24 | 01 | 2019 | Schweiz | 0 | 3913 |
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Der Gewässerschutz droht verbaut zu werden
Die Schweizer Gewässer bieten je länger desto weniger geeigneten Lebensraum für die Fische. Also sollte aus Sicht der Fischer alles Mögliche unternommen werden, um diesen Lebensraum aufzuwerten und die Fische vor dem Aussterben zu bewahren. Wenig erstaunlich verfolgt die Wasserkraft da ganz andere Interessen.
Es ist eine sattsam bekannte Tatsache: Der Anteil an naturnahen Gewässern in der Schweiz ist erbärmlich tief. Ein Grossteil der Biodiversität konzentriert sich auf einen bedenklich kleinen Raum, und gerade mal 3,6 Prozent unserer Fliessgewässer entsprechen den gesetzlichen Vorgaben bei den Kriterien Artenvielfalt, Lebensraumstruktur und intakter Wasserhaushalt.
Doch dessen ungeachtet hat Wasserkraftlobbyist und SVP-Parteipräsident Albert Rösti eine parlamentarische Initiative eingereicht, die verhindern will, dass die Kraftwerkbetreiber künftig zu Sanierungsmassnahmen verpflichtet werden können. Die dürftige Argumentation stützt sich dabei auf die angebliche Schwierigkeit, den ursprünglichen Zustand eines seit längerer Zeit verbauten Fliessgewässers einschätzen zu können. Dies führe zu «Auslegungsstreitigkeiten und langwierigen Verfahren». Um den Kraftwerkbetreibern diese angeblich mühselige Deutung des ursprünglichen Zustands zu ersparen, sollen die gesetzlichen Hürden entkräftet werden und der Ist-Zustand (der bei 96,4 Prozent aller Fliessgewässer mangelhaft ist; s. o.) als neuer Referenz-Zustand herbeigezogen werden. Damit müsste künftig nichts in eine Verbesserung der Situation investiert werden. Dazu der Wortlaut der parlamentarischen Initiative Röstis, die er bereits 2013 in identischer Form als Motion vorbrachte: «Die gesetzlichen Bestimmungen sind so anzupassen, dass bei durch Neukonzessionierungen oder Änderungen von Wasserkraftkonzessionen erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfungen nicht vom ursprünglichen Zustand vor Bestehen des oft seit vielen Jahrzehnten konzessionierten Kraftwerks, sondern vom Ist-Zustand vor der beabsichtigten Neukonzessionierung bzw. Konzessionsänderung ausgegangen wird.»
Vor 6 Jahren wurde Röstis Motion vom Bundesrat mit folgenden Worten abgelehnt: «Auch wenn es zum Teil nicht einfach ist, den Zustand vor dem Bau eines bereits bestehenden Kraftwerks abzuschätzen, sind in der Praxis immer sinnvolle Lösungen gefunden worden.» Trotzdem nimmt Rösti nun am 15. Februar 2019 einen zweiten Anlauf, um die Wasserschutz-Gesetze den Interessen der Wasserkraft anzupassen.
Breiter Widerstand
Aqua viva-Geschäftsführerin Antonia Eisenhut weist im aqua viva-Magazin darauf hin, dass keine einzige Neukonzessionierung aufgrund der bisherigen Praxis verhindert wurde. Und weiter: «Die Revision (…) würde zu weiteren massiven negativen Auswirkungen auf die betroffenen Ökosysteme führen: (…) die Revision würde den Kraftwerkbetreibern erlauben, das öffentliche Gut Wasser zu nutzen, ohne die teils schwerwiegenden Eingriffe auszugleichen – ein Affront gegenüber allen Bürgern, die sich tagtäglich an Regeln halten und das Gemeinwesen achten.» Auf scharfe Kritik stösst das Begehren der Wasserkraft auch beim Aargauer Gewässerökologen Ueli Rippmann, der in einem offenen Brief darauf hinweist, dass sämtliche wissenschaftliche Arbeiten zum Zustand unserer Fliess-Gewässer damit letztlich obsolet würden und einer einfachen und unsachlichen Behauptung der Vorzug gegenüber wissenschaftlich fundierten Aussagen gegeben würde.
Weitere Informationen sind als pdf einsehbar:
Parlamentarische Initiative Albert Rösti
Offener Brief von Ueli Rippmann
Position von Naturschutzverbänden (Zusammenfassung)
Position von Naturschutzverbänden (mit Ausführungen)
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