Kretzer[ – Egli ganz geniessen!]
05 | 08 | 2019 Schweiz | PraxisText & Fotos: Daniel Luther 122538
05 | 08 | 2019 Schweiz | Praxis
Text & Fotos: Daniel Luther 1 22538

Kretzer – Egli ganz geniessen!

Jetzt im Sommer, wenn es die halbe Welt ans Wasser zieht, bevölkert das Egli die Menükarten in dichten Schwärmen. Der Fisch des Jahres 2019 gehört zu den beliebtesten und teuersten Fischen der Schweiz. Dabei muss es nicht immer Filet sein. Egli lassen sich hervorragend am Stück geniessen. Hier ein paar knusprige Argumente!


Ein Sommertag am Bodensee. Der blaue Himmel und weisse Wolken spiegeln sich im Wasser. Am Horizont Segelboote. Als wir vor dem ehrwürdigen alten Gasthaus mit Seeterrasse ankommen, steht auf der grossen Schiefertafel in eleganter Kreideschrift: Kretzer! In den Gesichtern meiner Familie lese ich gros­se Fragezeichen.

Alte Tradition, neue Wertschätzung

Kretzer ist ein alemannisches Wort für Egli und nimmt, wie die meisten seiner Namen, Bezug auf die ausgeprägten Stacheln und Schuppen des wehrhaften Räubers. 

Für die Hunderten von Familien, die rund um den gros­sen See von der Fischerei lebten, war es keine Frage, dass man jeden Fang möglichst ohne Verschwendung verwertete. Ideal dafür sind Suppen und Eintöpfe oder eben das Backen im Öl. Dabei werden auch harte Teile wie Flossenstrahlen und Gräten so knusprig, dass sie von der ärgerlichen Zumutung zur knusprigen Delikatesse werden.

In einer Zeit, in der uralte Selbstverständlichkeiten wie «Head to tail» (ein Tier vom Kopf bis zum Schwanz verwerten) in der Blogosphäre zur kulinarischen Hipsterseligkeit hochgeköchelt werden, ist Kretzer gebacken ein sehr zeitgemässes Rezept. Konsequent ganzheitlich und gut!

Regionale Spezialität

Rund um den Bodensee und in anderen Regionen, wo die Fischerei das Leben intensiver prägt, ist das Verständnis für die Zubereitung ganzer Fische offensichtlich stärker verankert in der kulinarischen Tradition. Interessanterweise werden kleine und ganz kleine Egli auch am Genfersee und am Neuenburgersee mit Kopf und Flossen frittiert und als perchettes oder perchots serviert.   

Da die Import-Egli aus dem Norden und Osten Europas kostensparend als Filets importiert werden, bieten einem die ganz zubereiteten Egli eher Gewähr, dass man einheimischen Fisch auf dem Teller hat. Fairerweise soll hier erwähnt werden, dass die zurückgehenden Fänge aus Schweizer Seen nur noch knapp einen Zehntel des stetig wachsenden Eglibedarfs decken.

Wie man aus Egli Kretzer macht

Als Angler geniessen wir das grossartige Privileg, diese begehrte Delikatesse selbst zu fangen. Wer Egli «ganzheitlich» zubereiten will, muss allerdings eine wichtige Hürde nehmen, ausser er verwendet Exemplare, die kleiner als 15 Zentimeter sind, und das ist noch nicht überall in der Schweiz erlaubt. Der kleine Stachelritter ist gepanzert mit einem Kettenhemd aus robusten Kammschuppen. Darunter verborgen ist eine zarte, aromatische Haut, die den Aufwand spätestens am Tisch belohnt.

Doch das Entfernen dieser elastischen und doch erstaunlich fest im Fischleder verankerten Knochenplättchen ist Knochenarbeit im Sinn des Wortes …

Einige Erfahrungen und Kniffe erleichtern die Aufgabe immerhin: Es ist einfacher, die Egli vor dem Ausnehmen zu schuppen. Je frischer der Fisch, desto leichter gehen die Schuppen weg. Den Fang also konsequent kühlen, zudecken und feucht halten, bis er verarbeitet wird. 

Zum Schuppen gibt es diverse gute Werkzeuge. Nicht empfehlenswert sind die Multifunktions-Filetiermesser mit gezackter Rückseite. Zu gefährlich! Ich verwende ein stumpfes Steakmesser.

Die geschuppten Egli kann man bis zu drei Tage im Kühlschrank aufbewahren, bevor man sie zubereitet. Das Lagern macht ihr Fleisch fester und aromatischer. Egli von etwa 15 bis 20 Zentimetern sind ideal geeignet für die Zubereitung als Kretzer à la mode du Lac de Constance. Wer grössere Egli ganz verwerten will, wird fündig in der Mittelmeerküche, wo es für Wolfsbarsch (Loup de mer) und Goldbrasse (Dorade) viele «Head to tail»-Rezepte gibt. Ganz viel Vergnügen dabei!

 Kretzer

Kretzer

 So minimalistisch, aber perfekt gewürzt und umwerfend knusprig werden Kretzer bei Christoph Baumgartner im Jägerhaus in Altenrhein serviert.

So minimalistisch, aber perfekt gewürzt und umwerfend knusprig werden Kretzer bei Christoph Baumgartner im Jägerhaus in Altenrhein serviert.


REZEPT | Kretzer wie am Bodensee 

 
Zutaten für vier Personen

  • 20 bis 25 kleine Egli (15 bis 20 cm)
  • 100 Gramm Mehl
  • Zwei Deziliter Milch 
  • Salz  


Zubereitung

Die Egli schuppen, ausnehmen und je nach Gusto der Gäste den Kopf und die Stachelflossen (Rückenflosse, Brust- und Afterflosse) wegschneiden. Die klassische Zubereitung lässt den Fisch ganz.

Die Egli in die Milch tauchen und benetzen, damit Mehl und Gewürze besser an der Oberfläche haften bleiben. Der Milchzucker karamelisiert beim Fritieren und sorgt für eine appetitliche Farbe.

Einen Gefrierbeutel mit Mehl, Salz und drei bis fünf Egli füllen, sorgfältig verschliessen und kräftig schütteln. Die Egli herausnehmen und in einem Teller bereitstellen. Prozedur wiederholen, bis alle Fische rundum bemehlt und gewürzt sind.

In einer grossen Pfanne oder einer Fritteuse das Fritieröl auf 180 bis 200 Grad erhitzen. Die Egli in Portionen von maximal fünf Stück im heissen Öl fritieren, bis sie knusprig und goldbraun sind. Zu viele Fische pro Durchgang senken die Temperatur des Öls zu stark, was den Knusperfaktor erheblich verringert.

Die fertigen Kretzer mit einer Schaumkelle aus dem Öl heben und auf eine vorgewärmte Platte mit Küchenpapier legen, welches überschüssiges Öl aufsaugt.

Für die luxuriöse Version wird gute Butter sanft verflüssigt, mit ein paar Spritzern frisch gepresstem Zitronensaft verfeinert und zusammen mit fein gehacktem Peterli kurz vor dem Servieren über die Kretzer verteilt. 

Klassische Beilage am Bodensee sind Brat- oder Salzkartoffeln und Kopfsalat mit Vinaigrette und Schnittlauch.

1 Kommentare


Brem Finschi Brigitte

19 | 04 | 2023

Habe heute auf dem Wochenmarkt Kretzer gekauft, ganze, und werde sie morgen nach Ihrem Rezept ausprobieren, bin sehr gespannt.


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