14 | 05 | 2022 | Schweiz | 1 | 6355 |
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Gute Neuigkeiten von den Wasserinsekten
Unter den Wasserinsekten in Schweizer Fliessgewässern sind Arten auf dem Vormarsch, die es gerne warm haben und die gut mit Pestizidbelastungen umgehen können. Das zeigt eine gemeinsame Studie von WSL und Eawag mit Daten aus dem Biodiversitätsmonitoring zwischen 2010 und 2019.
Studien zur Entwicklung der Insekten in der Schweiz und weltweit kommen häufig zum Schluss, dass die Artenvielfalt drastisch abgenommen hat. Friederike Gebert hat im Rahmen der von der WSL und der Eawag lancierten Forschungsinitiative «Blue-Green-Biodiversity» untersucht, wie sich die Vielfalt der Wasserinsekten in Schweizer Fliessgewässern in den letzten Jahren verändert hat. Ihre Resultate zeigen ein etwas anderes Bild: In keiner der untersuchten Familien und Gattungen haben die Artenzahlen der in der Schweiz verbreiteten Arten im Zeitraum zwischen 2010 und 2019 abgenommen. «Die klaren Ergebnisse mit stabilen und steigenden Artenzahlen über die Zeitspanne von nur zehn Jahren haben uns sehr überrascht», sagt Gebert. Sogar Arten, die kühlere Bedingungen vorziehen wie die Eintagsfliege Baetis alpinus, sind trotz steigender Temperaturen nicht verschwunden. Für ihre Studie verwendeten die Forschenden Daten, die an 438 Standorten in der Schweiz erhoben wurden. Zu beachten sei aber, dass vor allem die häufigen und verbreiteten Arten erfasst wurden und zu den seltenen Arten keine sicheren Aussagen gemacht werden können.
Mögliche Gründe
Der Hauptgrund für diese Entwicklung dürfte gemäss Studienergebnissen der Klimawandel sein: «Die Zunahme der Artenvielfalt findet vor allem in mittleren Höhenlagen statt, und zwar durch Arten, die wahrscheinlich aus tieferen Lagen zuwandern und gut mit wärmeren Bedingungen umgehen können», sagt Kurt Bollmann, der das Forschungsprojekt leitet. Ob dadurch kälteliebende Arten mit der Zeit verdrängt werden, ist noch nicht klar. Dazu müssten längere Zeiträume untersucht werden. Ob auch Massnahmen im Gewässerschutz weitere Gründe für die stabilen bis zunehmenden Artenzahlen sind, lässt sich mit dieser Studie nicht belegen. Da während der Industrialisierung viele Fliessgewässer kanalisiert und verschmutzt wurden, dürften in dieser Zeit die Artenzahlen der Wasserinsekten in der Schweiz massiv abgenommen haben. «Deshalb gehen wir davon aus, dass die heutige Zunahme von einem tiefen Niveau ausgeht», so Gebert.
Jedes Insekt im Ökosystem zählt
Also vielleicht doch nicht alles im grünen Bereich bei den Wasserinsekten? «Zugenommen haben die anspruchsloseren Arten, während die kälteangepassten Arten bisher nicht abgenommen haben», sagt Gebert. Doch nicht nur die Artenzahlen sind entscheidend, damit ein Ökosystem gut funktioniert: Es ist vor allem die Menge an Insekten, die im Ökosystem ihre Dienstleistungen erbringen. Dazu sind noch zu wenig Daten vorhanden. «Es ist darum immens wichtig, dass in Monitoringprogrammen zur Biodiversität nicht nur Arten, sondern auch deren Häufigkeit und Biomasse erfasst werden», fordert Gebert. Wie Insekten auf dem Land sind auch Wasserinsekten von grosser Bedeutung für das Ökosystem. Sie bieten Fischen und anderen Tieren im Wasser Nahrung und spielen eine wichtige Rolle als Zersetzer von Laub und Holz und anderem organischem Material. Viele Wasserinsekten verbringen zudem nur ihre erste Lebensphase als Larve im Wasser und sind nach dem Schlüpfen eine wichtige Nahrungsquelle für Vögel und Säugetiere an Land.
Faktor Wassermenge
«Petri-Heil»-Chefredaktor Nils Anderson macht zu diesem Thema noch folgende Ergänzung: Ein wesentlicher Faktor scheint für die erfreuliche Entwicklung der Wasserinsekten in diesem Frühling nicht unbedingt die gestiegene allgemeine Temperatur oder ein sprunghafter Rückgang des Pestizidaustrags zu sein, sondern vielmehr die Niederschlagsmenge des regenreichen 2021. Mehr Wasser führt zu tieferen Wassertemperaturen, mehr Dynamik und einer besseren Verdünnung von Schadstoffen. Unter guten Bedingungen erholen sich Wasserinsektenbestände also offenbar schnell. Der Punkt ist leider, dass solch gute Bedingungen immer seltener werden dürften.
sehr interessant wir haben den in einem kleinen brunnen gesehen