24 | 06 | 2016 | Praxis | 0 | 5755 |
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Schwergewichte an der Spinnrute
Jetzt im Frühsommer gibts unter Wasser wieder viel Leben. Nach einem entbehrungsreichen Winter und kühlen Frühling jagen die grössten Süsswasserfische unserer Breiten alles Fressbare, was vor ihre Mäuler kommt. Jetzt kommt die Zeit der Welsfischer, die auf das besondere Erlebnis aus sind. Zu kaum einer anderen Jahreszeit stehen die Chancen so gut, einen Wels mit der Spinnrute zu fangen.
An einem See in Norditalien erlebte ich eine Geschichte, die ich nie vergessen werde. Noch ist es kalt, der Morgentau hat unsere Schlafsäcke von aussen stark angefeuchtet. Aus dem offenen Zelt heraus können wir den spiegelglatten See und sein Ufer sehen. Wir beobachten eine Nutria, die sich durch das Dickicht ins Wasser drängt und die andere Uferseite ansteuert. Ein malerischer Morgen. Plötzlich wird die selige Ruhe gestört, das Wasser explodiert und die Nutria ist von einer auf die andere Sekunde verschwunden. Ein Tier von gut einem halben Meter und einigen Kilos wurde soeben von einem Wels attackiert. Mit grossen Augen schauen wir uns an und sind uns sicher: Das werden tolle Fischerferien!
Heisse Plätze im Flachwasser
An der Stelle, an der die Nutria attackiert worden war, war der See keinen Meter tief. Für viele meiner Fänge der letzten Jahre ist diese Situation charakteristisch. Die Welse suchen jetzt im Frühsommer gezielt flache Bereiche auf, um zu jagen. Es kostet Überwindung, systematisch Gewässerabschnitte mit weniger als eineinhalb Meter Wassertiefe zu befischen. Aber einige Indikatoren verdeutlichen, warum dies erfolgreich ist.
Es gibt keine anderen Monate im Jahr, in denen sich die Wassertemperatur so gravierend ändert wie jetzt. Die Sonnenstrahlen erwärmen zuerst die oberen Wasserschichten und die Flachwasserbereiche, bevor die tiefen Bereiche überhaupt Temperaturänderungen erfahren. Da warmes Wasser leichter ist als kaltes, findet in stehenden Gewässern keine vertikale Temperaturströmung statt. Die Folge ist eine ausgeprägte Temperaturschichtung mit auffälligen «Warmwasserbereichen» an der Oberfläche und in Flachwasserbereichen (siehe Zeichnung).
Achten Sie ausserdem auf den Wind. Suchen Sie Bereiche auf, in denen Ihnen der Wind ins Gesicht bläst. Durch den auflandigen Wind werden diese Bereiche zusätzlich erwärmt. In den warmen Flachwasserbereichen spriessen dazu die Wasserpflanzen, es wimmelt von Plankton – ein reich gedeckter Tisch für alle Fischarten.
Aktuell suchen noch die letzten Rotaugen und Co. die flachen Bereiche auf, um ihrem Laichgeschäft nachzugehen. Gesteuert durch den Fortpflanzungstrieb sind die Weissfische sorgloser im Hinblick auf die Raubfische. So sind die Flachwasserbereiche ein gutes Revier für alle Räuber. Am Ende der Pyramide steht der Wels – nein, der Fischer, der weiss, wo er erfolgreich dem Wels nachstellen muss.
Fänge in den Mittagsstunden
Die rasch steigenden Wassertemperaturen bringen den Stoffwechsel des Welses in Schwung und sorgen damit für einen steigenden Energieverbrauch. Aber nicht nur durch den erhöhten Stoffwechsel, auch durch den schon im Aufbau befindlichen Laich wird Energie benötigt. Wenn wir bedenken, dass ein Welsweibchen pro Kilogramm Körpergewicht rund 20 000 Eier mit einem Durchmesser von etwa 1,7 Millimeter produziert, können wir erahnen, wie viel Energie dafür benötigt wird. Da der Energiehaushalt der Welse über den Winter und in diesem doch recht kühlen Frühling auf Sparflamme lief, muss er nun in kürzester Zeit durch intensive Nahrungsaufnahme aufgefüllt werden.
Welse sind Nachträuber. Während des ganzen Jahres zählen die Dämmerungs- und Nachtphasen zu den fängigsten Zeiten. Im Frühsommer aber dürfen Sie den ganzen Tag über mit Bissen rechnen. Die potenziellen Beutefische und damit auch die Welse mögen die warmen Gewässerbereiche. Beute und Räuber teilen sich ihre Standplätze. Die Mittagssonne schafft es, die Wassertemperatur im Flachwasser um zusätzlich ein bis drei Grad Celsius zu erwärmen. Fischen Sie daher in der Mittagsonne die flachen Stellen und deren Übergänge zum Tiefen ab.
Dank der steigenden Wassertemperaturen nimmt auch die Vitalität der Welse wieder zu. Es ist deutlich zu spüren, dass die Fische mehr Kraft im Drill entwickeln.
Köder für Jäger
In der Regel gilt: Beim Spinnfischen gehen im Vergleich zum Grundfischen mit Wudie grössere Exemplare an den Haken. Dies ist auch wissenschaftlich erwiesen. Aus Studien über Mageninhalte geht hervor, dass Welse ab etwa einem Meter Länge ihre Jagdstrategien ändern. In den ersten Jahren gehören die kleineren Welse noch in die Kategorie «Sammler»: Sie ernähren sich hauptsächlich von Würmern, Krebsen und Schnecken. Erreichen sie die Metergrenze, so jagen sie aktiv Fische und Wirbeltiere. Ab diesem Zeitpunkt sind sie richtige «Jäger» geworden. Zwar sammeln einige Exemplare noch immer, aber die Hauptbeute sind nun Fische.
Da wir hauptsächlich im flachen Wasser fischen, benötigen wir leichte Köder. Schwere Köder würden nur am Boden schaben, wodurch die Bissausbeute deutlich reduziert wird. Auch sind oft weite Würfe nötig.
Form und Farbe entscheiden
Der Wels hat seine Jagdstrategie seinen Fähigkeiten angepasst. Er sieht zwar verhältnismässig schlecht, gleicht dies aber durch ausgeprägte Fähigkeiten in Bezug auf Geruch, Geschmack, Gehör und Seitenlinienorgan aus. Zudem besitzen Welse Elektrorezeptoren, mit denen sie ihre Beutetiere zusätzlich orten können. Unser Köder sollte also eindeutig stimulierende Signale in Form von deutlichen Druckwellen aussenden.
Gute Flugeigenschaften bei leichtem Gewicht und das Aussenden starker Druckwellen sind die Eigenschaften eines Löffels. Hechtlöffel zwischen 30 und 45 Gramm Gewicht sind ideal, jedoch sind zwingend die schwachen Sprengringe und Drillinge gegen stabilere Komponenten auszutauschen. Sind keine weiten Würfe nötig, können auch Twister oder grössere Gummifische mit grossem Schwanzteller eingesetzt werden.
Das Thema Farbe spielt beim Welsfischen zwar eine untergeordnete Rolle, kann aber unter Umständen ausschlaggebend sein. Es ist biologisch erwiesen, dass der Wels Farben anders wahrnimmt als der Mensch. Die Farberkennung erfolgt durch sogenannte Rezeptoren, die auf der Netzhaut sitzen. Wir Menschen haben als Rezeptoren Stäbchen und Zapfen. Die Stäbchen sorgen für die Wahrnehmung eines Hell-Dunkel-Kontrasts, die Zapfen sorgen für die Farbwahrnehmung. Und genau diese Zapfen fehlen beim Wels. Er hat aber Stäbchen. Aus der Sicht des Menschen ist er sozusagen farbenblind, kann aber sehr wohl Kontraste wahrnehmen. Aufgrund dieses Wissens fische ich gerne mit dunklen bis schwarzen Ködern bei klarem Wasser und Wetter. In der Dämmerungsphase bevorzuge ich helle Köder. Vielleicht ist es nur Einbildung, aber ich habe das Gefühl, dass dies kleine Unterschiede macht und unter Umständen den entscheidenden Biss bringen kann.
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