21 | 03 | 2012 | Schweiz | 0 | 4413 |
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Unsere Chance
Mit unserer Gewässerschutzinitiative haben wir Fischer viel in Bewegung gebracht. So richtig bewusst wird einem das bei der Lektüre der vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) ausformulierten Vorgaben. Noch haben wir am Wasser nichts erreicht, aber wenn wir am Ball bleiben, ist viel möglich!
Das BAFU formuliert in seiner Vollzugshilfe erfreulich deutlich, was die Kantone tun müssen, um den neuen gesetzlichen Anforderungen zu genügen. Das erklärt wohl auch den sofort aufgeflammten Widerstand verschiedener politischer Lager.
Die Ausgangslage
Die eidgenössischen Räte haben am 11. Dezember 2009 durch Annahme eines Gegenvorschlags Änderungen des Gewässerschutzgesetzes (1991), des Bundesgesetzes über den Wasserbau (1991), des Energiegesetzes (1998) und des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht (1991) beschlossen
Die Änderungen traten am 1. Januar 2011 in Kraft. Die Parlamentsbeschlüsse geben zwei Stossrichtungen vor:
1. Die Förderung von Revitalisierungen (Wiederherstellung der natürlichen Funktionen eines verbauten, korrigierten, überdeckten oder eingedolten oberirdischen Gewässers mit baulichen Massnahmen) sowie die Sicherung und extensive Bewirtschaftung des Gewässerraums.
2. Die Reduktion der negativen Auswirkungen der Wasserkraftnutzung durch die Verminderung der Auswirkungen von Schwall und Sunk unterhalb von Wasserkraftwerken, durch die Reaktivierung des Geschiebehaushalts sowie durch die Wiederherstellung der Fischwanderwege.
Am stärksten betroffen durch diese Veränderungen sind Landeigentümer und -nutzer (insbesondere die Bauern) sowie die Kraftwerksbetreiber. Aus diesen Reihen kommt auch bereits jetzt schon der stärkste Widerstand.
Leitplanken
Die BAFU-Vollzugshilfe «soll die Kantone bei der Umsetzung dieser neuen gesetzlichen Bestimmungen unterstützen und einen schweizweit koordinierten und einheitlichen Vollzug des Bundesrechts ermöglichen». Sie konkretisiert die Ansprüche an die kantonalen Behörden bei der strategischen Planung (Daten, Methoden), der Finanzierung, den Terminen sowie der Koordination wasserwirtschaftlicher Vorhaben.
Die einzelnen Module zeigen genehmigungs- und subventionsfähige Wege in den Bereichen Revitalisierung, Fischwanderung, Geschiebehaushalt, Schwall und Sunk sowie der Projekt-Koordination und Finanzierung. Sie wurden von Arbeitsgruppen des BAFU zusammen mit kantonalen Vertretern erarbeitet.
Die Dokumente sind nur in digitaler Form erhältlich. Das ist Pflichtlektüre für engagierte Fischerinnen und Fischer.
Vollzugshilfe «Revitalisierung Fliessgewässer»
Wir zitieren aus jenem Modul, das für die meisten Fischer wohl die konkreteste Möglichkeit zur Mitwirkung und Einflussnahme bietet. In der Einleitung schreibt Autor Werner Göggel von der BAFU-Abteilung Wasser:
«Rund 15 000 Kilometer Fliessgewässer in der Schweiz sind stark verbaut und in einem schlechten Zustand. Ein Viertel dieser Gewässer, dies entspricht rund 4000 Kilometer, sollen unter Berücksichtigung des Nutzens der Revitalisierungen für die Natur und die Landschaft und der wirtschaftlichen Auswirkungen revitalisiert werden. Dies ist eine Aufgabe für mehrere Generationen, es wird von einer Umsetzungsdauer von rund 80 Jahren ausgegangen.
Um diese Ziele langfristig zu erreichen, planen die Kantone die Revitalisierungen und legen einen verbindlichen Zeitplan dafür fest. Diese Planung ist in der Richt- und Nutzungsplanung zu berücksichtigen und mit betroffenen Nachbarkantonen abzustimmen.»
Umfangreiche Vorgaben
Göggel präzisiert: «Die Kantone müssen im ersten Schritt jene für die Revitalisierung prioritären Gewässer und Gewässerabschnitte bezeichnen, bei denen eine möglichst grosse Wirkung zur Wiederherstellung der natürlichen Funktionen im Verhältnis zum Aufwand erreicht werden kann.
Dazu erheben die Kantone in einem ersten Schritt Daten über die Gewässer und deren Gewässerräume. Die notwendigen Datengrundlagen umfassen den ökomorphologischen Zustand der Gewässer, die Anlagen im Gewässerraum und das ökologische Potential und die landschaftliche Bedeutung der Gewässer.
Viele dieser Daten sind bei den Kantonen bereits vorhanden und müssen für die Revitalisierungsplanung nur noch zusammen geführt werden.
Im zweiten Schritt…
…werden die Datengrundlagen nach vorgegebenen Kriterien miteinander verknüpft, um festzulegen, wo Revitalisierungen in erster Linie durchzuführen sind. Die Ergebnisse der Revitalisierungsplanung werden auf Karten dargestellt und in einem Bericht erläutert.
Die Kantone reichen dem BAFU die Planung für Fliessgewässer bis zum 31. Dezember 2013 zur Stellungnahme ein und verabschieden sie bis zum 31. Dezember 2014.
Eine sinnvolle Planung über 80 Jahre ist nicht realistisch. Die kantonale Revitalisierungsplanung bezieht sich daher auf einen Zeitraum von 20 Jahren und ist alle zwölf Jahre zu überprüfen und zu aktualisieren.»
Unsere Aufgabe
Der Leiter des Fachbereichs Fischerei Andreas Knutti führt dazu aus: «Natürlich kann der Bund jene Kantone, die diese Termine verpassen, nicht aktiv bestrafen, aber sie werden für ihre Revitalisierungen zumindest keine Subventionen erhalten.»
Es ist an uns Fischern diesen klaren gesetzlichen Auftrag weit herum öffentlich zu machen und seine Einhaltung zu fordern, zu überwachen und notfalls mit den geeigneten Mitteln dafür zu kämpfen.
In dieser Phase besteht natürlich auch die Chance, die Planung der kantonalen Behörden zu beeinflussen und damit die Finanzierung künftiger Projekte, die uns am Herz liegen, aufzugleisen. Jene Kantone, die die meisten und überzeugendsten Projekte vorweisen, werden auch am stärksten von den bereitliegenden Bundesmitteln in der Grössenordnung von hundert Millionen Franken jährlich profitieren.
Widerstände
Angesichts der plötzlich ziemlich konkreten Absichten, den lange vernachlässigten Gewässerschutz grossflächig durchzusetzen, regt sich ebenso konkreter Widerstand. So ist die Konferenz der kantonalen Baudirektoren vom Aargauer Regierungsrat Peter C. Beyeler «ermuntert» worden, die Reibungen des neuen Raumbedarfs mit den bestehenden Richt- und Zonenplänen zu vermindern.
Dabei geht es insbesondere um Bau- und Industriezonen, wo «unverhältnismässige» Wertverluste geltend gemacht werden sollen. Unverhältnismässig soll andeuten, dass die Rechte von Forellen & Co. nicht allzu stark zu gewichten sind…
Auch die Landwirtschaftsvertreter testen bereits vielerorts den politischen Spielraum bei der Durchsetzung der neuen Richtlinien. Man fürchtet den Kulturlandverlust. In den Gesetzen, Verordnungen und auch den Vollzugshilfen findet sich viel juristischer Gummi, der verschiedene Auslegungen in der Praxis erlaubt.
Diesen Spielraum gilt es zugunsten der Fische wirksam einzuengen. Der Kampf darum hat bereits begonnen. Als erste Rüstungsmassnahme sollte darum jeder Fischereiverband die Vorgaben des Bundes an die Kantone im Detail kennen. Verteidigen wir unsere Chance!
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