Angeln mit gutem Gewissen
04 | 09 | 2020 Praxis | DiversesText: Tomasz Sikora 25107
04 | 09 | 2020 Praxis | Diverses
Text: Tomasz Sikora 2 5107

Angeln mit gutem Gewissen

Was bedeutet nachhaltiges Fischen? Welche Methoden kann man heutzutage mit gutem Gewissen anwenden? Und bei welchen Fischarten ist besondere Vorsicht erforderlich? «Petri-Heil»-Mitarbeiter Tomasz Sikora hat sich mit diesen Fragen auseinandergesetzt.


Wer die Begriffe Überfischung oder nachhaltige Fischerei hört, denkt wohl zunächst an die Überfischung der Meere. Mit gutem Grund: Gemäss der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO sind rund die Hälfte der Fischbestände in den Weltmeeren überfischt. Das Problem beschränkt sich aber nicht nur auf die Meere. Auch bei uns sind die Fischbestände nicht unerschöpflich. In der Schweiz sind insbesondere die Forellenfänge in den letzten Jahrzehnten markant zurückgegangen.

Wie das Wasserforschungsinstitut der ETH (EAWAG) kürzlich gegenüber «Petri-Heil» erklärte, ist für den Bestandesrückgang der Forellen in den letzten Jahrzehnten ein Mix aus verschiedenen Faktoren verantwortlich. Auch der Angeldruck ist ohne Zweifel ein wichtiger Faktor. Mit diesem Artikel soll auch auf einen kürzlich auf der Redaktion eingegangenen Leserbrief geantwortet werden. Der Leser wollte von der Redaktion wissen, wie möglichst nachhaltig gefischt werden kann, also welche Tiere man möglichst freilassen sollte und welche besonders wertvolle Laichtiere sind. 

 
Sinnvolles Zurücksetzen

Die Antwort fällt differenziert und stufenweise aus. Zunächst gilt es zwischen Fliessgewässern und Seen zu unterscheiden. Das hat einen ganz simplen Grund: Am Fliessgewässer kann man kaum an den Fischen vorbeiangeln. Wenn die Fische in Beisslaune sind, wird man sie aller Wahrscheinlichkeit nach auch fangen. In Seen ab einer gewissen Grösse sind die Fische oft so verteilt, dass man sie manchmal gar nicht erst findet – zu gross ist die abzusuchende Wasserfläche. 

Weiter spielt es eine Rolle, um welche Fischart es geht. So ist der Egli ein regelrechter «Unkrautfisch», der mit Ausnahme von schnell fliessenden Gewässern kaum irgendwo fehlt und auch alles andere als gefährdet ist. Das Gleiche gilt beispielsweise für Weissfische, Hechte oder auch Welse. Diese Fische können in aller Regel bedenkenlos entnommen werden, da ihre Bestände nicht gefährdet sind. Auch das Geschlecht der Tiere spielt eine Rolle. Weibchen – insbesondere grössere – sind jene Tiere, welche den grössten Beitrag für den Erhalt des Bestands leisten. Besonders bei grösseren Rognern gilt also, sofern sie unverletzt sind, dass man sich eine Entnahme gut überlegen sollte. 

Lasst Euch nicht einreden, dass eine solches Zurück­setzen zum Zweck des Bestandserhalts illegal sei, denn das ist Unsinn. Der Bund hat diesbezüglich 2015 mit einer Vollzugshilfe Klarheit geschaffen. Die Fischerei mit der Absicht, jeden Fisch, den man fängt, zurückzusetzen (oft «Catch & Release» genannt) ist zwar verboten. Das fallweise Zurücksetzen von Fischen ist aber, besonders mit Blick auf ihren Wert für den Bestandserhalt, nach einer individuellen Abwägung des Fischers möglich und im Falle von gefährdeten Arten auch sinnvoll.

Wie gesagt gelten Forellen (ob nun im Bach, Fluss oder im See) oder auch Aale als gefährdete Fischarten. Ihre Fangzahlen sind in den letzten Jahrzehnten massiv gefallen. Hier gilt es, die Vollzugshilfe des Bundes gezielt zu nutzen und Fische selektiv zu entnehmen. Leider gibt es nach wie vor Fischer, bei denen noch nicht durchgedrungen ist, dass es bald gar keine Forellen mehr geben wird, wenn sie weiterhin so fischen, wie sie es seit Jahrzehnten tun. Ich habe selber Fischer angetroffen, die laut eigener Aussage enttäuscht sind, weil sie nicht mehr wie früher 500 Forellen pro Jahr aus dem Bach holen. Solche Aussagen können einen schon mal ratlos zurücklassen. 

 
Angelmethoden in der Nachhaltigkeitsübersicht

Bei den Überlegungen zur nachhaltigen Fischerei ist auch die Methode miteinzubeziehen. Egal für welche Methode man sich nun entscheidet: Wer zu filigran fischt, nimmt in Kauf, dass der Fisch nicht sicher gelandet werden kann und eventuell mit Köder und Haken im Maul qualvoll verendet. Das Fischen mit Wurm oder Bienenmade ist insbesondere bei der älteren Generation nach wie vor populär. Fischen mit Naturködern birgt aber wie keine zweite Methode die Gefahr, dass die Köder tief geschluckt und damit Fische verangelt werden. Das kann zu einem gewissen Grad mit einer aufmerksamen Fischerei und schnellem Anhieb verhindert werden. Manchmal inhalieren aber Jungfische die präsentierten Naturköder derart gierig und kraftvoll, dass auch das schnellste Anschlagen eine Verletzung nicht verhindern kann. Auch die Wahl möglichst grosser Haken kann zur Verhinderung von Verletzungen beitragen, da diese in aller Regel nicht so tief geschluckt werden wie kleinere.

Als etwas weniger risikoreich kann das Spinnfischen eingeordnet werden. Auch beim Spinnfischen gilt, dass nicht zu fein geangelt werden sollte. Das hat nebenbei den Vorteil, dass die teuren Köder bei Hängern eher befreit werden können. Obwohl es immer wieder erstaunliche Ausnahmen gibt, gilt trotzdem die Regel, dass grös­sere Köder grössere Fische bringen. Beim Spinnfischen liegt es in der Natur der Sache, dass sofort angeschlagen wird. Das hat zur Folge, dass die Haken der Köder meistens im vorderen Maulbereich fassen und die Fische seltener Verletzungen erleiden. Leider werden auch Spinn­köder, die speziell für Forellen konzipiert sind, nach wie vor meistens mit Drillingen ausgeliefert. Das ist schade, denn Einzelhaken senken das Risiko für Verletzungen noch einmal beträchtlich. 

Und dann noch die Königsdisziplin: Das Fliegenfischen. Es gibt keine andere Methode, die so fischfreundlich ist. Die Köder sind mit Einzelhaken bestückt und es wird – egal ob bei der Trockenfliege, der Nymphe oder dem Streamer – sofort angeschlagen. Folglich gibt es bei dieser Angelmethode kaum Fische, die nach dem Fang so verletzt sind, dass sie nicht zurückgesetzt werden können. Manche Fischer setzen nicht zuletzt aufgrund dieser Punkte aufs Fliegenfischen. 

Zum Schluss noch ein Appell: Auch die Beachtung aller genannten Punkte bringt bei einem Zurücksetzen nichts, wenn die Fische nach dem Fang nicht richtig behandelt werden. Fische sollen, wenn überhaupt nötig, nur mit nassen Händen in Berührung kommen und nur kurz, und keinesfalls an der Schnur, aus dem Wasser genommen werden. Leider sieht man gegenteilige Beispiele – auch bei vermeintlichen Experten – immer noch viel zu oft. 

 

2 Kommentare


Marco

03 | 03 | 2021

Bravi è ora che si inizi a parlare anche di questi argomenti: rilasciare i pesci e soprattutto farlo nel modo corretto!
La maggior parte delle altre Nazioni l'ha già capito da un pezzo, mentre noi svizzeri siamo un po' lenti...


Max

14 | 04 | 2021

Interessant finde ich vor allem den Abschnitt über die Naturköder.
Ich teile da durchaus die Meinung des Autos.
Mich verwundert es daher immer wieder, dass die schweizerische Gesetzgebung im Bereich des Freiangelrechts aber ausdrücklich nur Naturköder zulässt.


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