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Alles, was kreucht und fleucht
05 | 02 | 2021 | Schweiz | Praxis | 0 | 20269 |
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Die Felchen unterteilen sich hierzulande in zahlreiche Unterarten, und mindestens so zahlreich wie die Felchenarten sind auch die Taktiken und Techniken der Schweizer Felchenfischer. «Petri-Heil» beleuchtet einige spannende Facetten.
Die Laichzeit und damit auch die kurze Schonzeit der Felchen ist vorbei, der Balztanz an der Oberfläche ist ausgetanzt und die Felcheneier sind auf den Seegrund gesunken, wo sich hoffentlich die nächste Generation gut entwickeln wird. Die Elterntiere streifen nun in den Weiten des Sees umher und warten auf den ersten Temperaturanstieg, der ihnen einen reich gedeckten Tisch verspricht. Zwar gibt es einige Freaks, die den Felchen durchaus erfolgreich fast das gesamte Jahr über nachstellen, doch vor allem im Frühling meinen es die Felchen gut mit den Fischern. Wenn die Seen spiegelglatt sind, die Sonne freundlich scheint und am Morgen die Bootsplanen voller Zuckmücken sind, gibt es für die Seefischer kein Halten mehr. Die Felchen haben sich jetzt in grossen Schwärmen auf den Felchenböden versammelt. Das sind Gebiete meistens in einer Tiefe von rund 20 Metern, wo sich just in dieser Zeit massenhaft Zuckmückenlarven aus dem Schlick graben und zur Oberfläche aufsteigen. Diese «Hot Spots» auszumachen ist ein Kinderspiel: Die Pulks von Fischerbooten verraten den Aufenthaltsort der Fische genau. Dieser Höhepunkt des Felchenjahres kommt fast immer, sobald der Frühling und mit ihm die Temperaturen im See etwas Fahrt aufgenommen haben. Wenig erstaunlich hat sich diese beste Zeit in den letzten Jahren kontinuierlich nach vorne geschoben.
Eine vielbesprochene Tatsache und Gegenstand eifriger Erforschung durch Fischbiologen ist die Felchenvielfalt in unseren Voralpenseen. Bisher sind rund 26 verschiedene Felchenarten in unseren Gewässern nachgewiesen worden, die sich an einen spezifischen Lebensraum angepasst haben. Die grösste Vielfalt wurde aktuell im Thunersee und Vierwaldstättersee festgestellt, mit je sechs verschiedenen Felchenarten sind sie schon fast so was wie der Viktoriasee des Nordens und bringen unsere Fischereibiologen ins Schwärmen. Die Vielzahl der Felchenarten erschliesst sich nicht auf den ersten Blick, entsprechend werden auch immer noch neue Arten entdeckt. Sie unterscheiden sich nach Lebensraum, Nahrungsaufnahme und Laichzeit und sind teils nur unter Zuhilfenahme eines Mikroskops bestimmbar. Felchen ernähren sich fast ausschliesslich von Zuckmückenlarven, Wasserflöhen, Flohkrebsen, Würmern, Eintagsfliegenlarven und anderen gerade zur Verfügung stehenden Kleinlebewesen. Ab und zu gönnen sich ausgewachsene Felchen auch mal einen Kleinfisch, so wird vereinzelt von Felchenbeifängen beim Dropshot-Fischen auf Egli berichtet. Während die einen schnellwachsend sind und nach sieben Jahren Längen von bis zu 70 Zentimeter erreichen können, gibt es natürlich auch kleinere Arten, die kaum je 30 Zentimeter schaffen. Im Gegensatz zum Egli werden die Felchen nicht besonders alt. Bereits nach sieben Jahren ist eine Generation nicht mehr in ihrem Gewässer anzutreffen.
Durch den erhöhten Nährstoffeintrag in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts und der Verschlammung von kiesigem Seegrund hat die Naturverlaichung stark gelitten, und mindestens sechs Felchenarten gelten inzwischen als ausgestorben. Seit dem Beginn der Nullerjahre sind die Angelfischerfänge aber stark angestiegen und haben über die ganze Schweiz betrachtet vor ein paar Jahren ihren (vorläufigen?) Höhepunkt erreicht. Dies kann sicher mit dem Anstieg der Wasserqualität in Verbindung gebracht werden, wobei die Gleichung «sauberes Wasser gleich viele Felchen» nicht ohne Weiteres aufgeht. Immer wieder waren Klagen der (Berufs-)Fischer vernehmbar, die Seen seien mittlerweile zu sauber und hätten zu wenig Nährstoffe, was zu einem drastischen Rückgang der Populationen führe. Und tatsächlich sind in den letzten drei, vier Jahren die Stückzahlen nun wieder merklich nach unten gegangen. Eine eindeutige Ursache dafür kann aber nicht genannt werden. Noch immer werden die Felchen teils intensiv bewirtschaftet, dies vor allem weil die Naturverlaichung auf den nach wie vor verschlammten Böden nicht zufriedenstellend funktioniert und andererseits die gezüchteten Felchenbrütlinge gut gedeihen. Zwar sind die meisten Angelfischer noch zufrieden mit ihren Felchenfängen, aber die Klagen der Berufsfischer sind immer deutlicher vernehmbar. Insbesondere am Neuenburgersee sind die Berufsfischerfänge rapide und dramatisch eingebrochen; am Bodensee verlief der Laichfischfang 2018 erstmalig in der Geschichte ohne Erfolg und die 2019er-Saison der Zürichsee-Berufsfischer wurde durch das «Wunder vom Zürichsee» gerettet: Wider Erwarten waren die Netze plötzlich wieder gut gefüllt. Auch der Laichfischfang 2020 am Bodensee ist zwar noch immer unterdurchschnittlich, wird aber doch als erfreulicher Lichtblick eingeschätzt.
Die Vorliebe der Felchen ist ein gern diskutiertes Fischerthema und die Auswahl an Hegenen-Variationen ist riesig. Dies nicht zu unrecht. Während die einen jahrein jahraus auf schwarzweisse Nymphen mit rotem Kopf schwören, haben andere ein ganzes Arsenal an allen erdenklichen Farben und entdecken jede Saison immer wieder neue besonders fängige Kombinationen. Ich kenne kaum eine Farbe, die noch nicht besonders fängig gewesen wäre, und auch keine Nymphenform. Und andererseits habe ich schon oft genug die Situation erlebt, wo alle einstigen Favoriten und Geheimtipps versagten und etwas völlig Neues Bisse brachte. Eine spannende Frage ist, inwiefern eine «Killer-Hegene» vom Bieler- oder Thunersee auch am Boden- oder Zürichsee erfolgreich ist: Eine Universalhegene wird wohl bei den meisten der 26 Felchenarten früher oder später Bisse bringen, doch die spezifischen Muster dürften an ihrem Heimgewässer für gewöhnlich erfolgreicher sein. Das hat wohl weniger mit den Unterschieden der Felchen selbst als mehr mit dem unterschiedlichen Nahrungsangebot zu tun: Am Zürichsee gibt es Tage, da fängt man nur Albeli, an den anderen ist das Verhältnis zwischen Felchen und Albeli ausgeglichen, und am häufigsten gibt es nur Felchen. Die Hegene ist dabei meistens die exakt gleiche.
Zumindest jetzt, zu Beginn der Saison, sind die feinen Unterschiede aber selten matchentscheidend. Solange man das Felchenfischen nicht mit dem Ehrgeiz eines Spitzensportlers betreibt, kann man sich nun einfach an einer kurzweiligen und ertragreichen Fischerei vor schönster Kulisse erfreuen. Fragen, ob man die Abstände zwischen den Haken jetzt besonders weit oder eng wählen soll, oder ob das Blei zuunterst oder zwischen dem vierten und dem letzten Haken montiert wird, sind noch nicht besonders wichtig.
Der Ehrgeiz des Felchenfischers erwacht für gewöhnlich nicht, wenn er allein irgendwo sein Glück mit den Felchen versucht, wohl aber mitten im Pulk der Boote. Hier kann man rund herum gut beobachten, wer gerade fängt. Und wenn bei einem selbst die Bisse ausbleiben, während andere die Rute wiederholt krumm haben, kommt plötzlich Unruhe auf und kleine Details kriegen eine vermeintlich unerwartete Bedeutung. Soll ich von zehn auf acht Gramm Blei wechseln, trotzdem eine Hegene mit Nachläufer montieren, die Hakengrösse wechseln, und überhaupt, stimmen die Farben? Wem dieser Wettbewerb im Bootspulk zu viel wird, hat übrigens auch abseits gute Erfolgschancen. Ich habe schon einige hervorragende Stellen aufs Geratewohl entdeckt, an denen ich nie zuvor Fischer gesehen habe.
Felchen ist nicht gleich Felchen
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