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Kleine Pegelschwankungen – Hydrofibrillation
«Schwall und Sunk» ist ein bekanntes und oft diskutiertes Problem an Fliessgewässern, die von einer starken Turbinentätigkeit betroffen sind. Dazu gehört beispielsweise der Alpenrhein. Doch dieses Phänomen tritt an vielen Fliessgewässern auch in weniger ausgeprägten Formen auf, die sogenannte «Hydrofibrillation». Fischereiökologe Clemens Ratschan hat sich damit befasst.
Wie in der Schweiz sind etliche grosse Flüsse im österreichischen Alpenraum durch alpine Speicherkraftwerke von Schwall und Sunk betroffen. Clemens Ratschan hat sich mit einem weniger bekannten Phänomen auseinandergesetzt: Abflussschwankungen, die abseits dieser Schwall-Strecken auch in vielen anderen Fliessgewässern auftreten und oft durch Kleinwasserkraftanlagen verursacht werden. Meist handelt es sich dabei um wiederkehrende, rasche Wasserstandsänderungen in einem geringen Umfang von Zentimetern bis zu wenigen Dezimetern.
Ausprägung natürlicher und künstlicher Wasserstandsschwankungen
Wasserstandsschwankungen treten an Fliessgewässern auch natürlicherweise auf. Diese normalen Schwankungen lassen sich wie folgt charakterisieren:
- Während der Nieder- und Mittelwasserphasen treten kaum kurzfristige Schwankungen auf.
- Bei Schmelzwasserereignissen nur langsame Schwankungen.
- Bei Regenereignissen teilweise rasch ansteigende Wasserstände, die danach flach abklingen. Diese ergeben typische Anlauf- und Ablaufkurven (siehe Illustration).
- Positive Wechselbeziehung von Abfluss und Wasserstand (steigender Abfluss bewirkt steigenden Wasserstand; in durch Stau beeinflussten Gewässern ist das nicht notwendigerweise so).
Es kann aus natürlichen oder durch den Menschen verursachten (anthropogenen) Gründen zu Abflussschwankungen kommen. Diese können einander auch überlagern und sind manchmal schwer unterscheidbar. Allerdings gibt es Indizien:
- Flussaufwärts gelegene Pegelstellen zeigen festgestellte Änderungen nicht: ein Hinweis
auf anthropogene Gründe. - Schmelzwellen treten gebietsweise nur zu gewissen Jahreszeiten auf und zeigen im Tagesverlauf regelmässige Muster.
- Wenn Schwankungen unabhängig vom aktuellen Wetter auftreten.
- Natürliche Abflussschwankungen weisen in der Regel deutlich geringere Änderungsgeschwindigkeiten als viele anthropogene Abflussschwankungen auf.
Auswirkungen
Fliessgewässerorganismen haben sich an natürliche Abflussschwankungen angepasst. Doch die menschengemachten Schwankungen treten intensiver und häufiger auf, sodass es dennoch zu Beeintra?chtigungen kommt. Aus fischökologischer Sicht wohl am bedeutendsten ist das Stranden von Larven und Jungfischen. Juvenile vieler Arten bevorzugen die von Sunkerscheinungen betroffenen seichten Uferzonen. Das betrifft auch die Fischnährtiere und Kleinfischarten. Zudem treten in alpinen Gewässern im Winter natürlicherweise konstante Niederwasserphasen auf. Kommen zu dieser Zeit künstliche Abflussschwankungen vor, werden Feinsedimente und organische Partikel mobilisiert und beeinträchtigen insbesondere die Vermehrung der Salmoniden, deren Eier und Larven im Kies erstickt werden.
Auch in der Schweiz
Im Rahmen der Sanierung «Schwall und Sunk» des Bundes wird die Hydrofibrillation bislang kaum berücksichtigt. Doch es gibt auch in der Schweiz auf Hydrofibrillation untersuchte Gewässer. Dazu zählen die Limmat und Aare ab Bielersee, wo die festgestellten Abflussschwankungen grossmehrheitlich durch die Aktivität der Kraftwerke verursacht werden. Es ist schwierig, die betroffenen Kraftwerke bezüglich der kleineren Pegelschwankungen in die Pflicht zu nehmen. Allerdings ist festzuhalten, dass man sich auch vonseiten der Kraftwerke darum bemüht, Schwankungen zu vermeiden.
In Österreich stellt Ratschan fest: «Häufig wissen die Kraftwerkbetreiber nicht einmal, dass sie solche Erscheinungen auslösen, geschweige denn, dass diese ökologisch schädlich sind.» Interessanterweise haben die Österreicher häufiger bei neueren Kraftwerken ein intensives Hydrofibrillieren beobachtet als bei älteren Anlagen, deren Steuerung vermutlich träger reagiert. Das Phänomen ist energiewirtschaftlich meist nicht von Vorteil oder wirkt sich sogar nachteilig auf die Stromproduktion aus. Eine Beseitigung eines solchen Problems kann also sogar eine Win-win-Situation zwischen Fischerei, Ökologie und Wasserkraft darstellen. Eine Kontaktaufnahme mit den verursachenden Betreibern ist daher sinnvoll.
Was tun?
Was kann man tun, wenn man den dringenden Verdacht oder konkrete Beobachtungen zu Hydrofibrillation an einem Gewässer hat? Ist ein offizieller Messpegel vorhanden, können Pegelschwankungen fotografisch festgehalten werden. Zu beachten ist, dass grosse Messintervalle von 1 Stunde ungeeignet sind. Auch Intervalle von 15 oder 5 Minuten können die kurzfristigen Wasserstandsschwankungen nur beschränkt ermitteln. Für eine aussagekräftige Dokumentation sind zeitlich hochauflösende Messungen im Minutenbereich über längere Zeiträume notwendig. Sinnvoller ist es dann, ein fachkundiges Büro mit einer professionellen Messung, Darstellung und Interpretation der Wasserstandsschwankungen zu beauftragen. Damit kann eine gute Grundlage für die Diskussion mit Kraftwerksbetreibern und zuständigen Stellen gewonnen werden.
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