20 | 03 | 2019 | Schweiz | 0 | 11704 |
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Swiss made – Fische aus Aquakulturen
In der Schweiz wird durchschnittlich rund 8 Kilogramm Fisch pro Person und Jahr gegessen. Von den insgesamt 60 000 Tonnen Fisch werden 95 Prozent importiert. Die restlichen 5 Prozent werden zunehmend in Schweizer Aquakulturen produziert. «Petri-Heil» wirft einen Blick auf diese Branche und stellt aktuelle (Gross-)Projekte vor.
Von der Fischerei weitgehend unbemerkt gedeiht eine immer grössere Zahl Fische in Aquakulturanlagen. Die Jahresproduktion von Fischen aus Schweizer Zuchten ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen und hat nun den Fangertrag von Wildfischen aus Schweizer Gewässern eingeholt (rund 2000 Tonnen pro Jahr von Berufs- und Angelfischerei zusammengenommen). In den kommenden Jahren wird dieser Trend sich verstärken. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis in der Schweiz kultivierte Fische die Erträge aus natürlichen Gewässern um ein Mehrfaches übertreffen.
Ambitionierte Projekte
Abseits des Rampenlichts und bereits seit Jahrzehnten etabliert ist die «Pisciculture de Vionnaz» in Vionnaz nahe am Genfersee, welche mit rund 350 Tonnen Regenbogenforellen jährlich etwa ein Drittel aller in der Schweiz konsumierten Forellen produziert. Der bekannte Blausee bedient den Schweizer Markt mit rund 100 t Salmoniden und das Tropenhaus Frutigen erweitert mit 160 t Stör, Egli und Zander pro Jahr die Palette an Fischarten. Eher im Hintergrund der Grossproduzenten entwickelt hat sich die Walliser Fischfarm Valperca in Raron mit einer aktuellen Jahresproduktion um die 400 t Egli. Das Angebot an Egli wird bald auch von der Migros erweitert, die in Birsfelden eine grosse Anlage aufgegleist hat. Auch weitere Grossprojekte bahnen sich an, die mindestens ebenso ambitioniert sind. Die Basis57 AG strebt mit dem Wasser des NEAT-Tunnels in Erstfeld eine Kultivierung von Zandern mit einer Jahresproduktion von bis zu 1200 t an, und die fertiggestellte Fischfarm von Swisslachs in Lostallo ist ausgelegt auf die Produktion von 600 t atlantischen Lachsen auf Schweizer Boden. Damit würden alleine diese beiden Projekte demnächst den Fangertrag aller Schweizer Berufsfischer übertreffen.
Aquakultur beschränkt sich übrigens nicht nur auf Fische. Die SwissShrimp AG hat in Rheinfelden eine grosse Shrimpsfarm auf dem aktuellsten Stand der Technik realisiert und verkauft dieses Jahr erstmals fangfrische Garnelen. Nebst diesen Grossprojekten gibt es noch eine Vielzahl von Anlagen unterschiedlichster Art, die vorwiegend Salmoniden aufziehen – aber auch exotischere Arten wie Barramundi oder Tilapia werden produziert.
Jedoch ist die Aquakultur ein riskantes Geschäft. Manche Projekte, wie beispielsweise die bekannt gewordene und grossangelegte Fischfarm «Melander» in Oberriet, sind von der Bildfläche verschwunden, andere hingegen sind erfolgreich unterwegs. Der finanzielle Aufwand, die Komplexität der notwendigen Technik und das Know-how der Fischhaltung stellen nach wie vor eine grosse Herausforderung dar.
Was Fischzucht-Kenner sagen
«Petri-Heil» hat drei Exponenten aus der Schweizer Aquakultur-Szene schriftlich befragt: Dr. Ralph Knüsel ist als Veterinär und «Fishdoc» in der Schweizer Fischzucht unterwegs. Fridolin Tschudi leitet an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW die Gruppe Kreislaufsysteme und begleitet verschiedene Projekte als wissenschaftlicher Berater. Myriam Arnold schliesslich gibt als Vertreterin der Basis57 Auskunft über das Projekt mit den Zandern in Erstfeld.
«Petri-Heil»: Welche Prognose geben Sie für die Aquakultur im kommenden Jahrzehnt ab?
Dr. Ralph Knüsel: Die Jahresproduktion von Speisefischen bezieht sich in erster Linie auf die Regenbogenforelle. Ich denke, diese Menge wird kaum 2000 Tonnen übersteigen, weil der Markt für Forellen bereits gut bedient ist.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass insbesondere grössere Projekte häufig Zeit benötigen, bis sie tatsächlich die volle Kapazität erreichen (wenn überhaupt). Ich kann mir gut vorstellen, dass in 5 bis 10 Jahren je rund 1000 Tonnen Egli und Zander sowie 500 Tonnen Atlantischer Lachs in der Schweiz produziert werden. Dazu kommt noch die Produktion weiterer Arten. Das tönt jetzt nach viel, ist aber gemessen am gesamten inländischen Fischkonsum noch immer ein kleiner Anteil. Die Fischproduktion in der Schweiz hat sicher noch Luft nach oben und ich glaube, dass es möglich sein sollte, 10% des Verbrauchs an Fisch in der Schweiz zu produzieren.
«Petri-Heil»: Stellen Fischfarmen in der Schweiz eine zunehmende Gefährdung und Belastung der einheimischen Gewässer und Fischfauna dar?
Dr. Ralph Knüsel: Nein. Wenn eine neue Anlage gebaut, bzw. eine bestehende Anlage vergrössert werden soll, ist die Abwasserbelastung immer ein wichtiges Thema und wird von den Behörden auch regelmässig überprüft. Ausserdem müssen insbesondere auch neuere Anlagen so gebaut werden, dass keine Fische entweichen können. Die Abwässer aus einer Fischzucht sind zweifelsohne eine Belastung der Vorfluter; meiner Ansicht nach ist jedoch Fischkot viel natürlicher und deshalb auch besser im Wasser abbaubar als viele andere Stoffe, welche wir Menschen produzieren und die in die Gewässer gelangen.
«Petri-Heil»: Das Bundesamt für Statistik gibt für 2017 eine Jahresproduktion von gut 1500 Tonnen für Fische aus Schweizer Fischzuchten an. Diese Zahl dürfte in den kommenden Jahren sprunghaft ansteigen. Welche Prognose geben Sie für das Jahr 2020 und 2025 ab?
Fridolin Tschudi: Wenn die Projekte, die aktuell in Planung sind, umgesetzt werden, dürfte sich diese Zahl bis 2020 ca. verdoppeln (vorwiegend durch Indoor-Kreislaufanlagen). Ab 2025 werden nochmals weitere 1500 t/a bis 3000 t/a dazukommen, wenn die aktuell geplanten Projekte umgesetzt sind. Ob diese Projekte in dieser Zeit umgesetzt werden, ist aber unsicher.
«Petri-Heil»: Sie arbeiten an der ZHAW mit Kreislaufsystemen für die Fischproduktion. Was macht Ihr hier und was sind Eure Ziele?
Fridolin Tschudi: Unser übergeordnetes Ziel ist es, durch Wissenstransfer Projekten mit Kreislaufsystemen in der Schweiz zu einem ökonomischen Erfolg zu verhelfen, damit nachhaltige Produktionsformen gefördert werden. Wir entwickeln zusammen mit anderen Spezialisten Konzepte und machen Untersuchungen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Verminderung von Emissionen. Dies sowohl in der Planung von Projekten wie auch im Betrieb von laufenden Fischzuchten. Andererseits untersuchen wir in unseren Anlagen und mit Wirtschaftspartnern das Potenzial heimischer Fischarten für die Aquakultur (Trüschen, Äschen, Felchen usw.) und sind auch an Wiederbesatzmassnahmen bedrohter Arten beteiligt (z. B. Stein- und Dohlenkrebse).
«Petri-Heil»: Ihr habt Euch für die hauptsächliche Produktion von Zandern entschieden. Weshalb gebt Ihr dieser Fischart gegenüber anderen Speisefischen, wie zum Beispiel der Regenbogenforelle, den Vorzug?
Myriam Arnold: Das hat diverse Gründe. Einerseits möchten wir das verfügbare Wasser möglichst sinnvoll nutzen. Mit unseren Kreislaufanlagen tauschen wir täglich nur etwa 10% des Wassers aus, der Rest wird auf natürliche Weise aufbereitet und wieder dem Kreislauf zugeführt. Forellen hält man üblicherweise in Durchflussanlagen, wo massiv mehr Wasser benötigt wird. Die Bedingungen in unserer Anlage, also die Wassertemperatur sowie die Wasserqualität, entsprechen andererseits den Anforderungen des Zanders. Und schliesslich ist der Zander ein edler, hochpreisiger Speisefisch mit zartem, weissem Fleisch und wenig Gräten – genauso wie Herr und Frau Schweizer Fisch mögen.
«Petri-Heil»: Welche Jahresproduktion an Speisefischen strebt Ihr (bei voller Auslastung) an?
Myriam Arnold: Im ersten Ausbauschritt planen wir mit einer Kapazität von 180 Jahrestonnen Ganzfisch. Wir haben aber Landreserven für bis zu 1200 Jahrestonnen. Zudem züchten wir auch rund 250?000 Zander-Fingerlinge, die wir auch an Dritte wie Pachtweiher oder Mäster verkaufen.
«Petri-Heil»: Was tut Basis57, um die Fischproduktion möglichst nachhaltig und tierfreundlich zu gestalten?
Myriam Arnold: Im Bereich Nachhaltigkeit setzen wir auf ressourcenschonende Kreislaufanlagen, auf den Dächern installierte Fotovoltaik-Anlagen sowie die Nutzung von Wärmepumpen und Wärmetauschern. Weitere Investitionen in Heiz- und Kühlsysteme zur Energieoptimierung sind vorgesehen. Tierfreundlich sind wir, weil wir auf zandergerechte Fütterung und Haltung setzen. Dadurch stärken wir auch das Immunsystem unserer Tiere und können so Erkrankungen vorbeugen und auf den Einsatz von Antibiotika verzichten.
Zeitgemässe Aquakultur schont Fischbestände
Die Fischproduktion ist der effizienteste Weg, um tierisches Protein herzustellen. Alle Tiere mussten für jede Wurst, jedes Entrecôte oder Pouletschenkeli mehr fressen als ein Fisch für das entsprechende Filet. An den Fischen geht also kein Weg vorbei, um die ressourcenschonende Versorgung des Menschen mit tierischen Proteinen zu gewährleisten. Der Anteil gezüchteter Fische am Gesamtkonsum nimmt weltweit zu, was auch Chancen bietet für die strapazierten Wildbestände. Denn dank der Fortschritte in der Futtermittelindustrie wurde der Fischmehlverbrauch stark reduziert. Heutzutage produziert die Fischzucht global gesehen deutlich mehr Fisch, als in Form von Fischprotein verfüttert wurde. Die Fischzucht stellt also nicht mehr nur eine Umverteilung von Fisch(mehl) in gezüchtete Fische dar. Bei pflanzenfressenden Arten kommt man sogar ganz ohne Fischmehl aus. Doch auch bei Raubfischen ist man auf diesem Weg. Sogar die Lachszucht erzeugt inzwischen mehr Fisch, als verfüttert wurde!
Man muss sich jedoch bewusst sein, dass Fischzucht nicht gleich Fischzucht ist. Ressourcenschonende und giftfreie Aquakulturen sind heute technisch realisierbar – doch es gibt nach wie vor Anlagen mit höherem Risiko für die Umwelt. Dazu gehören insbesondere Netzkäfige und Durchflussanlagen, falls sie nicht gut betrieben werden. Die Schweizer Gesetzgebung ist jedoch restriktiv und das Niveau der neuen Aquakulturprojekte ist hoch, sodass die Schweizer Konsumenten den Fisch «Swiss made» mit gutem Gewissen geniessen können.
Was ist eine Kreislaufanlage?
Schema einer Kreislaufanlage
Fridolin Tschudi, ZHAW | Kreislaufsysteme, auf Englisch RAS (recirculating aquaculture system), sind eine Form der landbasierten Fischzucht in Becken oder Rinnen, welche durch die Nachahmung natürlicher Prozesse das Wasser der Fischhaltung reinigt. Dadurch senkt sich der Wasserverbrauch zur Produktion im Gegensatz zu herkömmlichen Durchflussanlagen um etwa das Hundertfache. Statt beispielsweise 50?000 l Wasser werden nur noch 500 l Wasser pro Kilogramm produzierten Fisch aufgewendet. Das Wasser aus den Becken wird gefiltert und dann in einem mit Mikroorganismen besiedelten Biofilter gereinigt. Diese Mikroorganismen sind dieselben, welche in der Natur in einem Gewässer leben. Durch Biochips, welche eine sehr grosse Oberfläche haben, kann in einem kleinen Volumen dieselbe Reinigungsleistung erreicht werden, welche in der Natur riesige Flächen benötigen würde. Über weitere Behandlungsschritte wie UV-Licht und Sauerstoffanreicherung wird die Wasserqualität weiter verbessert und das aufbereitete Wasser gelangt wieder zu den Fischen. Der wichtigste Faktor für das Wohlbefinden der Fische ist die Wasserqualität. Kreislaufanlagen generieren weniger Emissionen als herkömmliche Produktionsformen und schneiden deshalb trotz relativ hohem Stromverbrauch in Bezug auf ökologische Nachhaltigkeit deutlich besser ab als herkömmliche Durchflussanlagen.
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