Wasserland Schweiz?
16 | 05 | 2012 SchweizText: Daniel Luther 05211
16 | 05 | 2012 Schweiz
Text: Daniel Luther 0 5211

Wasserland Schweiz?

Die neue Schweizer Tourismuskampagne gibt der Diskussion um die Wassernutzung eine erfrischende neue Dimension und sie wirft viele Fragen auf.

Ich freute mich, als ich davon erfuhr. Schweizer Wasser und Gewässer im Zentrum einer aufwändigen Werbekampagne.

Das klingt nach neuen Möglichkeiten, nach mehr Aufmerksamkeit für unsere Anliegen. Denn Tourismus setzt auf intakte Natur oder zumindet auf attraktive Kulissen.


Natürlich ist mehr wert!

Ich habe mir unlängst die spannende Aussage eines fronterfahrenen Gewässerschutzaktivisten notiert, jetzt passt sie perfekt: «Wird ein Kraftwerkprojekt angekündigt, mach zuerst viele schöne Bilder. Wenn dein Bach oder Fluss erst mal fotogen im Tourismus-Prospekt sprudelt, dann hast du starke Argumente!»

Dieses Rezept lässt sich nun auf nationaler Ebene testen, dank der Werbekampagne «Wasserland Schweiz» von Schweiz Tourismus. Fast 50 Millionen Franken sollen investiert werden in die internationale Medienoffensive.

Es gilt die gefährdete Sommersaison 2012 zu retten. Frankenstärke, Wirtschaftskrise und Imageprobleme sind bittere Pillen. Dank Schweizer Wasser sollen sie sich nun besser schlucken lassen…

Unabhängig von der Diskussion über den Nutzen der Kampagne, lässt sich festhalten: Wasser, insbesondere das möglichst malerisch und natürlich talwärts fliessende, ist plötzlich deutlich wertvoller als sein Kilowattstunden- oder Kubikmeterpreis.

Eine ausladende Flusskurve mit alten Bäumen macht sich im Prospekt offensichtlich besser als ein monotoner Betonkanal. Gewässerraum ist eben nicht einfach Fruchtfolgeflächenverlust. Wer Wasser verkaufen will, braucht schönes Wasser und genug davon! «Wasserland Schweiz» ist deshalb buchstäblich Wasser auf unsere Mühlen. Der Mensch schützt, was ihm nützt.

Die politische Ausgangslage scheint viel versprechend. Ist es eine Steilvorlage oder sogar ein Penalty? Wer aus unserer Mannschaft hats schon gemerkt? Wer wird ihn versenken?


Fischen in der Schweiz?

Die offizielle Broschüre «Top 150 Wassererlebnisse» von Schweiz Tourismus ist «randvoll» mit appetitlichen Bildern von wasserführenden Wildbächen, romantischen Flussufern und tiefblauen Bergseen. All die schimmernden, funkelnden, verheissungsvollen Wasserflächen sind werbewirksam dekoriert mit Kajaks, Pedalos, Segelbooten und Dampfschiffen.

An den vorwiegend naturbelassenen Ufern der angepriesenen Gewässer vergnügen sich Badende, Spaziergänger, Wanderer, zur Abwechslung auch mal eine coole Jazz-Combo und selbstverständlich Kühe…

Fischer oder Fischerinnen sind hingegen partout nicht Teil der schönen neuen «Wasserwelt Schweiz»! Auf 120 Seiten und mehreren hundert Bildern ist tatsächlich nicht einmal der beim Wegretuschieren vergessene Schatten einer Rute zu erkennen. Fischen ist touristisch kein Thema!

Vor meinem geistigen Auge sehe ich einen frühpensionierten britischen Fliegenfischer die Broschüre zu Hand nehmen und kopfschüttelnd wieder weglegen: Gibt es keine Fische mehr in «good old Switzerland» oder wollen die alle nur für sich behalten?


Was läuft hier schief?

Ich stelle nüchtern fest: Für Schweizer Touristiker ist Fischen einfach nicht wichtig genug! Natürlich kann man das jetzt einfach als Ignoranz oder mangelnden Horizont von naturfremden Städtern abtun, aber vielleicht sind auch ein paar (selbst-)kritische Fragen angebracht.

Die Schweiz gilt als Wasserschloss Europas. Mit fast 100000 Kilometer Bächen und Flüssen und mehreren tausend Seen in idyllischer Landschaft ist die Schweiz grosszügig von der Schöpfung gesegnet worden. In unseren Breiten wäre ein ökologisch intaktes Gewässer zudem von Natur aus enorm fischreich und der Alpenraum ist die natürliche Heimat weltweit begehrter «Sportfische» wie Forelle, Saibling und Äsche.

Gewiss schwindet beim durchschnittlichen Binnenlandbewohner mit zunehmender Distanz zur Küste die Begeisterung für Fischereiliches. Bei aller Leidenschaft, die Sie und ich dafür empfinden, unser Hobby ist in der Schweiz realistisch betrachtet eine Randgruppenaktivität.

Geschäftstüchtig, wie wir uns gern selber sehen, wäre allerdings zumindest zu erwarten, dass wir versuchen unseren fischereibegeisterten Gästen ein attraktives Angebot zu machen.


Angebot und Nachfrage

Das Problem liegt beim Begriff «attraktiv». Ich formuliere es mal provokativ hart: Die Schweiz hat ihre natürlichen Gewässer und Fischbestände so stark geschädigt, dass es heute nicht lohnend erscheint, daraus ein international vermarktbares Angebot zu machen. Zumindest, wenn man als Massstab den Fang möglichst vieler und kapitaler Fische nimmt.

Aber vielleicht könnte man der internationalen Kundschaft ja auch das guteidgenössische Genussfischen schmackhaft machen: Mit der Rute in der Hand die Landschaft bewundern und die frische Luft geniessen, anstossen mit einem feinen Tropfen, dann ein Znüni und sich über jeden Fisch freuen, der den Weg in den Feumer findet, oder auch nicht...


Fantasie(r)en

Was aber wäre, wenn der Schweizer Tourismus das Fischen als Thema entdecken und sich unsere Gäste tatsächlich für Saiblinge, Felchen, Äschen und Forellen interessieren würden? Würden wir Einheimischen das überhaupt wollen? Stichwort Ventilklausel.

Da ich jetzt gleich mit Fantasieren anfange, setze ich mal ein herzliches, gastfreundliches Ja voraus. Und wenn wir nun die Augen schliessen und uns die Schweiz als Fischerziel Nr.1 in Mitteleuropa vorstellen, dann…

Ja, dann wäre der Anreiz für attraktive Fischbestände und zufriedene Kunden grösser, dann wären selbst subventionierte Kleinkraftwerke nicht mehr konkurrenzfähig, dann würden Fischereibehörden aufgewertet und erhielten mehr Mittel, dann wäre Guiding eine Berufschance, dann könnten sich der Schweiz. Fischerei-Verband und seine Mitglieder über Touristengebühren finanzieren, dann müssten tausende Schweizer Petrijünger nicht anglerisches Asyl in Österreich und weiter weg suchen, dann gäbe es eine Tourismus-Broschüre «150 Fischertipps», dann dürfte man überall ungeniert mit Wathosen einkehren, dann würde «Petri-Heil» eine englische Ausgabe drucken, oder doch eher eine chinesische …?

Falls Sie auch Tourismus-Fantasien oder noch besser einen Plan zu Ihrer Verwirklichung haben, schreiben Sie uns auf onlineredaktion@petri-heil.ch.

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