26 | 04 | 2015 | Schweiz | 0 | 5011 |
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Der Bootsbauer aus Nohl
Ernst Mändli, 82-jährig, ist ein munterer, tatkräftiger Mann geblieben. Ein Pensioniertendasein auf dem Sofa, vor dem Fernseher, ist nicht seine Sache. Er gewährt «Petri-Heil» Einblick in die bewegte Geschichte der Bootsbauer- und Rheinschifffahrer-Familie.
Obwohl er das Geschäft schon vor zwölf Jahren seiner jüngsten Tochter Barbara und ihrem Mann übergeben hat, ist Ernst Mändli noch jeden Tag im Betrieb anzutreffen. Er erledigt Kostenberechnungen und Schreibarbeiten im Büro, kümmert sich in der Werkstatt um Bootsreparaturen und besorgt jeden Morgen die Holzheizung der Liegenschaft mit den Privat- und Geschäftsräumen in Nohl beim Rheinfall. «Ich kann nicht einfach nichts machen, das geht nicht!», so Ernst Mändli. Er freut sich jeden Tag auf seine Aufgaben und ist mit dem Leben «eigentlich zufrieden». Diese grundsätzliche Lebensfreude und Vitalität ist im Gespräch gut zu spüren; Ernst Mändli kann sich freuen, lachen, sich ereifern, schimpfen, schmähen, aber auch traurig sein, je nach Episode, die er erzählt – ein jung gebliebener Achtziger.
Seit Generationen auf dem Rhein
Ernst Mändli erinnert sich gut an seinen Grossvater Johann Mändli, der als tüchtiger Handwerker mit dem Weidlingsbau und der Rheinschifffahrt begann. Zum kleinen Landwirtschaftsbetrieb baute dieser 1905 eine kleine Werkstatt für den Bootsbau. Zudem ruderte er Gäste im selbst gebauten Boot über den Rhein zum Schloss Laufen, wenn er nicht gerade beim Lachsfischen (!) war. Dem kleinen Ernst brachte der Grossvater das Fischen auf Äschen bei, das passte dem Bub besser als die als mühsam empfundene Gesamtschule in Nohl mit einer einzigen Lehrerin für alle sechs Primarklassen. Auch in der Sekundarschule in Uhwiesen wollte keine Begeisterung für die Schule aufkommen, die «Nöhlemer» Kinder waren dort generell Aussenseiter. Ernst war dann froh, in Neuhausen bei einem guten Meister erfolgreich eine Schreinerlehre absolvieren zu können. Holz war sein Element, als er in das Geschäft zurückkehrte, das unterdessen vom Vater betrieben wurde. Da er als junger Berufsmann mit dem Bootsbau vorwärts kommen wollte, suchte er nach neuen Möglichkeiten. Als Glücksfall erwies sich die Begegnung mit Walter M. Graf, dem damaligen Chefredaktor der Schweizerischen Fischereizeitung «Petri-Heil».
Das Mändli-Boot
Walter M. Graf, der einen guten Draht zu den Fischern in der ganzen Schweiz hatte, war aufgefallen, dass viele Fischer in alten, halb verfaulten Gondeln ihrem Hobby nachgingen. «Hast du die Möglichkeit, Kunststoffboote zu machen, die unter 1000 Franken kosten?» fragte er Ernst. «Wenn du das fertig bringst, unterstütze ich dich mit meiner Fischerei-Zeitung voll und ganz!» Ernst brachte es fertig. Auf seiner Hochzeitsreise in die Niederlande lernte er Kunststoffboote mit Hohlboden kennen, das wars! Die Kombination eines Polyester-Rumpfs mit Holz musste ein Fischerboot von hoher Stabilität und Lebensdauer ergeben.
Mit dem Boot «Mändli K405» zu Fr. 980.– war 1964 der Wurf gelungen. Das Erfolgsmodell war geboren. Mit diesem Bootstyp begann ein neuer Abschnitt in Mändlis Bootswerft. In Spitzenjahren wurden über 100 Boote gefertigt. Weitere Bootstypen kamen dazu, darunter bald die ersten Kabinenboote. Gewinne wurden laufend in den Ausbau der Werft investiert.
Und die Gesundheit?
Ein wachsender Betrieb mit Arbeit jeden Tag von morgens sieben bis nachts 22 Uhr, keine Ferien, zu wenig qualifiziertes Personal, eine Familie mit vier Töchtern – kann das nicht zu viel werden?
Ernst Mändli litt nach der Rekrutenschule an einer Herzbeutelentzündung, die damals nur unzureichend behandelt werden konnte und eine heikle Herzoperation notwendig machte. Spätfolgen blieben. 1970 konnte Ernst Mändli nicht mehr. Sein Arzt schickte ihn nach Gais zur Erholung. Für einmal durfte er abschalten und nur an sich selbst denken. Er lernte, wie wichtig eine bewusste Lebensführung und -gestaltung sein kann und dass die Belastungsgrenze berücksichtigt werden muss, damit man nicht in der vielen Arbeit untergeht. Nach einem Monat kehrte er erholt ins Geschäft zurück.
Die Schifffahrt vom Rheinfall bis Eglisau – das zweite Standbein
Neben dem Ausbau der Werft investierte Ernst Mändli auch zunehmend in die vom Vater aufgebaute Rheinschifffahrt vom Rheinfall nach Eglisau. Die ersten beiden Passagier-Boote, die bis zu 40 Personen aufnehmen können, mussten bereits wieder erneuert werden. Das Angebot wird von Firmen, Familien und anderen Gesellschaften rege genutzt. Auf Wunsch werden die Fahrgäste auch mit einem Party-Service verwöhnt, für den der Schwiegersohn Reto, ein gelernter Koch, zuständig ist. Für die heutigen Geschäftsinhaber Barbara und Reto Holdenrieder-Mändli erweist sich dieses zweite Standbein als Glücksfall, da der Bootsbau heute rückläufig ist.
Die Fischereigesellschaft Nohl
Die Mändlis dürfen im Rhein unterhalb des Rheinfalls schon seit vielen Generationen bis zum heutigen Tag fischen. Wie kommt das? Sechs Mändli-Familien, heute zusammengefasst als «Fischereigesellschaft Nohl», haben das Fischereirecht im Rhein unterhalb des Rheinfalls schon im Mittelalter erhalten und dann weiter vererbt. Ihre Vorfahren, Fischer und Kleinbauern des damaligen Fischerdorfs Nohl, sollen der adeligen Herrschaft auf Schloss Laufen regelmässig Lachs geliefert haben, sehr zur Zufriedenheit der adeligen Frau. Sie war derart von den frischen Lachsen angetan, dass sie den Fischern vom Nohl schliesslich das Fischereirecht abtrat.
Ernst Mändli ist zwar nie ein fanatischer Fischer gewesen, dennoch geniesst er es, ein- bis zweimal pro Woche mit einem Freund hinaus auf den Rhein zu fahren, zum Äschenfischen, wie in seiner Jugend mit dem Grossvater. «Ich bin heute zufrieden.» Und ganz leise kommt schliesslich sogar das Wort «glücklich» über die Lippen.
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