[Fischer-Tagebuch] Patagonien [– Teil 4]
24 | 06 | 2025 Reisen 0362
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Fischer-Tagebuch Patagonien – Teil 4

Michel Utz ist mit der Angelrute in Südamerika unterwegs. In einer kleinen Serie berichtet er uns von seinen Erlebnissen in den Weiten Argentiniens und Chiles.


Für Lachs ans andere Ende der Welt

Meine Freundin Gwen und ich träumen häufig von grossen Flüssen und springenden Lachsen. Kein angenehmer Schlaf, eher ein Alptraum, geprägt von Angstschweiss und Frustration. Bei unseren bisherigen Versuchen in Irland und Norwegen haben wir entweder keine Lachse gesehen oder sie sprangen uns zu Dutzenden um die Ohren. Gebissen hat nie einer, was nur einen Schluss zulässt: Wir scheinen mit einem Lachsfluch belegt zu sein.

Obwohl der Zielfisch in Südamerika klar die Bachforelle ist, können wir es im Torres-del-Paine-Nationalpark nicht lassen und versuchen unser Glück am Rio Serrano auf Königslachs. Die Chilenen werfen hier schwere Blinker an Ruten mit über 80 g Wurfgewicht. Europäische Gäste wiederum peitschen bevorzugt mit Zweihandruten (14 bis 15 Fuss, Schnurklasse 10) und sinkenden Schnüren den Fluss aus und präsentieren so meist Intruder-Fliegen in Schwarz, Blau, Grün und Pink. Da meine schwere Switch-Rute nur eine mittelschnell sinkende Schnur hat, erscheint uns die Spinnfischerei erfolgsversprechender.

Schnell wird klar, dass die Lachse da sind – einerseits wegen ihrer eindrücklichen Flugshow, andererseits, weil andere Angler erfolgreich sind. Fische bis 25 kg werden gefangen. Nach Gesprächen, vor allem mit Tim aus Flensburg, stellt sich heraus: Die obersten Pools versprechen die meisten Fänge. Einer davon ist übrigens sogar rollstuhlgängig! Mit den Bergen im Rücken fangen wir in der Folge schöne Bachforellen, doch die Lachse ignorieren unsere Köder. Stunde um Stunde verwandelt sich unsere Hoffnung in eine Neuauflage des nur allzu bekannten Albtraums. Nach drei lachslosen Tagen flüchten wir aus dem Nationalpark in den Süden.

Ein Tipp von Tim führt uns zu einem Ort am Meer für Silberlachse. Und tatsächlich! Am Ende des südamerikanischen Festlands fangen wir einige und grillen sie gleich am Ufer. So ganz lasse ich das aber nicht gelten und informiere mich über Lachsflüsse auf der restlichen Route. Gerade im Bereich nördlich von Coyhaique scheint es im März und April einige Optionen auf Königslachs zu geben.

Einen Monat später stehen wir an einem davon – dem Rio Aysén – und sehen weitere Königslachse. Doch auch hier bleiben unsere Köder unbeachtet. Kein Problem, wir haben Alternativen! Am Rio Mañihuales hören wir von Fängen, sehen aber keine (Lachs-)Flosse. Deshalb lege ich zur Abwechslung einen Klettertag an einem kleinen, steilen Bachforellen-Bergbach ein. Frisch motiviert geht es an den Rio Cisnes, der stellenweise wie ein übergrosser Bergbach wirkt. Traumhafte Spots, aber keine Lachse. Langsam gehen uns die Optionen aus – müssen wir uns auch hier geschlagen geben?

Ohne grosse Hoffnung starten wir einen kurzen Versuch am Unterlauf des Cisnes, direkt beim Camping. An einem tiefen Loch hinter Baumstämmen bekommt Gwen plötzlich einen heftigen Biss auf ihren Blinker. Das ist eindeutig keine Forelle! Nach nervenaufreibenden Fluchten quer durch den Fluss kann ich den Fisch an der Schwanzwurzel greifen – ein prächtiges Königslachsweibchen von 110 cm!

Glücklich fahren wir weiter in den Norden. In La Junta erkunde ich den Lachsfluss Rosselot, während Gwen ihre Doktorarbeit abschliesst. Am zweiten Tag bekomme ich einen unscheinbaren Biss auf meinen Blinker an einer strömungsberuhigten Stelle am anderen Ufer. Es gibt zuerst keinen Grund, an Lachs zu denken. Doch mit jeder vergehenden Sekunde erscheint das Tier schwerer. Schlussendlich besteht kein Zweifel, es ist ein Königslachs! Dieser will in die schnelle Strömung flussabwärts fliehen. Mit mehr Druck, als mir lieb ist, kann ich ihn aber oben halten und es gelingt mir tatsächlich, den Fisch im flachen Wasser zu packen – ein Prachtsexemplar von ebenfalls 110 cm (geschätzt etwa 15 kg).

Nun ist unser Hunger nach Lachs fürs Erste gestillt. Wir geniessen einen Tag in der lokalen Therme, probieren uns an der Meeresfischerei und konzentrieren uns wieder auf Forellen. Dabei fangen wir noch zwei weitere kleinere Lachse.

Ich habe jetzt sogar den Übermut, mir einen Lachs auf die Fliege als Ziel zu setzen. Um Puerto Montt gibt es in vielen Flüssen Königslachse und gegen Ende der Saison im April ist die Präsenz der Fische offenkundig, denn Kadaver säumen die Ufer der Flüsse. Nach einigen erfolglosen Versuchen mit der Fliegenrute probiere ich es am Rio Llanquihue, wo aber die beste Stelle von «Fischern» besetzt ist, die versuchen, Lachse zu schränzen. Als sie fischlos abziehen, stelle ich mich dort ans Ufer und darf in der Dämmerung miterleben, wie die Lachswanderung einsetzt und die Fische zu springen beginnen. Genug Motivation, um am Folgetag beim ersten Licht wieder am Wasser zu sein. Und tatsächlich werde ich belohnt! Ein Königslachs von 90 cm fühlt sich von der schmalen, braunen Fliege mit orangem Hotspot provoziert und beisst zu. Nach einem vergleichsweise angstfreien Kampf im strömungsarmen Widerwasser kann ich den Fisch dann greifen! Ein Triumpfschrei hallt durchs Tal und scheucht die Geier auf, welche sich an den Lachskadavern gütlich tun. Hier im Nebel wird es mir klar: Wir haben unseren Lachsfluch endgültig bezwungen.

 Ein Traum geht in Erfüllung: Ein schöner Lachs mit der Fliegenrute.

Ein Traum geht in Erfüllung: Ein schöner Lachs mit der Fliegenrute.


Fischer-Info

Für das Fischen in Patagonien gibt es sehr ausführliche Regulatorien bezüglich der erlaubten Techniken, der Entnahme von Fischen und des Desinfizierens von Angelgeräten. Die Auflistung davon würde den Rahmen sprengen, besonders da sich die Regeln in Argentinien und Chile sowie in den einzelnen Provinzen unterscheiden. Wenn Du nach Patagonien reist, kannst Du Dich gerne bei mir melden und ich werde Dir eine Übersicht und die entsprechenden Links zukommen lassen.

Instagram: @alpinecapitalfishing oder @swissfishingcouple


> Teil 1 | Die Magie des Limay

> Teil 2 | Ein Hauch Down Under

> Teil 3 | Abenteuer zwischen Bürokratie und Triumph

 

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