiten und Stellen, bei denen die Felchen auch in Flachwasserzonen vordringen. Dann lohnen sich Versuche mit der Fliegenrute. Generell ist das vor allem im Frühling bis Frühsommer der Fall, besonders zu Zeiten des Maifliegenschlupfs. In vielen Voralpenseen haben sich durch die Sedimentation von Kalk sogenannte Seekreidebänke gebildet. Solche Flachwasserzonen sind meist 1 bis 3 Meter tief und fallen an den Kanten in die Tiefe ab. In manchen Seen ziehen die Felchen gerne entlang dieser Kanten oder dringen sogar weit in diese «Flats» vor. Solche Flachwasserzonen gibt es eigentlich an jedem Felchengewässer. Doch nicht überall verhalten sich die darin lebenden Populationen gleich und es gilt, die Gelegenheiten hierzulande noch zu entdecken. Im Frühling, während der Monate April bis Juni, von wenigen Pionieren bereits mit der Fliegenrute angeworfene Felchenstellen sind am Vierwaldstättersee (Weggis), Bielersee oder dem Sempachersee bekannt. Doch auch von anderen Seen kennt man das Phänomen der hoch stehenden und manchmal sogar direkt an der Wasseroberfläche schwimmenden Felchen. Nicht immer stehen die Fische dabei in den Flachwasserzonen; auch über tiefem Wasser können bis knapp unter der Oberfläche fressende Felchen auftreten. Die Fischerei vom Boot aus bietet daher mehr Spielraum. Eine weitere Möglichkeit bietet im Herbst (September und Oktober) der Alpenrhein, wenn die aus dem Bodensee in den Fluss hineinziehenden Felchen dort anzutreffen sind, etwa rund um den Illspitz.
Aber nicht nur die passende Wassertiefe mit erreichbaren Coregonen, auch weitere Herausforderungen gilt es zu bewältigen, bevor man sich über den gelungenen Fang an der Fliegenrute freuen darf. Ein entscheidender Faktor ist die Bisserkennung. Die Silberpfeile lassen uns nur Sekundenbruchteile Zeit, bevor sie eine Nymphe wieder loslassen. Glücklicherweise erschrecken sie aber oft beim Biss und haken sich ganz von selbst. Fischt man hoch konzentriert und reagiert man blitzschnell auf den kleinsten Zupfer, kann dann richtig «die Post abgehen». Schliesslich zählen die Felchen zu den temperamentvollsten Kämpfern unserer Gewässer. Das kostet immens Nerven, denn man verliert sie sehr leicht im Drill durch Ausschlitzen des Hakens im weichen Maul. Darum kommt man für die Landung nicht um einen Feumer herum. Als Schlüsselfaktor auf Seen hat man mit dem Wind zu tun. Bläst er zu stark, gelingt das Fixieren des Boots und das Werfen schlechter. Auch die Köderführung und das Erkennen der feinen Bisse ist deutlich schwieriger. Bei Windstille und glattem Wasserspiegel sind die Felchen dafür sehr scheu. Am besten klappt es irgendwo dazwischen, etwa wenn das Wasser leicht gekräuselt ist und ein feiner Wellengang die Anwesenheit des Fischers verwischt.
Es kann sogar möglich sein, die Felchen auf Sicht anzuwerfen. Die silbrigen Fische sind jedoch unheimlich gut getarnt und heben sich von der hellen Seekreide kaum ab. Bei genauem Hinsehen kann man gerade noch ihre geisterhaften Schatten erkennen. Das haben sie, ebenso wie die beachtliche Power, gemeinsam mit dem legendären Bonefish der salzigen Flats. «Fischen auf Sicht» kann auch heissen, zu beobachten, wo sich die anderen Felchenfischer aufhalten und sich an den vermuteten Standort der Schwärme heranzupirschen, in der Hoffnung auf die weit oben umherziehenden Exemplare. Wenn auch auf dem Echolot Signale in den obersten Metern erscheinen und die Fischerkollegen mit flach eingestellten Felchenzapfen erfolgreich sind, ist es für das Fliegenfischen vielversprechend. Am Bielersee sieht man die silberglänzenden Fische sogar gelegentlich aus dem Wasser springen, weiss «Petri-Heil»-Mitarbeiter Ivan Valetny zu berichten. Mit welcher Aktion man die Schattengestalten schliesslich an den Haken bekommt, hängt von deren Launen ab. Langsam und gleichmässig einziehen oder zupfen – beides ist einen Versuch wert. Nach dem Wurf, je nach Position des Boots und der gewünschten Fangtiefe zum Ufer hin oder parallel zur Kante, wird die Schnur langsam eingeholt, am Boot abgehoben und erneut ausgeworfen. Bei geeigneter Windstärke und -richtung kann es auch möglich sein, das Boot driften zu lassen, was ein äusserst feinfühliges und bodennahes Fischen ermöglicht. Besonders kurzweilig wird die Fischerei dann, wenn sich auch andere Arten die Nymphen schnappen. Je nach Vorkommen können das verschiedene Weissfischarten, Egli, Forellen, Seesaiblinge oder in manchen Seen sogar Äschen sein.
Ohne einen schwimmenden Untersatz sind die Möglichkeiten an Seen stark eingeschränkt. Doch zum Fliegenfischen muss es ja kein Motorboot sein. Ein Kajak, ein kleines Ruderboot oder gar ein Bellyboat reichen auch. Etwas längere Ruten sind von Vorteil, 9 Fuss oder länger und in Schnurklasse 4 bis maximal 6. Mit weichen Gerten wird man bei weitem mehr Felchen erfolgreich landen als mit steifen, schnellen Ruten. Bei der Auswahl der Schnüre sind die Vor- und Nachteile von Schwimm- und Sinkschnüren abzuwägen. An einer Schwimmschnur sinken Vorfach und Fliege bogenförmig zum Grund, sodass die Nymphe beim Zupfen zur Oberfläche aufsteigt. Das kann besonders aggressive Bisse provozieren. Diese Methode gelingt bis zu einer Tiefe von etwa drei Metern recht gut, aber weiter runter kommt man schwer oder nur bei Vorfachlängen, mit denen die Bisserkennung schwierig wird. Mit einer Sinkschnur kann man noch ein paar Meter weiter in die Tiefe vordringen und an kurzen, gestreckten Vorfächern auch gut Kontakt halten. Es können damit auch kleinere und wenig beschwerte Fliegen verwendet werden. Dem steht der Nachteil gegenüber, dass sich die Nymphe beim Zupfen horizontal bewegt. Das imitiert aufsteigende Insekten weniger gut und führt zu mehr Hängern. Sofern es die Wassertiefe ermöglicht, eignet sich die Schwimmschnur besser für die optimale Aktion und Bisserkennung.
Um die gewünschte Wassertiefe zu erreichen, ist Experimentieren mit der Beschwerung der Fliege und der Vorfachlänge angesagt. Bei Flachwasserzonen hat sich das Anbieten der Nymphen rund eine Handbreit über Grund am besten bewährt. Ein Tippet um die 0,14 - 0,16 mm ist adäquat, bei grossen und beschwerten Mustern kann man auch darüber hinaus gehen. Wenn die Maifliegen schlüpfen, bringen auch grössere Nymphen in gelben bis braunen Farbtönen und der Hakengrösse 6 oder 8 Erfolg. Gerne lassen sich die Felchen auch mit kleinen, glitzernden Goldkopfnymphen überlisten – wie die Äschen in Fliessgewässern. Die Fluss-Felchen am Rhein reagieren am besten auf Reiznymphen in knalligen Farben. Der Versuch auf die heimischen «Bonefish» mit der Fliege ist eine Herausforderung, die sich wirklich lohnt! Und rund um die halbe Welt reisen muss man dafür auch nicht.
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