


14 | 10 | 2025 | Schweiz | Diverses | ![]() | ![]() |
14 | 10 | 2025 | Schweiz | Diverses |
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Ein Gespräch zwischen Sidy Ouattara und Ruben Bohner über die Zukunft unserer Fliessgewässer und der Bachforellen.
Die heimische Bachforelle hat es in den letzten Jahren schwer. Klimawandel, Verbauungen und zunehmender Frassdruck durch natürliche Feinde setzen ihr zu. Der Bestand sinkt, die Reproduktion wird schwieriger. Die Bachforelle (Salmo trutta) ist eine Fischart, die auf kühle, sauerstoffreiche Fliessgewässer mit hoher Wasserqualität angewiesen ist. Sie liebt vielfältige Fliessgwässer mit Rückströmungen, unterspülten Strukturen und Schattenbereichen unter Bäumen. Ihr «extravaganter» Lebensstil lässt sich vielerorts kaum mehr aufrechterhalten.
Denken wir zurück, erinnern wir uns an deutlich bessere Bestände. Ich weiss noch genau, wie ich als kleiner Junge in den Dorfbächen in kurzen Hosen Forellen von Hand aus den Steinen holte. Heute ertastet man an denselben Stellen über weite Strecken keine Forellen mehr.
Ich habe das Privileg, manchmal an Pachtstrecken mit teils immer noch erstaunlich guten Beständen zu fischen. Was aber unterscheidet diese kleinen, privaten Gewässer von den öffentlichen, kantonal bewirtschafteten Fliessgewässern mit deutlich weniger Forellen? Ein Teil der Antwort liegt sicherlich in der intensiveren Nutzung öffentlicher Gewässer durch Patentfischer. Doch das allein erklärt nicht alles. Mitentscheidend ist das Engagement der Pächter: Müll wird regelmässig entfernt, einfache Renaturierungen werden durchgeführt und die Fischerei erfolgt nachhaltig. Dieses tägliche «Hegen und Pflegen» wirkt sich erkennbar positiv aus.
Ich treffe meinen langjährigen Fischerkollegen Ruben Bohner. Gemeinsam verbrachten wir drei Jahre am Institut für Fischerei in Starnberg. Uns verbindet seit Jahren die Begeisterung für Fliessgewässer und Salmoniden – und viele unvergessliche Stunden an Forellenbächen. Heute ist Ruben Fischwirtschaftsmeister und arbeitet als Betriebsleiter der Bio-Forellenzucht Nadler im aargauischen Rohr und pflegt auch einige Pachtgewässer. Mit ihm unterhalte ich mich über die Zukunft der Bachforelle und ihre Lebensräume.
Ruben Bohner
Sidy Ouattara: Ist der Besatz von Bachforellen in der Zentral- und Ostschweiz vergeblich – oder gar kontraproduktiv?
Ruben Bohner: In meinen Augen ist es entscheidend, dass Bewirtschaftung in erster Linie auf Initialbesätze abzielt – also auf das Erhalten eines stabilen Laichfischbestands. Besonders sinnvoll ist der Besatz mit Eiern im Augenpunktstadium. Je später im Entwicklungsstadium ein Fisch eingesetzt wird, desto schwieriger fällt ihm die Anpassung an das Gewässer. Ein weiterer Punkt ist die genetische Herkunft der Fische. Werden Laichtiere entnommen, müssen ihre Eier unbedingt wieder in dasselbe Gewässer zurück – nicht aus ideologischen Gründen, sondern wegen der langjährigen genetischen Anpassung an lokale Umweltbedingungen. Eigenschaften, die Fische aus einem anderen System mitbringen, können sich als nachteilig erweisen.
Beispiele?
Fische, die keine Temperaturschwankungen gewöhnt sind, verwerten Nahrung schlechter. Forellen aus sauerstoffreichen Quellbächen sind weniger widerstandsfähig bei Sommerdürre. Auch Krankheiten können durch Besatz verbreitet werden – die ansässigen Fische haben oft keine Abwehrkräfte gegen neue Erreger aus anderen Systemen.
Ruben Bohner
Auf welche Gewässer sollte man sich künftig konzentrieren?
Ganzjährig wasserreiche und sommerkühle Fliessgewässer wären ideal – und sind heute zunehmend selten. Heute noch diesen Gewässern am nächsten kommen Quell- und Grundwasserbäche, die kaum auf äussere Einflüsse wie Temperaturschwankungen oder Starkregen reagieren. Leider bestehen auch bei diesen Gewässern unterschätzte Einflüsse der Landwirtschaft: Frischwasserentnahme zur Bewässerung oder Überdüngung oder Pestizide zu nahe an den Bächen. Erfreulich ist, dass viele Pachtgesellschaften zusammen mit den Kantonen an Renaturierungen und dem Erhalt dieser Perlen arbeiten – auch wenn das meistens mehr Zeit braucht als erwartet.
Wie schätzt du die Zukunft unserer Bachforellen und ihrer Lebensräume ein?
Ich will nicht den Teufel an die Wand malen – aber wenn wir so weitermachen wie bisher, wird sich langfristig wenig ändern. Ich appelliere an alle: Schätzt unsere Gewässer, schenkt ihnen Aufmerksamkeit und freut Euch an der Fischerei – aber übernehmt auch Verantwortung. Der Wandel passiert nicht über Nacht, aber mit Eigeninitiative können wir das Tempo verlangsamen, gegensteuern und manches verbessern. Die wenigen verbliebenen guten Gewässer verdienen unsere volle Aufmerksamkeit.
Welche Erfahrungen machst du mit deiner eigenen Pachtstrecke?
Seit bald drei Jahren bewirtschaften wir einen kleinen Bach neben unserem Haus. Wir haben das Glück, dass er ganzjährig ausreichend kühles Wasser führt. Trotzdem fielen die vom Kanton durchgeführten Probeabfischungen überraschend dürftig aus. Obwohl wir gefühlt einen relativ guten Forellenbestand in unserem Bach haben, wurden per Elektrofischerei kaum Fische gefangen. Einige Laichfische konnten wir dennoch entnehmen und streifen. Die Eier wurden bis zum Augenpunktstadium aufgezogen und anschliessend in Brutkästen im Gewässer eingesetzt. Weitere genetische Untersuchungen folgen und wir sind gespannt, ob unter den heutigen Forellen auch Nachkommen unserer Eier sind – Flossenproben von unseren Laichfischen aus 2022/23 wurden auch entnommen.
Ein neues Problem ist der Biber. Jedes Jahr entstehen neue Biberburgen, die den Wasserabfluss behindern und die freie Fischwanderung erschweren. Ändern können wir jetzt daran nichts, aber ärgern darf man sich trotzdem. Im Winter beobachten wir auch den Einfluss von fischfressenden Vögeln deutlich, besonders in den offenen Bachabschnitten. Dort sind kaum Fische zu sehen und während der Saison gibt es dort auch weniger Bisse.
Fischentnahme anpassen
Schliesslich spricht Ruben Bohner noch eine für uns Fischer unbequeme Wahrheit an: «In vielen öffentlichen Fliessgewässern sind die Entnahmezahlen bei den Bachforellen schlicht zu hoch. Die Fischereiverwaltungen investieren viel Zeit, Geld und Engagement in den Erhalt dieser Forellenpopulationen – und dann werden zu viele Fische entnommen. Die Fangzahlen sollten restriktiver geregelt werden und Entnahmefenster wären an vielen Gewässern sinnvoll. Zwar sind wir in der Schweiz in Sachen Besatzpolitik fortschrittlicher als unsere deutschen Nachbarn – dort wird oft noch auf Massfischbesatz gesetzt – aber es bleibt noch viel Luft nach oben. Es braucht weitere Schritte hin zu einer smarten Bewirtschaftung.»
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