Legendärer Abendsprung – ein magisches Erlebnis
21 | 05 | 2025 PraxisText: Hansjörg Dietiker 0127
21 | 05 | 2025 Praxis
Text: Hansjörg Dietiker 0 127

Legendärer Abendsprung – ein magisches Erlebnis

Ich denke, dass ich dank des Abendsprungs zum «angefressenen» Fliegenfischer wurde. Er verzeiht manchen Anfängerfehler und beschert dem Forellenfischer wahre Sternstunden. Leider wiederholt sich das abendliche­ Steigen wegen des eindrücklichen­ Insektenrückgangs nicht mehr so oft wie früher.


Die Faszination des Abendsprungs liegt einerseits in der Menge Fische, die sich beim Einnachten an den abtreibenden Insekten gütlich tun. Anderseits aber auch in der Tatsache, dass sich auch grössere, erfahrene Forellen aus ihrem Versteck wagen, um sich ein paar Proteinhappen zu holen.

Für viele Fliegenfischer ist das abendliche Steigen die wichtigste Periode des Tages, vor allem während den Sommermonaten. Und weil der sogenannte Abendsprung nicht mehr so oft vorkommt wie in früheren Jahren, gilt es, einige Regeln zu beachten.

 Dunkle Köcher­fliegen­imitate sind oft das Mittel der Wahl im letzten Tageslicht. © swissflies.ch

Dunkle Köcher­fliegen­imitate sind oft das Mittel der Wahl im letzten Tageslicht. © swissflies.ch


Das Lehrgeld

Als ich 1971 das erste Linthkanalpatent kaufte, vermochte ich nicht manche Forelle zu überlisten, obwohl es damals ja noch von Fischen wimmelte in diesem Gewässer. Das lag nicht nur an meinen bescheidenen Angeltechnikkenntnissen, sondern auch daran, dass ich als junger Familienvater zeitig wieder zuhause sein wollte. Dann erzählte mir ein Kollege, dass er abends mit der Fliegenrute Forellen fange. Und das wollte ich natürlich auch, umso mehr als er mir drei «fängige» Fliegen in die Hand gedrückt hatte. Also wartete ich die Abenddämmerung ab und servierte diese «tödlichen» Sedges, indem ich sie wie empfohlen dreggen liess. Aber keine Forelle interessierte sich für meinen Köder. Enttäuscht packte ich meine Sachen zusammen und fuhr frustriert nach Hause.

Das zweite Mal kam ich verspätet ans Gewässer. Bis ich mein Gerät eingerichtet hatte, sah man praktisch nichts mehr, was mir beim Anbinden von Vorfach und Fliege einige Mühe bereitete. Dafür hörte ich in der abendlichen Stille das Schmatzen der Forellen; nur ein paar Meter unterhalb meines Standorts. Und tatsächlich gelang mir dann mein erster Abendsprung-Fang. Ich liess die lockere Schnur abwärts treiben Richtung der steigenden Forellen und bremste sie dann zwischen Zeigefinger und Daumen zum Dreggen. Anbiss!

Eine Adrenalin treibende Fischerei! Nach Schnurverwicklungen, Vorfachbrüchen und Fliegenverlusten, lernte ich mein Gerät besser für das nächtliche Fischen vorzubereiten. Ich fischte mit kürzerem Vorfach als tagsüber, verwendete eine etwas dickere Spitze und knüpfte als Springer eine zweite Fliege ein. Die Fangquote stieg. Und im August gelang mir dann sogar der Fang einer fast halbmetrigen Forelle! Fortan schwor ich auf den «Abendsprung».

 Wer beim Abendsprung das passende Angebot präsentiert, kann mit zahlreichen Fischen im Feumer rechnen. © André Suter

Wer beim Abendsprung das passende Angebot präsentiert, kann mit zahlreichen Fischen im Feumer rechnen. © André Suter


Hektik ist vorprogrammiert

Dann wechselte ich als Fliegenfischer an Thur und Töss. Hier kommt man tagsüber mit der Trockenfliege nur mit einer einwandfreien Präsentation zum Erfolg. Aber natürlich suchte ich wieder den aufregenden Abendsprung. Manchmal dauerte der Spuk ja nur wenige Minuten. Also galt es, diese zu nutzen. Ich lernte, ein zweites Vorfach mit angebundener Fliege bereit zu haben, denn es ist bei Dunkelheit in der Eile einfacher, ein Vorfach an die Fliegenschnur zu knoten, als kleine Fliegenösen zu finden und «blind» Knoten zu machen. Manchmal nahm ich sogar eine zweite wurfbereite Rute mit.

Und ich erprobte bei Tageslicht die Distanzen zum gegenüberliegenden Ufer. Testete, wie und wann die Fliege dreggte. Denn obwohl der Abensprung den einen oder anderen Präsentationsfehler verzeiht und die Forellen in der Dunkelheit weniger scheu sind, muss die dreggende Fliege am richtigen Ort furchen. Wenn in Wurfdistanz mehrere steigende Fische wahrzunehmen sind, verfällt man schnell einmal in Hektik und macht Fehler. Ich erlebte manche Sternstunde, aber ebenso viele Enttäuschungen, weil ich nicht die richtige Fliege an den richtigen Ort brachte oder weil der Abendsprung gar nicht stattfand …

 So wird die künstliche Köcherfliege furchend zum Fisch geführt.

So wird die künstliche Köcherfliege furchend zum Fisch geführt.

Aber wenn es rundum steigt und schmatzt, spielt auch die richtige Fliege eine entscheidende Rolle. Denn oft wird unser angebotenes Muster verschmäht. Mit einer (furchenden) Sedge ist man meistens auf dem richtigen Weg. Je dunkler der Abend, desto grösser die Fliege (bis Nr. 14). In seichten, ruhigen Strecken versuche ich mein Glück eher mit lichter gebundenen Mustern. In tieferen, rascher fliessenden Zügen gebe ich dichter gebundenen Sedges den Vorzug.

Eine verhängnisvolle Rolle kann beim Fliegenfischen die «Verwaltung» der eingezogenen Schnur spielen. Lässt man die eingezogene Schnur einfach auf den Boden oder ins Wasser fallen, rächt sich das beim nächsten Auswerfen oder Auslassen der Schnur. Grashalme, Ästchen oder Steine behindern Auswurf oder Ablauf. Da wird der vielversprechende Zielwurf zum Fehlwurf und der angeworfene Fisch wird in die Flucht getrieben. Oder die Fliege wird in der freien Abdrift zum Fisch im entscheidenden Moment gestoppt. Insbesondere beim Abendsprung ist es also Pflicht, die eingezogene Schnur in Klängen in der linken Hand aufzunehmen (für Linkshänder natürlich in der rechten …). Dadurch bleibt die Schnur hindernisfrei und kann beim Auswerfen und Abtreiben nach Belieben wieder frei gegeben werden.

Ein zusätzlicher Trick zeigte mir die berühmte amerikanische Fliegenfischerin Joan Wulff: Man nimmt die aufgenommenen Schnurklänge nicht zusammen zwischen Zeigefinger und Daumen, sondern verteilt jede Schlaufe zwischen die nächsten Finger. Damit erhält man eine bessere Kontrolle beim folgenden Wurf oder Abtreiben. Ich kann dann immer so viel Schnur freigeben wie erforderlich. Manchmal der entscheidende kleine Vorteil in der «Hektik» des Abendsprungs. Inzwischen gibt es auch sogenannte Halbautomaten, also leichte Fliegenrollen mit halbem Gehäuse und einem Hebel für das Einrollen der Schnur. Und wie in der letzten «Petri-Heil»-Ausgabe beschrieben, einen handlichen Schnurkorb, der die Schnurverwaltung prägnant erleichtert.

Viel Spass und Petri Heil bei Deiner nächsten abendlichen Pirsch!

 Zwischen jedem Finger verteilte Schnurklänge in der Hand.

Zwischen jedem Finger verteilte Schnurklänge in der Hand.

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