11 | 05 | 2021 | Schweiz | 1 | 6761 |
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Fredy Hiestand – Fischer mit einer Mission
Fredy Hiestand kann auf eine erfolgreiche Karriere als Unternehmer zurückblicken. Und er verfolgt weiterhin unbeirrt seinen Weg, für gesunde Nahrungsmittel einzustehen. Er engagiert sich für die beiden Volksinitiativen «Pestizidinitiative» und «Initiative für sauberes Trinkwasser» nicht nur als Fischer, sondern auch wegen grundsätzlicher gesundheitlicher Bedenken.
Fredy Hiestand empfängt uns zuhause, am oberen Dorfrand von Geroldswil. Zur Begrüssung gibt es einen Rundgang durch den grosszügigen Garten. Nebst einer Anlage mit Hühnern und vielen Gemüsebeeten bildet ein Biotop mit mehreren Becken das Herzstück seines Aussenbereichs. Darin schwimmen Egli, und kleine Schwalen verstecken sich zwischen den Seerosenstängeln. Von hier schweift der Blick über die brummende Industriezone des Limmattals und am dunstigen Horizont erahnt man die Gipfel der Glarner Alpen.
Fredy Hiestand war schon immer ein umtriebiger Mensch. Als Unternehmer legte er eine steile Karriere vom Jungbäcker zum «Gipfelikönig» hin. Ende der 1960er-Jahre bildete er mit der Produktion von Gipfeli-Teiglingen für Grosskunden die Basis für einen der heute grössten Convenience-Tiefkühlbackwarenkonzerne. 2003 verkaufte Hiestand seinen Anteil. Mittlerweile hat er mit «Fredy’s» ein neues Unternehmen gegründet, welches möglichst naturnahe Rohstoffe für seine Backwaren verwendet. Hiestand ist einer, der sich nicht scheut, für seine Überzeugungen einzustehen und sich auch mal exponiert, selbst wenn er die gehässigen Nebengeräusche von politischen Kampagnen alles andere als angenehm empfindet. So war er eines der Gesichter auf der Kampagne für die Konzerninitiative, und nun engagiert er sich für die beiden Initiativen, die am 13. Juni zur Abstimmung kommen.
Vom Pfäffikersee nach Alaska
Der im Zürcher Oberland aufgewachsene Bauernsohn fischt schon von Kindesbeinen an. Begonnen hat seine Leidenschaft für die Fische am Pfäffikersee, später dann ging es oft an den Linthkanal und an die Limmat. Jetzt hat er ein Boot am Zürichsee, denn leider ist die Zeit der Linthkanal-Äschen vorbei. «Es tut mir weh, wenn ich sehe, wie schlecht es unseren Fischbeständen geht.» Mittlerweile ist seine liebste Fischerdestination Alaska. Das erste Mal war er Anfang der 1980er-Jahre mit Hansjörg Dietiker dort: «Pfadfinder-Zeiten waren das damals.» Noch immer kehrt er regelmässig zurück – sofern es die Umstände erlauben. Diesen Mai will er zur Abwechslung mal einen Ausflug auf die Kapverden zu den Marlinen unternehmen.
Für beide Initiativen
Im Gespräch mit Hansjörg Dietiker rutscht die Fischerei schnell mal in den Hintergrund. Es geht um die beiden Initiativen. «Ich plädiere für beide Initiativen», sagt Hiestand, selbst wenn in den Vorlagen der eine oder andere Punkt nicht ganz optimal sei. Schliesslich ist eine Initiative ja stets der erste Punkt im politischen Prozess. Bis der Initiativ-Text ins Gesetz Eingang findet, sind immer Korrekturen zu erwarten. Und wie man bei der von den Fischern vor gut 15 Jahren lancierten Initiative für lebendiges Wasser oder der Alpeninitative gesehen hat, muss man – gerade bei mächtigen Gegenspielern wie der Agrar-Lobby – froh sein, wenn am Schluss überhaupt etwas umgesetzt wird. Dass die Initiativen zu extrem seien, diese Befürchtung hält er alleine schon deshalb für unbegründet. Überhaupt müsse jetzt mal etwas gehen: «2008 wurden vom Bund 13 Zielsetzungen hin zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft verabschiedet, aber keine einzige ist bisher erfüllt worden.»
Bio wird immer besser
Fredy Hiestand sorgt sich um den Planeten und seine Bewohner: «Wir müssen grüner werden. Es geht nicht anders», ist die Überschrift zu einem grossen Interview mit ihm in der Sonntagszeitung von Anfang 2020. Das Forcieren von biologischer Landwirtschaft ist ihm daher wichtig und dafür exponiert er sich auch. Dass in diesem Bereich grosse Verbesserungen geschehen sind, zeigt sich für Fredy exemplarisch am Wein. «Vor 25 Jahren war Bio-Wein in der Regel ungeniessbar. Heute hingegen ist der überwiegende Teil der Bio-Weine den konventionellen Weinen mehr als ebenbürtig.» Dieser Effekt lasse sich fast überall beobachten: «Eine ausschliesslich biologische Landwirtschaft funktioniert.» Die beiden Initiativen seien alles andere als absurde Heilsversprechen, die schliesslich kontraproduktiv würden. «Grundnahrungsmittel müssen unbedenklich konsumiert werden können. Es kann nicht sein, dass der Konsum von Brot oder Wasser unsere Gesundheit belastet.» Ihm ist es wichtig, dass die Rohstoffe aus besonders naturnaher landwirtschaftlicher Produktion kommen, die Zertifizierung ist dann eher nebensächlich. Nebst der Gesundheit der Menschen geht es aber auch um diejenige der Natur. Die Biodiversität ist nicht einfach «nice to have» und der Rückgang der Artenvielfalt ist schlicht alarmierend.
Fredy verweist dazu auf Beispiele in Bhutan und dem indischen Bundesstaat Sikkim. Letzterer hat Kunstdünger nicht etwa verboten, sondern die staatlichen Subventionen schrittweise gestrichen, bis die Bauern ihr Interesse am Düngen verloren. Mittlerweile gilt der Bundesstaat Sikkim als pestizidfrei und steht wirtschaftlich deutlich besser da als seine Nachbarn. Auch wenn sich das Modell von Sikkim natürlich nicht eins zu eins auf die Schweiz übertragen lässt: «Sobald der Einsatz von Pestiziden nicht mehr subventioniert wird, bessert sich die Situation für die Umwelt ganz automatisch.» Davon profitieren alle, sowohl die Konsumenten wie auch die Produzenten; einzig die grossen Agrarkonzerne wie Syngenta und Co. hätten das Nachsehen.
Es braucht die Artenvielfalt
«Der Durchschnittsbürger sorgt sich ums Trinkwasser, nicht um unsere Fische. Die Fische sterben ja nicht direkt an den Pestiziden, und wir auch nicht. Die Insekten aber schon. Und von einem guten Insektenaufkommen ist die ganze Biodiversität abhängig: Die Vögel, die Amphibien, die Fische und schliesslich auch wir. Diese Artenvielfalt gilt es zu bewahren.» Wie drastisch der Insektenrückgang bereits fortgeschritten ist, kann jeder Autofahrer an seiner Windschutzscheibe beobachten. Auch nach einer Fahrt quer durch die Schweiz sind sie noch sauber. «Mit der Annahme der Initiativen könnten wir eine deutliche Verbesserung der Situation bewirken.»
Dass die Bauern die Geprellten sind und immer gegen sie Stimmung gemacht wird, lässt er nicht gelten. Es sei in erster Linie ein falsches Anreizsystem, welches Monokulturen begünstige. Für die Artenvielfalt seien kleinere Mischkulturen hingegen unverzichtbar. «Die Schweizer Bevölkerung ist sehr wohl bereit, die Bauern mit Subventionen zu unterstützen. Aber sicher nicht auf Kosten der Natur und Umwelt.»
Bühler Walter
Vielen Dank für dieses Statement. Eine nüchterne und vorallem weitsichtige Betrachtungsweise die selten ist für solch grossartige Pioniere dieses Jahrgangs!