02 | 12 | 2024 | Praxis | 3 | 961 |
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Sterblichkeit beim Fischen reduzieren
Mit wenigen Anpassungen bei den Fangmethoden kann man einfach und effektiv schonender fischen. Was wissen wir dazu aus der Forschung? Wie geht das in der Praxis und warum ist das überhaupt wichtig?
Wenn wir fischen gehen, ist nebst dem Naturerlebnis auch der Fang und dessen Verwertung ein zentraler Bestandteil. Eine gewisse Sterblichkeit gehört also schon zur Fischerei; diese nennt man die aktive Sterblichkeit. Zuweilen kommt es aber leider auch vor, dass ein untermassiger oder geschonter Fisch die Verletzungen vom Fang nicht überlebt. Dabei spricht man von unerwünschter oder passiver Sterblichkeit. Gegen letztere kann man aber etwas tun. Die hier genannten Zahlen stammen aus einer Metastudie von Hühn & Arlinghaus (2011), die möglichst viele verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen zusammenfasst.
Diese Anpassungen solltest Du nach Möglichkeit vornehmen:
1 | Ohne Widerhaken
Bei Studien zu Hakentypen betrug die Sterblichkeit bei Verwendung von Widerhaken im Schnitt 14,6 %, bei Verwendung von Haken ohne Widerhaken 8,2 %. Widerhaken erhöhen die Sterblichkeit also um rund 80 %.
2 | Einzelhaken anstatt Drillinge
Über alle Fischarten betrachtet konnte zwischen Einzel- und Drillingshaken kein Unterschied festgestellt werden. Bei kleinen Kunstködern ist jedoch der Einzelhaken empfohlen, weil er weniger Verletzungen verursacht. Drillinge schnitten vor allem bei grossen Ködern besser ab, da sie je nach Fischart ein tiefes Verschlucken des Köders verhindern können.
3 | Weniger Haken
Mehr Haken und damit auch mehr Hakenspitzen erhöhen die Anzahl der Verletzungen und die benötigte Zeit zum Abhaken. Dabei ist nicht nur der Wechsel von Drillings- zu Einzelhaken gemeint, sondern auch die Anzahl der Anbissstellen; also insbesondere die Anzahl der Haken an einem Köder. Weiter muss natürlich das übrige Angelmaterial entsprechend so gewählt werden, dass der Drill kurz gehalten werden kann.
4 | Kunstköder statt Naturköder
Über alle Ködertypen und Studien betrachtet verursachen Kunstköder im Schnitt eine Sterblichkeit von 11,4 %, Naturköder hingegen eine Sterblichkeit von 25,9 %. Der Unterschied ist deutlich. Weiter sollten bei Kunstködern möglichst umweltschonende Materialien verwendet werden (nach Möglichkeit Verzicht auf Blei, bei Gummiködern umweltverträgliche Softplastikmischungen bevorzugen usw.).
5 | Das Abhaken
Bei Versuchen mit Forellen, welche den Köder tief geschluckt hatten, lag die Sterblichkeit beim Abhaken mit einer Zange bei über 90 %. Wird hingegen, insbesondere bei der Verwendung von Naturködern, bei tief geschluckten Haken das Vorfach unmittelbar vor dem Mund abgeschnitten, dann überlebten immerhin noch rund 70 % der Fische, d. h. die Sterblichkeit sank von 90 % auf 30 %.
Das richtige Werkzeug (geeignete Zange, Schere und Seitenschneider) beim Fischen bereitzuhalten, ist in allen Fällen, aber insbesondere bei der Kunstköderfischerei, ebenfalls unerlässlich.
6 | Barotrauma
Werden barschartige Fische (Egli, Zander) tiefer als 10 m gefangen, steigt ihre Sterblichkeit sehr rasch an. Auch bei anderen Fischen tritt ab grösseren Tiefen ein Barotrauma ein. Als Faustregel sollte man ab 15 m Tiefe das Auftreten von Barotrauma-Merkmalen (aufgeblähte Fische, abstehende Augen, Blutungen) kontrollieren. Deshalb sollte nach Möglichkeit das Fischen in grösseren Tiefen vermieden werden. Ansonsten sollten massige Fische entnommen und bei geschützten Fischen der Gnadentod angewendet werden. Wichtig ist, dass keine Operationen (Anstechen von geblähten Fischen) oder Absenkvorrichtungen zum Freilassen eingesetzt werden. Diese bringen zwar aufgeblähte Fische wieder in die Tiefe, verursachen aber unnötiges Leiden und verursachen nach wie vor eine hohe Sterblichkeit nach dem Freilassen.
7 | Die Wassertemperatur
Verschiedene Studien zeigen deutlich, dass die Sterblichkeit mit der Temperatur stark ansteigt, da warmes Wasser weniger Sauerstoff lösen kann als kaltes Wasser. Auch im See werden die Fische im Sommer zwar im kühlen Tiefenwasser gefangen, aber durch den Fang ins warme Oberflächenwasser gebracht. Ab 20 Grad Wassertemperatur sollte als Faustregel die Fischerei auf kaltwasserbedürftige Arten (z. B. Äschen, Felchen, Forellen) unterlassen werden.
8 | Keep them wet
Wenn immer möglich die freizulassenden Fische (geschonte Fische oder ökologisch wichtige Einzeltiere) im Wasser abhaken und unnötiges Messen und Fotografieren vermeiden. Falls man es nicht unterlassen möchte, sollte der Fisch nur kurz unter Wasser oder knapp über der Wasseroberfläche fotografiert werden.
Warum überhaupt schonend fischen?
Einerseits ist das schonende Fischen immer eine ethische Frage und Fische und Flusskrebse müssen auch nach der Tierschutzverordnung schonend gefangen werden, andererseits geht es auch um die Erhaltung der Fischbestände. Weniger wichtig für den Fischbestand sind schonende Massnahmen dort, wo die Sterblichkeit ohnehin hoch ist und praktisch keine geschonten Fische gefangen werden, zum Beispiel bei der Fischerei auf Trüschen oder auf besetzte Massfische in Bergseen.
Gerade in kleineren Gewässern mit hohem Befischungsdruck kann es vorkommen, dass ein Fisch schon mehrmals gefangen worden ist, bevor er zum ersten Mal ablaichen konnte. Leider gibt es zu diesem Thema nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen.
In einer nordamerikanischen Studie wurde festgestellt, dass in einer sehr intensiv befischten Flussstrecke mit Catch & Release die vorhandenen Cutthroat-Forellen (Oncorhynchus clarkii) während der dreieinhalbmonatigen Untersuchungsperiode im Schnitt 9,7-mal gefangen wurden. Dies ist sicherlich ein Extremwert. In jedem Fall summiert sich die Sterblichkeitsrate bei mehrmaligem Fang. Dies ist insbesondere bei Fischereimethoden von Bedeutung, wo viele untermassige Fische erwartet werden oder wo gefährdete Fischarten befischt werden (zum Beispiel Forellen und Äschen). Zudem ist davon auszugehen, dass bei einem schlechten Bestand der Druck auf die verbleibenden Fische zunimmt, wenn die Befischung konstant bleibt. Glücklicherweise kann jeder Fischer und jede Fischerin durch einfache Anpassungen der Fangmethoden und des Verhaltens einen Beitrag leisten.
Weitere Artikel der FIBER zum Thema auf www.fischereiberatung.ch
3 Kommentare
Mike Hügi | 03 | 12 | 2024 |
Das sind eigentlich alles selbstverständliche Dinge.
Leider kommt es jedoch immer wieder vor dass sich einige Angler nicht an solch „normale“ Regeln halten.
Letzte Saison habe m Wägital beobachtet wie ein Angler neben uns geschlafen hat, während ein eine Forelle an seiner Angel hängend vor uns durchgeschwommen ist.
Es sollte viel mehr und schärfere Kontrollen geben.
Ich habe vor einem Jahr mit UL angefangen.
Ich rüste prinzipiell alle Spoons und Wobbler auf Einzelhaken ohne Wiederhaken um, es ist fischschonender und geht einfacher zum Lösen.
Rolf Frischknecht | 04 | 12 | 2024 |
Wirklich guter Artikel. Das faire Fischen ist auch Teil des SaNa. Aber es sollte auch so praktiziert werden. Eben: Hirn, Herz und Hand müssen am Wasser zusammenarbeiten. Und Ewiggestrige machen wir nett, aber bestimmt darauf aufmerksam.
Fabio Rossi
Diese heikle Thematik in solch einfach verständlicher Form erklärt kann gar nicht genug vermittelt werden ! Der konstant steigende Befischungsdruck bei gleichzeitig sinkenden Beständen (insbesondere bei Salmoniden in natürlichen Fliessgewässern im Mittelland) erfordern ein konsequentes Vermitteln solcher Erkenntnisse in der Ausbildung sowie entsprechende Massnahmen in den Betriebsvorschriften.
Ein hervorragender Bericht !