13 | 05 | 2020 | Schweiz | 0 | 5531 |
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Roland Kurt – Der den Fischen zuhört
«Stumm wie ein Fisch?» lautet der Titel von Roland Kurts erstem Buch über die akustische Welt unserer Süsswasserfische. Seither sind mehr als zehn Jahre vergangen und der Pionier mit dem Unterwassermikrofon hat unermüdlich weitergeforscht. Letztes Jahr ist sein zweites Werk erschienen. Höchste Zeit, dass «Petri-Heil» den autodidaktischen Forscher und Fischer vorstellt.
Roland Kurt ist inzwischen kein Unbekannter mehr. Der umtriebige Berner war in der SRF-Sendung «Aeschbacher» zu Gast, hatte auch in der vielbeachteten Netz Natur-Sendung «Stimme für die Fische» 2018 einen Auftritt und ist mit dem naturhistorischen Museum Bern eng verbunden. Und in der «Arena» vom 21. Juni 2019 bietet er dem obersten Vertreter der Schweizer Bauern Markus Ritter die Stirn und spricht sich im Namen der Fische gegen den Einsatz von Pestiziden aus. Ebenso in der Forschergemeinde hat er sich inzwischen als «Selfmade-Wissenschaftler» einen Namen gemacht, und seine Erkenntnisse aus der Akustik von Süsswasserfischen finden auch internationale Beachtung. Dass Roland diesen Weg gemacht hat, überrascht nicht nur ihn selbst.
Ein Langstreckenläufer
Roland wird nichts geschenkt. Sein Start ins Leben ist bereits ein Kampf mit ungewissem Ausgang und mit der Bewältigung eines schweren Geburtstraumas beginnt eine lange Reihe von Bewährungsprüfungen, die seinen Werdegang prägen. In der Schule zählt er zu jenen Kindern, die für die Aufnahme und Verarbeitung des Stoffs länger brauchen. Bereits als kleiner Junge spürt er, dass er anders ist. Tagtäglich steht er unter gewaltigem Druck und leidet unter dem Stress, nicht mithalten zu können und als Versager zu gelten. Er kämpft sich durch eine schwierige Schulzeit und trotz grösster Anstrengungen traut man ihm nur wenig zu. Viel früher als die meisten Menschen muss Roland lernen, unabhängig von den Urteilen anderer Menschen über ihn, sich Ressourcen zu schaffen, um Energie und Selbstvertrauen zu gewinnen. Das bringt ihn in die Natur und zu seinem ersten Beruf als Gärtner. Als weitere Kraftquelle entdeckt er den Sport und findet im Langstreckenlauf bei Wettkämpfen bis zu 100 Kilometern zu seinem zweiten Beruf als Sportmasseur und Mentaltrainer. Die Überwindung seiner Schwächen und der lange Leidensweg kosten ihn viel Kraft, aber formen aus ihm auch eine ausdauernde und humorvolle Kämpfernatur.
Fischersachen statt Markensammlung
Fische faszinieren Roland seit jeher und ihre langsamen und schwerelosen Bewegungen haben eine heilsame Wirkung auf das unruhige und von Druck geplagte Kind. Ein Schlüsselerlebnis ist für ihn eine Schulreise an den Murtensee. Roland beobachtet grosse Brachsmen und Rotfedern im Uferbereich und kann sich von den eindrücklichen Fischen nicht mehr losreissen. Für ihn wird in diesem Moment klar, dass er sich mit diesen Tieren auseinandersetzen möchte. Da er nicht ausreichend Taschengeld hat, tauscht er seine Markensammlung gegen die Fischersachen eines Kollegen. Für Roland von Anfang an ein guter Deal.
Abenteuer Forschung
Roland entdeckt in einer Zeitschrift einen Artikel des deutschen Ingenieurs Herbert Tiepelt über die Akustik im Wasser. Spontan nimmt er Kontakt zu ihm auf und daraus entwickelt sich eine tiefe Freundschaft und der Weg in die Naturwissenschaft. Als Tiepelt 2008 stirbt, ist die Süsswasserakustik nach wie vor wissenschaftliches Neuland und Roland führt bis heute diese Forschung mit Herzblut aus freien Stücken weiter. Er will sich damit nicht zu einem Fischforscher machen, sondern schlicht ein Thema weiterverfolgen, das ihn gepackt hat. Neues herauszufinden und Pionierarbeit zu leisten: Das ist für Roland ein Abenteuer. Man begibt sich auf eine Reise, bei der man nicht genau weiss, wo man ankommen wird. Und dabei möchte Roland den Fischen auch eine wohlverdiente Stimme geben. Er will den Menschen zeigen, dass es sich lohnt, den Wasserbewohnern zuzuhören. Mit seinen Erkenntnissen möchte er nicht nur Wissen schaffen, sondern auch Sinnvolles zum Wohl seiner Lieblingstiere bewirken.
Ernstzunehmende «Hobbys»
Als Tiefpunkte bezeichnet Roland das Verhalten einiger «echter» Forscher aus der akademischen Welt, die ihm gegenüber arrogant auftreten und ihn offensichtlich nicht ernst nehmen. Er sieht dabei auch Parallelen zum Umgang der Wissenschaft mit der Fischerei im Allgemeinen. Viele Fischer sind hervorragende Praktiker mit einem enormen Fachwissen und einer fundierten Kenntnis der Gewässer, die sie befischen. Es sind oft auch die Fischer, welche als erste die Veränderungen in einem Gewässer und am Fischbestand bemerken. Für Roland ist nicht entscheidend, wer mit welchen Mitteln und weshalb zu neuen Erkenntnissen kommt. Jeden, der Wissen schafft, sieht er im wörtlichen Sinn als einen «Wissenschaftler». Roland freut sich umso mehr, dass die Erkenntnisse aus seinen
Forschungen nun auch den Weg in den klassischen Forschungsbetrieb finden, und er am universitären Science Slam der Uni Bern teilnehmen kann. Mit seinem Auftritt gewinnt er prompt den ersten Preis. Mittlerweile besuchen ihn auch Forschende aus dem Ausland, um ihm am bernischen Moossee über die Schultern zu gucken und mitzuhören.
Sachpolitik und Lärmschutz
Um den heissen Brei reden oder leere Phrasen dreschen – damit kann Roland nichts anfangen. Für ihn ist nicht klug, wer geschliffen daherredet, sondern wer Kluges tut. Und sind denn nicht viele der grossen Probleme eigentlich längst klar? «Lasst uns aufhören mit den Pestiziden, Umweltsünder sollen zur Rechenschaft gezogen werden und bestehende Gesetze müssen eingehalten und durchgesetzt werden.» Mit dieser Meinung ist er nicht alleine. Hingegen noch nicht im allgemeinen Bewusstsein angekommen ist die akustische Gewässerverschmutzung. «Es ist unsagbar laut geworden in unseren Gewässern. Dieser Dauerlärm stresst und schädigt unsere Fischfauna», stellt Roland fest. Dagegen muss etwas unternommen werden, um keine irreversiblen Schäden zu riskieren. Um die vielfachen Herausforderungen an die Erhaltung des Lebens in unseren Gewässern anzugehen, wünscht er sich auch mehr Solidarität unter den Fischern. Unnötig viel Energie und Zeit geht in Grabenkämpfen untereinander verloren.
Leiser fischen
Welche Tipps kann Roland uns Fischern geben? Seine Tonaufnahmen unter Wasser legen nahe, dass die Wasserbewohner über eine akustische Ausdrucksweise verfügen, die es mit der Geräuschwelt auf dem Trockenen aufnehmen kann. Es wird gegrunzt, getrommelt, geschnalzt, gezwitschert und vieles mehr. Fische sind unter Wasser hörbar und es lassen sich Zusammenhänge zwischen den Lauten und deren Aktivitäten beobachten. Den Fischerkollegen rät Roland, sich leise am und auf dem Wasser zu bewegen und die Lautstärke der verwendeten Köder zu bedenken. Rasselwobbler beispielsweise sind extrem laute Störenfriede und provozieren Bisse möglicherweise nur durch das Verursachen von Stress. Oder scheuchen die Räuber bloss in die Flucht.
Wenn ausgerechnet an Rolands Lieblingsgewässer, dem Moossee, dereinst das neue nationale Zentrum der Fischerei («Petri-Heil» berichtete in 04/2020) entstehen sollte, können wir davon ausgehen, dass wir dort den Fischen weiterhin zuhören und ihnen eine Stimme geben werden.
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