18 | 01 | 2017 | Reisen | 0 | 8211 |
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Im Mekka der Muskie-Fischer
In Nordamerika ist alles ein bisschen grösser. Das gilt auch fürs Fischen. Boote, Angelgerät und nicht zuletzt auch die Fische. Entsprechend ist die Königsdisziplin der US-Spinnfischer das Muskie-Fischen. Der «Fisch der 10?000 Würfe» hat in den USA ein eigentliches Hauptquartier: die Chippewa Flowage in den Wäldern von Nord-Wisconsin.
«50 Inches» ist die lapidare Antwort auf die Frage nach dem Mindestmass. 50 Inches, das sind 127 Zentimeter! Hier meint man es offensichtlich ernst. In den Bars rund um die Chippewa Flowage hängen die Trophäen gleich reihenweise an der Wand, allesamt Muskies zwischen 120 und 130 Zentimeter. Wir spülen uns den ersten Eindruck mit einer «Bloody Mary» runter, die mit Würstchen, Essiggurke und einem kleinen «Seiten-Bier» serviert wird. Es läuft American Football auf Grossbildschirmen und auf den Parkplätzen reiht sich Pick-up an Pick-up.
Ein grosses Gewirr von Inseln, Buchten, Sandbänken und versunkenen Baumstämmen liegt vor uns und wir haben für die nächsten vier Tage nichts anderes als Fischen vor. Die Chippewa Flowage, die einfach «Chip» genannt wird, ist wirklich gross. Rund 59 Quadratkilometer wurden hier im Jahr 1923 gestaut und haben eine bemerkenswerte Topografie. Es gibt wenige grosse Wasserflächen und dafür unzählige verwinkelte Flachwasserbereiche und geschützte Buchten. Der See ist durchschnittlich etwa sechs Meter tief und jeden Winter meterdick gefroren.
Bereit für den Rekord-Fisch
Im kleinen Hafen des «Treeland Resorts» findet sich ein beeindruckendes Arsenal von Fischerbooten. Aussenborder mit 150 PS sind üblich und die Feumer auf den Muskie-Booten sind gross genug, um ausgewachsene Fischer aus dem See zu holen. Hightech-Navigationselektronik, blitzsauber geputzte Aussenwände und modernste Elektro-Motoren; die Fischerei geniesst einen sehr hohen Stellenwert und ist «Big Business» in Wisconsin. Unser gemieteter «Pontoon», ein in den USA sehr verbreitetes Floss-Boot, hat immerhin einen 40-PS-Aussenborder.
Das Fischen auf Muskie wird auf der «Chip» mit Leidenschaft betrieben und der Befischungsdruck ist zuweilen unglaublich hoch. Jede Bucht in Nähe der grossen Bootslandungsplätze wird täglich befischt, die Fische müssten hier eigentlich das Angebot ganzer Fischerläden auswendig kennen. Zum Glück gibt es nicht nur ein paar Buchten, sondern tausende Ecken und Kanten, an denen die Muskies stehen könnten...
Der Mythos von 1949
Die grosse Anziehungskraft dieses Gewässers gründet auf einem Mythos. Und dieser hats in sich: 32 Kilo Gewicht bei einer sagenhaften Länge von 162 Zentimeter gelten bis heute als Weltrekord. Der Riesenfisch wurde anscheinend im Oktober 1949 von einem gewissen Louie Spray gefangen, nur gerade drei Wochen nachdem am benachbarten Lac Courte Oreilles ein Rekordfisch vermeldet wurde. Das ausgestopfte Original war in einer lokalen Bar zu sehen, die in den frühen 1960er-Jahren niederbrannte. Ob diese Fische tatsächlich so gross waren, darf bezweifelt werden. Die in der Nähe gelegene Fischer-«Hall of Fame» zeigt keine Replika des Rekordfischs, und in der offiziellen IGFA-Weltrekordliste ist aktuell der «kleinere» der beiden 1949er-Muskies aufgeführt. Wie auch immer: Fische, die in etwa solche Ausmasse haben, sind verbürgt und der Bann der «Chip» ist ungebrochen. Jedes Jahr geben sich hier die grössten Cracks der Szene auf dem Wasser und am Tresen ein Stelldichein.
Erste Versuche
Wir lassen uns von der Konkurrenz nicht entmutigen und versuchen es am ersten Nachmittag aufs Geratewohl in einer flachen Bucht. Im Zickzack gleitet mein Jerkbait knapp unter der Oberfläche hin und her. Wie ich den Köder einige Meter vor dem Boot das erste Mal sehe, stockt mir der Atem; tatsächlich folgt ein Muskie meinem Köder! Der Fisch, der wohl einige Zentimeter über der Metermarke misst, bleibt stehen, mein Köder wackelt, er folgt ihm nochmals und nähert sich auf höchstens 30 Zentimeter. Das Adrenalin jagt mir durch die Adern. Es folgt eine falsche Bewegung – weg ist er. Trotzdem. Jetzt mangelt es weder an Motivation noch Zuversicht.
Am nächsten Spot, einer grösseren Krautbank vor dem offenen Wasser: Auswurf des Jerkbaits und keine zwei Sekunden später knallt es an der Oberfläche! «Fish on! Yesss!» Was ich dann einkurble fühlt sich wie ein Sack an – zum Vorschein kommt ein kaum halbmetriger Hecht mit einem grossen Kranz Seekraut. Der Spott ist mir sicher ...
Professionelle Unterstützung
Für den nächsten Morgen haben wir Muskie-Guide Chuck Roehl engagiert. Kurze Zeit später rasen wir mit Vollgas durch die Nebelschwaden, die über dem spiegelglatten See hängen. Durch die Bäume drücken die ersten Sonnenstrahlen, die Luft ist kalt und frisch. Nach einer kurzen Einführung in das Werfen mit dem schweren Geschirr wird geworfen, was das Zeug hält. Es sind eigenartige Köder mit ausgefallenen Namen: Bucktail, Cowgirl, Hellhound, Suick. Nach jedem Wurf wird die «Figure 8» gemacht: Ist das Vorfach an der Rutenspitze angelangt, taucht man eben diese ins Wasser und zeichnet eine grosse Acht, dies nach jedem Wurf mindestens einmal. Zwei Drittel der Bisse würden genau während der «Figure 8» kommen, meint Chuck, da die Muskies die Angewohnheit haben, dem Köder bis unters Boot zu folgen. Es soll ein erfolgreicher Morgen werden: Neben zwei gefangenen Muskies um die Metermarke können wir noch drei «Followers» verzeichnen, die erst kurz vor dem Boot abdrehen. Chuck behandelt die gefangenen Muskies absolut vorbildlich, sein Umgang zeugt von grossem Respekt und einer tiefgreifenden Faszination. Überhaupt ist hier das Catch&Release perfektioniert; eine doppelseitige Anleitung zum richtigen Muskie-Handling liegt in jedem Gästehaus auf.
Crappies und Bluegills
Das Werfen mit schweren Ködern ist eine anstrengende Sache und so stellen wir am Nachmittag mit leichtem Gerät den Bluegills und Crappies nach. Bluegills sind nahe Verwandte des Sonnenbarschs und ein sehr beliebter Speisefisch in Nordamerika. Ebenfalls zu den «Pfannenfischen» gehört das Crappie, ein räuberischer Schwarmfisch. Sind diese beiden Arten mal lokalisiert, ist mit dem Zapfen oder der DropShot-Montage eine hervorragende Fischerei möglich. Immer wieder driften wir über die Stelle, die uns ein nordamerikanischer Seetaucher, der sogenannte Loon, durch seine Jagd verraten hat, und fangen uns in kürzester Zeit unser Nachtessen. Bereits beim Biss weiss man, mit wem man es zu tun bekommt; auf ein einfaches, trockenes «Tock» folgt jeweils ein Crappie, bei ganz schnell aufeinanderfolgenden Zupfern ist ein Bluegill am Werk.
An den darauffolgenden Tagen wechseln wir unsere Taktik des öfteren und sind auf fast jede erdenkliche Art erfolgreich. Zwar landet nur noch ein Muskie von gut 80 Zentimeter im Netz, doch das Fischen mit Oberflächen-Ködern auf den Largemouth-Bass und die zahlreichen «Northerns» wie die Hechte hier genannt werden, wird immer wieder mit spektakulären Bissen belohnt. Und auch wenn die Amerikaner meist anderer Meinung sind: Bass und Northern schmecken hervorragend!
Infos
Das Fischen in Wisconsin erfordert eine Lizenz, die bei der lokalen Vertretung des DNR oder online unter dnr.wi.gov erworben werden kann und für den gesamten Bundesstaat gültig ist. Damit können über 7000 (!) Seen befischt werden.
Auf der Webseite www.chippewaflowage.com findet sich eine gute Übersicht über die zahlreichen Unterkünfte der Region.
Die Anreise empfiehlt sich über den internationalen Flughafen von Minneapolis-St.Paul.
Öffentliche Verkehrsmittel sind in dieser Region nicht vorhanden, ein Mietauto ist daher unumgänglich.
Englisch-Kenntnisse werden vorausgesetzt, in Wisconsin wird generell nur Englisch gesprochen.
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