15 | 03 | 2022 | Diverses | 0 | 5878 |
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Ganzheitliche Revitalisierung von Kleingewässern | Teil 1
Durch die Ausscheidung des Gewässerraums bieten selbst kleinste Fliessgewässer die Möglichkeit zur Schaffung reichhaltiger Ökosysteme. Deshalb wird bei Revitalisierungsprojekten der Fokus auch auf die Bereiche oberhalb der Uferlinie gerichtet. Worauf es besonders ankommt, verrät uns der Fachspezialist für naturnahen Wasserbau Samuel Schmid.
Kleinbäche und Rinnsale bilden das Rückgrat unserer aquatischen Lebensräume. In ihrer Gesamtheit bestimmen sie massgeblich die Qualität und Artengemeinschaft eines Gewässersystems. Manche sind wahre «Dreckschleudern» und führen grosse Frachten von Nährstoffen und Verunreinigungen aus Landwirtschaft und Siedlungsgebiet mit sich. Andere wiederum beherbergen in ihren sauberen Oberläufen noch Reliktbestände autochthoner Kleinfische, Krebse oder gar Bachmuscheln, wodurch sie als genetische Rückversicherung für unsere einheimische Artenvielfalt von grösster Bedeutung sind. Allen gemeinsam ist ihr unschätzbarer Wert als vernetzende und vielfältige Naturkorridore – quasi als Lebensadern in unserer zunehmend strukturarmen Landschaft. Grund genug, unsere gemeinsamen Revitalisierungsbemühungen im Bereich «fischereilich uninteressanter» Kleingewässer zu verstärken, und dies mit einer ganzheitlichen Betrachtung des durchflossenen Landschaftsbereichs.
Wertvolles erhalten und Vorhandenes einbeziehen
Gelungene Gewässerrevitalisierungen fügen sich harmonisch ins Landschaftsbild ein und brauchen nicht Jahre, um an ökologischem Wert zu gewinnen. Grundlegend dabei ist die Berücksichtigung örtlicher Gegebenheiten bereits während der Projektierungsphase. Schützenswerte Elemente wie wertvolle Gewässer- und Uferstrukturen, alte Einzelbäume, Strauchgruppen, aber auch artenreiche Vegetationstypen, werden bei der Planung des Gerinneverlaufs miteinbezogen und nicht zugunsten einer «effizienten Bauabwicklung» aufgeopfert. Vorteilhafte Voraussetzungen dafür sind eine Gewässerplanung, welche Spielraum für situationsbezogene Gestaltungsmöglichkeiten lässt, und eine Umsetzung durch ein fachkundiges Unternehmen.
Dynamik dank Ingenieurbiologie
Naturnahe Fliessgewässer sind stetigen Veränderungen unterworfen, was sie besonders vielfältig und artenreich macht. Die Wiederherstellung dynamischer Prozesse wie Erosion und Ablagerung sollte bei Revitalisierungen im Vordergrund stehen. Ingenieurbiologische Bauweisen, also die Verwendung von lebenden und toten pflanzlichen Baustoffen wie Wurzelstrünke, Faschinen, Weidensteckhölzer usw. haben bei der Gestaltung von Kleingewässern Vorrang gegenüber Hartverbauungen mit Steinen und Beton, welche im Objekt- und Hochwasserschutz Einsatz finden. Der Grund liegt in ihrer effizienten Funktionsweise als Ufer- und Sohlensicherung mit begrenzter Lebensdauer, wodurch sich der Bachlauf über die Jahre wandeln kann. Zudem bieten sie gleichzeitig sofortigen Lebensraum, Futtergrundlage und Prädationsschutz für Wasserorganismen. Grundsätzlich kommt dem «Faktor Holz» als gestaltendes Element und Katalysator für Artenreichtum im Gewässer eine enorme Bedeutung zu. Die meisten Fischer wissen um die magische Anziehung auf Fische (aber auch auf Krebse) von Holz im Bach.
Stillgewässer schaffen
Nicht nur Wasserorganismen geraten unter Druck durch die vielfältigen anthropogenen und klimatischen Auswirkungen auf unsere Gewässersysteme. Besonders gefährdet sind Tiere wie Amphibien und Libellen, welche je nach Entwicklungsstadium auf unterschiedliche Biotope an Wasser und Land angewiesen sind. Stillgewässer in Form von Altläufen, Tümpeln oder temporär überfluteten Senken kommen natürlicherweise fast ausschliesslich entlang dynamischer Gewässer vor und sollten daher fester Bestandteil von Revitalisierungskonzepten sein, damit Laubfrosch, Gelbbauchunke und Mosaikjungfer ebenfalls davon profitieren können.
Ökologische Begleitstrukturen
Um den Gewässerraum auch für landlebende Kleintiere vielfältiger zu gestalten, dürfen terrestrische Strukturelemente nicht fehlen. Diese lassen sich in den meisten Fällen mit anfallendem Material der ehemaligen Bachverbauung erstellen und so können damit auch Entsorgungskosten eingespart werden. So lassen sich bspw. mit Mellonsteinen (typischer Bachverbau im Mittelland) tolle Steinlinsen oder Mauergebilde formen, welche besonders für Reptilien von Wert sind. Rundholze aus dem Längsverbau, Astmaterial oder Wurzelstöcke lassen sich zu Haufen und Beigen aufschichten und ergänzen das Angebot an ökologischen Nischen. Eine gute Besonnung, der Einbau von Hohlräumen (für Kleinsäuger wie Hermelin) und die Vermeidung von Staunässe erhöhen den Wert von Elementen, wobei der Kreativität grundsätzlich keine Grenzen gesetzt sind.
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