Mit dem Rollstuhl auf dem «Rennboot»
21 | 11 | 2016 Video | DiversesText & Fotos: Bernhard Stegmayer 06789
21 | 11 | 2016 Video | Diverses
Text & Fotos: Bernhard Stegmayer 0 6789

Mit dem Rollstuhl auf dem «Rennboot»

Fabian Blum war erfolgreicher Kunstturner und fischte schon als Kind. Ein schwerer Sportunfall brachte den heute 20-Jährigen vor zwei Jahren in den Rollstuhl. Heute treibt er, seiner Kämpfernatur treu geblieben, wieder Sport und stellt auf verschiedenen Schweizer Seen den Meterhechten nach.


«Röbi Koller macht Unmögliches möglich» – so lautet der Aufhänger der Samstagabend-Show «Happy Day» des Schweizer Fernsehens. Die Geschichte von Fabian Blum, der sich beim Doppelsalto die Wirbelsäule so schwer verletzte, dass er seither im Rollstuhl sitzt, berührte hunderttausende Zuschauer. Dass sein liebstes Hobby Fischen war, setzte speziell meinem Mitgefühl noch einen obendrauf. Denn wie soll man da noch fischen können: Im Rollstuhl an ein steiniges Bach- oder Flussufer ist kaum möglich und gefährlich. Für Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung stellen sich Fragen wie: Kann ich mit meiner Einschränkung noch auswerfen, kann ich auf einem wackligen Boot sitzen, wie komme ich da überhaupt rein?


«Wenn andere es schaffen, kann ich es auch»

Am 1. November 2014 passierte der Unfall. Nach der Operation kam Fabian ins Paraplegiker-Zentrum Nottwil, wo er eisern trainierte, um wieder eine grösstmögliche Beweglichkeit zu erlangen. Der Gedanke, auf irgendeine Art wieder fischen zu können, motivierte ihn zusätzlich. Vor dem Unfall hatte Uly Schnurr, ein guter Freund von ihm, den im Kanton Luzern wohnenden Fabian und seinen zwei Jahre jüngeren Bruder Pascal öfters auf den Bieler- und Neuenburgersee mitgenommen. Er war es auch, der Fabians Geschichte heimlich der «Happy Day»-Redaktion vorgeschlagen hatte. Für Fabian war es eine riesige Überraschung, als ihn der Moderator Röbi Koller, verkleidet als Pfleger, zu einem «speziellen Fischertag» einlud. Dahinter verbarg sich aber nicht nur ein Tagesausflug. Röbi Koller übergab Fabian zu seiner grossen Überraschung ein extra für ihn umgebautes Boot, das ihm die Möglichkeit bot, seinem liebsten Hobby wieder nachzugehen. Was für ein Glücksmoment! Viele «Happy Days» sollten für Fabian folgen.


Auf- und umgerüstet

Ich traf mich mit Fabian und seinem Bruder Pascal am Zürichsee. Schon das Einwassern lief routiniert und flink ab. Fabian steuerte das Auto mit dem Bootstrailer, Pascal löste die Befestigungen und liess das Boot ins Wasser. An diesem Tag sollte ich noch öfters erleben, wie eingespielt diese beiden Brüder agieren.
Während wir hinausfahren erklärt mir Fabian die Besonderheiten des Bootes. «Das Wichtigste ist die Frontklappe, die sich ähnlich wie bei einer Fähre runterklappen lässt. So komme ich mit dem Rollstuhl ins Boot, ohne dass mich jemand tragen muss. Die Steuerkonsole wurde so umgebaut, dass ich vom Rollstuhl aus problemlos manövrieren kann. Und weil das 5,30 m lange Boot stabil im Wasser liegt und breit genug ist, kann ich mich gut darauf bewegen.» Am Steuerrad vervollständigen Lenkhilfen die Bedienung, da er seine linke Hand nur eingeschränkt gebrauchen kann. Die Kosten für das umgebaute Boot samt Trailer schätzt Fabian auf knappe 40'000 Franken.
Weitere praktische Features, welche sich die beiden Brüder inzwischen angeschafft haben, sind das Echolot, der E-Motor mit elektronischer Ankerfunktion und der kräftige 70-PS-Motor. Dazu brauchte Fabian den Bootsführerschein, den er in der Zwischenzeit erlangte.


Rasant unterwegs

Elegant gleiten wir mit dem Pioner-Boot zum Zielort. Übrigens übt Fabian mittlerweile den Rennrollstuhlsport aus und trainiert dafür sechsmal pro Woche. Als ich erfahre, dass beide noch eine Aus- und Weiterbildung in Elektrotechnik absolvieren, frage ich sie, wo sie die Kraft und Zeit hernehmen. «Fischen ist schlecht für die Schule», meinen beide einstimmig und grinsen mich verschmitzt an.
Angekommen am Spot bereitet Pascal die Geräte vor. Während wir beide mit Wobbler und Texas-Rig hantieren, probiert es Fabian mit der Hegene. «Vertikal fischen und schleiken geht für mich am besten. Beim Schleiken bedient Pascal die Zügel und ich steuere das Boot – und hin und wieder schiebe ich Pascal ein Sandwich hinter die Kiemen», bemerkt Fabian lachend.

 Für Fabian Blum ist das Boot ein mega Geschenk, das ihm ein Stück Freiheit ermöglicht.

Für Fabian Blum ist das Boot ein mega Geschenk, das ihm ein Stück Freiheit ermöglicht.

 Fabian war seit seiner Kindheit aktiver Kunstturner.

Fabian war seit seiner Kindheit aktiver Kunstturner.

 Fabian war seit seiner Kindheit aktiver Kunstturner.

Fabian war seit seiner Kindheit aktiver Kunstturner.

 Bootsübergabe mit Moderator Röbi Koller (zweiter von rechts), Kollege Uly (stehend), Bruder Pascal (links) und Vater Erwin (rechts).

Bootsübergabe mit Moderator Röbi Koller (zweiter von rechts), Kollege Uly (stehend), Bruder Pascal (links) und Vater Erwin (rechts).

 Zwei auf einen Streich: Fabian und Pascal im Duett mit erschleppten Neuenburgersee-Hechten.

Zwei auf einen Streich: Fabian und Pascal im Duett mit erschleppten Neuenburgersee-Hechten.

 Dank der speziellen Frontklappe ist das Boot rollstuhlgängig.

Dank der speziellen Frontklappe ist das Boot rollstuhlgängig.

 Ein Herz und eine Seele: Die Gebrüder Blum beim Fischen auf dem Zürichsee.

Ein Herz und eine Seele: Die Gebrüder Blum beim Fischen auf dem Zürichsee.

 Ein knapper Znacht, aber in der Gefriertruhe hat es noch Hecht.

Ein knapper Znacht, aber in der Gefriertruhe hat es noch Hecht.

 Eine selbstkonstruierte Rolle. An der linken, eingeschränkten Hand eine Schiene mit Metallplatte, an der Kurbel ein starkes Magnet.

Eine selbstkonstruierte Rolle. An der linken, eingeschränkten Hand eine Schiene mit Metallplatte, an der Kurbel ein starkes Magnet.


Mission Meterhecht

Vor gut einem Jahr trug Fabian ein T-Shirt mit der Aufschrift «Mission Meterhecht». Mittlerweile ist diese erfüllt. Sechsmal knackte das Duo dieses Jahr am Bieler- und Neuenburgersee die Metermarke. Der Grösste mass 115 cm. Ok, bei zehn Zügeln, die gleichzeitig durchs Wasser pflügen und die mit XXL-Ködern bestückt sind, sind die Chancen sicher nicht schlecht.
Obwohl in der Familie niemand fischte, fing die Fischerkarriere der beiden schon früh an. Als Achtjähriger meldete sich Fabian mit seinem Bruder an einen Fischerkurs auf der Melchsee-Frutt an. Der gefiel den beiden so gut, dass sie diesen gleich noch zweimal absolvierten. Diese Begeisterung blieb auch Bruno Gärber, dem Kursleiter des Jungfischerkurses, nicht verborgen. So nahm er sie manchmal mit an den Bielersee. Sie suchten aber auch selbst nach Optionen, um den Felchen nachzustellen. Zum Beispiel mit einem wackligen Kanu oder einem kleinen Beiboot, als Paddel wurde ein Brett verwendet. Später kauften sie ein oranges Aluboot und ab dann war in den Ferien stets Campen und Fischen angesagt. Dass solche Spitzbuben beim Eisfischen andere Bohrlöcher mit Fischblut markierten, um Fischer von ihrem Spot weg zu dirigieren, passt auch irgendwie zu ihnen.


Fäbu und Päsc

Wir fangen nichts an diesem Vormittag. Der Hecht, der auf den Egliköder biss, verabschiedet sich samt Gummifisch. Auch Standort- und Köderwechsel bringen kaum Fische ins Boot. Das bedeutet viel probieren und montieren. Päsc, wie Fäbu seinen Bruder nennt, erledigt viele Handgriffe automatisch und fragt Fäbu stets, wie er als nächstes fischen möchte. Sie sind nicht nur ein eingespieltes Fischerteam, sondern es verbindet sie auch sonst viel. Beide waren in der Kunstturnerszene aktiv. Unter anderem beim STV Roggliswil, RLZ Regionalen Leistungszentrum Luzern, an den Schweizermeisterschaften und an der Turnergala Gymotion im Zürcher Hallenstadion. Beide arbeiten als Elektriker, beide im selben Betrieb. Ganz besonders gefiel mir ihr gegenseitiger herzlicher Umgang – mit dem Bewusstsein, dass es auch hier sicher «mal klöpft». Kein Wunder, dass Fäbu seinen Bruder Päsc als einen der wichtigsten Menschen in seinem Leben bezeichnet – und umgekehrt.


Next Mission

Die ist bereits gesetzt. Im zeitigen Frühjahr möchten Fabian und Pascal am Ebro in Spanien auf Zander, Schwarzbarsch und Co. fischen. Natürlich nehmen sie ihr Spezialboot mit. «Ungefähr 15 Stunden Fahrzeit müssen wir rechnen. Das geht aber schon.» Klar, gemeinsam sowieso.
In Island sah ich vor Jahren einen Fischer, der im flachen Flussbett vom Quad aus mit der Fliegenrute auf Lachs fischte. «Muss das denn sein?» dachte ich mir. Wenig später sah ich, wie ihn beim Drillen ein Kollege vom Quad in den Rollstuhl hob und ihm mit dem Feumer beistand.
Unter guten Freunden ist selbst diese Art der Fischerei möglich. Solche Beispiele zeigen, wie wichtig die Kameradschaft ist, die auch Fabian nebst dem Naturerlebnis, der Atmos­phäre am Wasser und der erlebbaren Freiheit mit Fischen verbindet. Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Bild in den Köpfen von Fäbu und Päsc bereits das übernächste T-Shirt-Sujet kreiert: Lachs? Yes, we can!

 

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