24 | 11 | 2016 | Reisen | 0 | 6708 |
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Im Tal der Riesen
Der Vatnsdalsá ist einer der bekanntesten Lachsflüsse Islands, und doch ist er hierzulande nur wenigen bekannt. Im September werden an diesem Fluss «bunte Riesen» gefangen, mächtige Lachsmilchner mit imposanten Laichhaken.
Vor zwei Jahren bekam ich ein Buch geschenkt. Das ist zu Weihnachten ja nichts Ungewöhnliches, und es ist auch nichts Ungewöhnliches, dass man einem Fliegenfischer ein Buch schenkt, das in irgendeiner Form mit dem Fliegenfischen zu tun hat. Ungewöhnlich war, dass dieses grossformatige Buch mit über 200 Seiten einem einzigen Fluss auf Island gewidmet ist – dem Vatnsdalsá!
Den Namen dieses Flusses kannte ich bereits, konnte ihn aber zwischen all den Grössen, wie beispielsweise Ranga, Laxa und Midfjardara, nicht einordnen. Ich blätterte, las, blätterte zurück, schaute mir Bilder an, las weiter – und war fasziniert!
Im Buch «A Salmon Fisher‘s Odyssey», erschienen bei Witherby, las ich die Eindrücke des britischen Autors John Ashley-Cooper, die er 1962 am Vatnsdalsá gesammelt hatte. Die Fänge? 17 Lachse bis zum Lunch…
Die Hälfte der Lachse wiegt mehr als fünf Kilo
Später erfuhr ich, dass John Ashley-Cooper von diesem Fluss so angetan war, dass er ihn für zehn Jahre pachtete – und das Fischen, natürlich Fly only, nur gestattete, wenn er persönlich vor Ort war. Auch nicht die feine englische Art, irgendwie, doch zu diesem Zeitpunkt wurde die Saat einer kultivierten Lachsfischerei ausgebracht, die bis heute Früchte trägt! Die Eigentümer schlossen sich zusammen, bauten für die Lachsfischer eine Unterkunft, aus der die heutige moderne Flódvangur Lodge entstanden ist und beschlossen 1997, dass der Vatnsdalsá nur noch mit der Fliege und nach Catch-and-Release-Regeln befischt werden darf.
Das Resultat: Der Lachsbestand wächst und gedeiht! Etwa die Hälfte der Lachse wiegt mehr als fünf Kilogramm, haben also zwei oder mehr Jahre im Meer verbracht, zudem werden jedes Jahr Lachse jenseits der 10-Kilo-Marke gefangen.
Bedenkt man, dass im Vatnsdalsá in einer nur dreimonatigen Saison (von maximal 8 Fliegenfischern!) zwischen 700 und 1200 Lachse gefangen werden, dann ist nachvollziehbar, warum dieser Fluss auf Island ein ungewöhnlich hohes Ansehen geniesst.
Das letzte Hemd hat bekanntlich keine Taschen
Die Lachse können den Vatnsdalsá bis zum Wasserfall Dalsfoss, etwa vierzig Kilometer vom Meer entfernt, aufsteigen. Die produktive Lachsstrecke ist 20 Kilometer lang und kann von beiden Ufern aus befischt werden. Im Schnitt stehen jedem Fliegenfischer also einige Kilometer zur Verfügung, und so kann man jeden Tag «unberührtes Wasser» fischen.
Als Bonus gibt es die beiden Seen, Húnavatn und Flódid, in denen Sie – neben Saiblingen und Bachforellen – auch Lachse und Meerforellen fangen können. Besonders die leicht strömenden Ausläufe der Seen sind interessant, denn hier ruhen die aufsteigenden Lachse und Meerforellen.
Auch ich habe dort zwei schöne Meerforellen gefangen, denn ein Jahr, nachdem ich das Buch gelesen hatte, war ich tatsächlich im September für ein paar Tage am Vatnsdalsá! Mein chronisch voller Terminkalender zeigte eine Lücke, das Konto ein Plus, am Vatnsdalsá war für ein paar Tage ein Platz frei – und das letzte Hemd hat bekanntlich keine Taschen…
Das Poker-Spiel mit den Poly-Leadern
Mein erster Eindruck vom Vatnsdalsá: Traumhaft! Das Vatnsdalur, durch das dieser Lachsfluss fliesst, zählt zu den schönsten Tälern im Nordwesten Islands. Das klare Wasser des Vatnsdalsá fliesst leise gurgelnd durch weite Felder, eingerahmt von sanften Hügeln, passiert dabei zwei Seen und mündet schliesslich in den Nordatlantik.
Dass es auf Island nur Grilse, also kleine Lachse, gibt, ist übrigens ein Märchen, das auch in der Lodge «Flódvangur», gleich am Eingang, links an der Wand, eindrucksvoll widerlegt wird. Die Wand ist voll mit Bildern von Lachsen jenseits der 10-Kilo-Marke!
Auffällig: Es sind viele «bunte Riesen» dabei, also kapitale Lachsmilchner, die im Herbst gefangen wurden.
Zum Fang gefärbter Lachse, die farblich an eine Bachforelle erinnern, kann man stehen wie man will. Dem Lachs ist es wahrscheinlich egal, wann er gefangen wird – am liebsten sicherlich gar nicht.
Ich persönlich lege es jedoch nicht darauf an, spät in der Saison gezielt «bunte Fische» zu fangen und fische entsprechend, also mit Schwimmschnur und Intermediate-Vorfach.
Sommer-Schnitt: Vier Lachse pro Tag und Fliegenfischer!
Der Verzicht auf die Sinkspitze reduziert die Wahrscheinlichkeit enorm, einen roten Riesen zu fangen! Oder anders formuliert: Wenn Sie einen dieser grossen Herbstlachse fangen wollen, dann sollten Sie die Fliege zwei Etagen tiefer als mit der Schwimmschnur anbieten.
Bei meinem Poker-Spiel mit den Polyleadern, also dem Verzicht auf den Einsatz eines Sinkvorfachs, setze ich darauf, blanke Lachse zu fangen – und nehme in Kauf, keinen zu fangen. Das ist mir bei meinen vier September-Tagen am Vatnsdalsá übrigens gelungen. Lachs: Null!
Der erfolgreichste Fischer der Woche fing, die genaue Zahl habe ich verdrängt, 10 oder 15 Lachse. Oder waren es 17? Insgesamt wurden im September 2015 am Vatnsdalsá 257 Lachse gefangen, also pro Tag im Schnitt rund acht Lachse. Von maximal acht Fischern, die hier zeitgleich fischen dürfen! Macht einen Lachs pro Tag und Fliegenfischer. Für den Atlantischen Lachs eine enorm gute Quote!
«Michael, you‘re a real seatrout-man!»
Und wie wurde in den Sommermonaten gefangen? Im Juli und August 2015 wurden in 62 Tagen insgesamt 1025 Lachse gelandet. Macht vier Lachse pro Tag und Fliegenfischer! Wo ich das gerade schreibe, kommen mir doch leichte Zweifel, ob der bewusste Verzicht auf das Fischen mit der Sinktip richtig war...
Dennoch fing ich im September am Vatnsdalsá meine Fische in Form von wirklich schönen Meerforellen. Zwei dieser wohlgenährten Fische fing ich bei strahlendem Sonnenschein im leicht strömenden Auslauf des Sees Flódid, weitere im Pool Hnausastrengur.
An diesem Pool, die Nähe des Atlantiks kann man am Hnausastrengur bereits riechen, war ich in meinem Element. Als die Rute zum vierten Mal in zwei Stunden krumm war und am anderen Ende der Schnur wieder «nur» eine stramme Meerforelle tobte, legte mir Jon die Hand auf die Schulter und sagte schmunzelnd tröstend: «Michael, you‘re a real seatrout-man!» Ich nehme das mal als Kompliment.
Gerät und Fliegen
Für den Vatnsdalsá reicht leichtes Lachsgerät aus. Der Fluss ist überschaubar und gut zu bewaten, sollte man einem grossen Lachs folgen müssen. Mit einer Einhandrute der Klasse 7 oder 8 kommt man klar, eine leichte Zweihandrute (11 bis 13 Fuss) ist komfortabler.
Die Frage der richtigen Schnur ist schnell geklärt: Floating. Dazu eine Tasche mit Polyleadern (intermediate bis fast sinking), und man ist gut gerüstet.
Fliegen: Die Entscheidung fällt so schwer, wie man sich diese machen möchte. Die Red Francis ist immer eine gute Wahl, Sunray Shadows (ca. 8 cm lang) sorgen für Action an der Oberfläche. Ansonsten fangen sämtliche Island-Muster.
Auf einen Blick
Der Vatnsdalsá ist gut zu erreichen, von Reykjavik aus sind es rund 270 Kilometer Richtung Norden. An diesem Fluss dürfen maximal acht Fliegenfischer gleichzeitig fischen. Letztes Jahr lag die Anzahl der gelandeten Lachse bei 1297! Jedes Jahr werden in diesem Fluss 10-Kilo-Plus Lachse gefangen.
Fischbestand: Atlantischer Lachs, Meerforelle, Bachforelle, Saibling.
Saison: 19. Juni bis 30. September.
Top-Zeit: Mitte Juli bis Mitte August.
Bestimmungen: Fly only und Catch and Release.
Streckenlänge: 20 km.
Guiding: Erfahrene Guides mit geländegängigen Fahrzeugen sind verfügbar, diese kümmern sich in der Regel um zwei Fliegenfischer.
Unterkunft: Die gemütliche Lodge «Flódvangur» liegt in unmittelbarer Nähe des Vatnsdalsá, westlich des Sees Flódid, und verfügt über einen Full Service, Zimmer mit eigenem Bad. Das Essen ist reichhaltig und gut, ein Trockenraum für die Ausrüstung ist ebenfalls vorhanden.
Preise & Buchung: Diese variieren im Verlauf der Saison, zudem ist der Vatnsdalsá gut gebucht. Alles über aktuelle Preise und freie Plätze erfahren Sie von
Jón Sigurdsson
Gauksasi 27
IS-221 Hafnarfjordur
Tel.: +354/899 42 47
jon@fishiceland.com
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