Maison de la Rivière: <br/>[Wie sich die Westschweizer Fischgemeinschaften verändern]
22 | 10 | 2025 SchweizInterview: Ruben Rod 0455
22 | 10 | 2025 Schweiz
Interview: Ruben Rod 0 455

Maison de la Rivière:
Wie sich die Westschweizer Fischgemeinschaften verändern

Aurélie Rubin, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Zentrums für Gewässerschutz und Renaturierungen «Maison de la Rivière» am Genfersee, gibt «Petri-Heil»-Redaktor Ruben Rod Auskunft über den Zustand der Westschweizer­ Gewässer.


«Petri-Heil»: Wie lässt sich der aktuelle Zustand der Westschweizer Flüsse und Seen beschreiben?

Aurélie Rubin: Mit steigenden Temperaturen verschieben sich Fischgemeinschaften deutlich: Salmoniden wie die Forellen und Saiblinge stehen unter Druck und werden seltener, wohingegen Cypriniden zunehmen. Generell gewinnen wärmeverträgliche Arten an Dominanz. Wir beobachten auch eine Zunahme von Krankheiten wie der proliferativen Nierenerkrankung (PKD) bei Bachforellen. Das ist ein klarer Hinweis darauf, wie Umweltstress die Gesundheit der Forellenpopulationen beeinträchtigt. Im Genfersee ist die Wasserzirkulation im Winter oft unvollständig, was zu Sauerstoffmangel in der Tiefe führt – eine kritische Entwicklung für tiefenbewohnende Arten wie den Seesaibling und den Felchen.

«Les truites souffrent, les cyprinidés s’adaptent.»
«Die Forellen leiden, die Cypriniden passen sich an.»


Mit welchen Themen beschäftigt ihr euch im Rahmen der angewandten Forschungen an der «Maison de la Rivière»?

Es gibt nach wie vor zahlreiche Verschmutzungsquellen – von Mikroschadstoffen bis hin zu hormonähnlich wirkenden Substanzen. Besonders empfindliche Arten sind davon betroffen. Aktuell untersuchen wir beispielsweise die Auswirkungen dieser Stoffe auf die Fortpflanzungsfähigkeit bestimmter Fischarten. Der Rückgang des Seesaiblings im Genfersee ist besorgniserregend. Wir haben ein Forschungsprojekt gestartet, um Fortpflanzungsstätten systematisch zu identifizieren und gezielte Schutzmassnahmen vorzuschlagen. Einzelne Eingriffe, wie das gezielte Einbringen von Kies an geeigneten Stellen, haben bereits in ersten Tests zu einer erstaunlich schnellen Rückkehr der Fische geführt.

 Aurélie Rubin unterwegs mit einem ferngesteuerten Unterwasserfahrzeug (ROV), um potenzielle Laichplätze der Seesaiblinge zu beobachten.

Aurélie Rubin unterwegs mit einem ferngesteuerten Unterwasserfahrzeug (ROV), um potenzielle Laichplätze der Seesaiblinge zu beobachten.


Auch im Genfersee ist seit 2015 die invasive Quaggamuschel nachgewiesen. Welche Veränderungen führt ihr seither auf diese Art zurück und rechnet ihr mittel- und langfristig mit weiteren Folgen?

Die Quaggamuschel filtert grosse Mengen Plankton, was die Nahrungsbasis vieler Fischarten schwächt. Das Wasser wird klarer, aber das ökologische Gleichgewicht gerät aus dem Lot. Auch die Infrastruktur ist betroffen: Leitungen, Netze und Boote werden besiedelt und die Ufer werden durch scharfkantige Schalen unattraktiver – sowohl für Menschen als auch für Tiere.

 

Trotz aller Herausforderungen – seht ihr auch positive Entwicklungen, etwa durch Renaturierungen oder Veränderungen im Gewässermanagement?

Ja, glücklicherweise. So wurde zum Beispiel der Grand Canal im Chablais revitalisiert, wodurch neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen entstanden sind. In Genf läuft ein gross angelegtes Projekt zur Wiederherstellung der Aire, das Biodiversität, Hochwasserschutz und Landschaftsqualität miteinander verbindet. Auch auf kantonaler Ebene gibt es Fortschritte, unterstützt durch das revidierte Gewässerschutzgesetz, das Revitalisierungen und die ökologische Sanierung von Wasserkraftwerken fördert. Durch den Rückbau von Wanderhindernissen und die Aufwertung der Uferzonen entstehen wieder vernetzte Lebensräume für Fische und andere Wasserorganismen. Diese Projekte zeigen, dass mit langfristigem Engagement ökologische Verbesserungen möglich sind – auch in dicht besiedelten Regionen.



Maison de la Rivière

Die «Maison de la Rivière» in Tolochenaz am Genfersee ist ein Kompetenzzentrum für Gewässerökologie, Renaturierung und Umweltbildung. Das interdisziplinäre Team vereint Forschung, Praxis und Vermittlung – und betreibt unter anderem grosse Aquarien, die Besucherinnen und Besuchern die Welt der Schweizer Fische und Flüsse näherbringen. 

> maisondelariviere.ch

 

0 Kommentare


Keine Kommentare (Kommentare erscheinen erst nach unserer Freigabe)


Schreibe einen Kommentar:

Zurück zur Übersicht

Das könnte Dich auch interessieren: