26 | 02 | 2018 | Schweiz | 0 | 5831 |
26 | 02 | 2018 | Schweiz |
0 5831 |
Der Aal – aussterbendes Wunder der Natur
Der Fisch des Jahres 2018 ist eigentlich ein biologisches Erfolgsmodell und ein Überlebenskünstler. Ein Portrait über einen wahrhaft grenzüberschreitenden Fisch.
Noch Mitte der 1990er-Jahre ging es dem Aal vergleichsweise gut, die Bestände waren stark genug, um die kraftwerksbedingten Ausfälle zu kompensieren. Die Fangzahlen waren sehr hoch, der Aal schien trotz seiner kulinarischen Beliebtheit ein biologisches Erfolgsmodell. Es war weder der schwimmblasenschädigende Parasit verbreitet, noch war die chemische Belastung so stark, dass die Fortpflanzungsfähigkeit des europäischen Aals beeinträchtigt wurde. Insbesondere der aus Japan eingeschleppte Parasit scheint mittlerweile eine verheerende Wirkung zu zeigen. Er greift die Schwimmblase an und verunmöglicht es so, dass die Aale überhaupt bis in ihr angestammtes Laichgebiet kommen. Und so geht es heute den Aalbeständen gar nicht gut und man muss wohl damit rechnen, dass es in absehbarer Zeit keine Aale mehr geben wird – Kraftwerksanierungen hin oder her – und dies, obwohl der Aal eigentlich ein Überlebenskünstler ist und mal eine der am weitesten verbreiteten Fischarten in der Schweiz war.
Das Wanderverhalten
Sobald die innere Uhr des Aals auf Fortpflanzung zeigt, gibt es für ihn kein Halten mehr. Wo auf dem Wasserweg kein Durchkommen mehr ist, überquert er bei geeignetem Wetter auch das Festland. Mit seiner unglaublich guten Nase, die es in Sachen Spürsinn mit derjenigen des weissen Hais aufnehmen kann, vermag er einen Fluss auch zu riechen, wenn er hinter einem Hügelzug liegt. Der Aal riecht sogenannt stereoskopisch, d.h. er kann eine Duftquelle räumlich orten.
In einem Fluss angekommen, nimmt er es dann ziemlich gemütlich, lässt sich s-förmig im Mittelwasser Richtung Mündung treiben, er ist jetzt zum «Blankaal» geworden, verändert seine Farbe und stellt die Nahrungsaufnahme ganz ein. In dieser Zeit bilden sich die Verdauungsorgane zurück, für die letzten 5000 Kilometer seiner Reise zehrt der Aal von den Fettreserven, bis er schliesslich die Sargassosee in der Nähe der Bermuda-Inseln erreicht, wo er – bisher unbeobachtet – ablaicht und anschliessend stirbt. Auf dem Weg dorthin schwimmt er tagsüber in bis zu 1000 Metern Wassertiefe und nachts knapp unter der Oberfläche.
Erstaunliches
Der Aal differenziert sich – der Forelle nicht unähnlich – in zwei verschiedene Phänotypen. So gibt es den Spitzkopfaal, der sich hauptsächlich von Krebsen und anderen kleineren Wassertieren ernährt, und den Breitkopfaal, der sich auf die Jagd von Kleinfischen spezialisiert hat. Letzterer soll durchaus ein flinker Jäger sein und seiner Beute nachts auch mal dicht unter der Oberfläche nachstellen. Der Aal ist kein gewöhnlicher Fisch, er hat ein komplexes Leben mit vielfältigen Stadien, die er durchwandert. Die Jungfische, welche nach gut einem Jahr Wanderung von der Saragossasee an die Küsten Europas zu Glasaalen werden, sind ab diesem Moment kulinarisch interessant. Viele Aale finden deshalb gar nicht erst den Weg in unsere Flüsse, sondern landen mehr oder weniger direkt in japanischer Soyasauce.
Aale sind bekanntermassen unglaublich zäh und schwer totzukriegen. Behauptungen, dass Aale auch in ausgenommenem Zustand noch lebendig seien, oder dass das Aalherz irgendwo im Schwanzbereich des Aals sitze, sind aber falsch. Hingegen ist sein Blut in rohem Zustand tatsächlich giftig.
In manchen Ländern wird der Aal lebend in blossen Styroporschachteln verkauft, er überlebt solche Strapazen erstaunlich lange. Überhaupt gilt der Aal als äusserst langlebiges Tier, das in Gefangenschaft an die hundert Jahre alt werden kann. In Hufschmids Fischereigeschäft in Bremgarten lebt seit vielen Jahrzehnten ein Exemplar.
Tradition und Mythen
Der Aalfang hat überall, wo der Aal vorkommt, eine lange Tradition. Der Fang mit der Angelrute ist dabei nur eine Methode unter vielen. Bekannt ist der Aalpödder, ein Wollknäuel mit Würmern drin, in welchem sich der Aal mit seinen Zähnen verhakt. Durch Günter Grass’ Roman «Die Blechtrommel» ist auch der Fang mit einem an einem Seil befestigten Pferdekopf berühmt geworden. Der Aal ist jedoch kein Aasfresser, kann einen Schädel aber anscheinend gut als Versteck gebrauchen. Mit zugeklebten Autoreifen, die nur eine kleine Öffnung aufweisen, sollen sich Aale ebenfalls fangen lassen und der Einsatz von Plastikkanistern ist in Asien eine herkömmliche Methode. Anscheinend habe man den Aal früher mit Bohnenkraut ans Land locken können. Gesichert ist die Fangtechnik mit sogenannten «Aalpuppen», das sind beköderte Haken mit einem starken Auftriebskorken, die frei im Wasser trieben und nach einiger Zeit wieder eingesammelt wurden.
Leider sind diese «fängigen» Zeiten vorbei, und es ist zu befürchten, dass die gesetzlich vorgeschriebene Fischgängigkeit der Schweizer Wasserkraftwerke frühestens dann umgesetzt ist, wenn der europäische Aal bereits ausgestorben sein wird.
0 Kommentare
Keine Kommentare (Kommentare erscheinen erst nach unserer Freigabe)