Grosser Happen [|] Grosse Beute
30 | 03 | 2022 PraxisText & Fotos: Alexander Keus 03999
30 | 03 | 2022 Praxis
Text & Fotos: Alexander Keus 0 3999

Grosser Happen | Grosse Beute

Das gezielte Streamern auf Grossforellen­ am Fluss ist nicht immer und überall möglich. Bei guten Bedingungen, mit dem nötigen Hintergrundwissen und dem passenden Gerät aber eine spannende und erfolgreiche Angelegenheit­.


Das Fischen mit der künstlichen Fliege hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant entwickelt. Dies ist neben der Weiterentwicklung von Flugschnüren und Fliegenruten dem Einfluss konventioneller Angeltechniken zu verdanken. Allen voran hat das Spinnfischen seine deutlichen Spuren hinterlassen: Heute wird auch beim Fliegenfischen mit aktiv bewegten Kunstködern, den sogenannten Streamern, gefischt. Diese imitieren Beutefische, die in unseren heimischen Gewässern Hecht, Zander, Barsch oder eben Forellen als Nahrungsquelle dienen. Während jedoch die Erstgenannten schon im jungen Alter auf Raubzug gehen, konzentrieren sich Forellen in den ersten Jahren primär auf das Fressen von Insekten an Grund und Oberfläche. Erst später entwickeln sie räuberische Züge und ein ausgeprägtes Revierverhalten. 

Das Streamerfischen bietet also die Möglichkeit, eine grosse Forelle ganz gezielt zu fangen und kleinere Exemplare bewusst zu übergehen. Und noch einen zweiten Vorteil hat die Streamerfischerei: Im Gegensatz zur präzisen Präsentation von Trockenfliege und Nymphe und dem Fischen mit kurzen, exakten Driften können mit einem Streamer grosse Wasser­flächen in kurzer Zeit abgesucht werden. Doch dafür müssen die Bedingungen stimmen.

 Hudelwetter bietet die besten Bedingungen für einen Versuch mit dem Streamer.

Hudelwetter bietet die besten Bedingungen für einen Versuch mit dem Streamer.


Wann mit dem Streamer fischen?

Blauer Himmel, klares Wasser, Mittagszeit, die Insekten schlüpfen. Sicher nicht der richtige Moment, um einen Streamer zu wässern und durch den Fluss zu zupfen. Als Faustformel für eine gezielte und erfolgreiche Fischerei mit dem Streamer auf Grossforellen gilt stattdessen: Je schlechter die Bedingungen für die klassische Trockenfliegenfischerei, desto besser für den Streamer! Denn beim Streamern machen wir uns den Raub­instinkt einer grossen Bachforelle zum Vorteil, und der ist genau dann besonders stark ausgeprägt, wenn sie sich sicher fühlt. Unterm Strich bedeutet das, dass wir in der Dämmerung am Morgen und Abend deutlich bessere Chancen haben, als wenn die Sonne grell und hoch am Himmel steht. Ist der Himmel hingegen wolkenverhangen, sieht es ganz anders aus. Dann dürfen wir den ganzen Tag über mit Bissen auf den Streamer rechnen.

Neben der Tageszeit und den Lichtverhältnissen spielen aber vor allem Wasserstand und Wassersichtigkeit eine entscheidende Rolle für den Fangerfolg mit dem Streamer. Denn Streamerfischen bedeutet nicht nur an den Raubinstinkt eines grösseren Fischs zu appellieren, sondern auch einen Überraschungseffekt zu erzielen. Eben deswegen löst oft schon der erste Wurf in den Hotspot eine Attacke aus. Bisse nach wiederholten Würfen in den gleichen Gumpen, an die gleiche Wurzel oder an den gleichen Brückenpfeiler sind eher selten. Dies ist einer der zentralen Unterschiede zur Nymphen- und Trockenfischerei, bei denen ein Muster wiederholt präsentiert und eine Drift immer wieder gefischt werden kann – bis sie perfekt ist. Beim Streamern kommt es nicht auf Genauigkeit und schon gar nicht auf Perfektion an. Hier geht es darum, aufzufallen und zu reizen. Und das funktioniert am besten, wenn das Wasser erhöht und leicht angetrübt ist. Nach einem guten Regenschauer, wenn der Pegel des Flusses angestiegen ist und viele Fische von den Strömungskanten der Hauptströmung in die seichteren Uferbereiche umsiedeln, ist die perfekte Zeit zum Streamern gekommen. Dank der Trübung des Wassers können wir Grossforellen, die ihren Unterstand verlassen haben, plötzlich im Freiwasser antreffen. Schlechtes Wetter, trübes Wasser und erhöhte Pegel bilden also ideale Bedingungen. Spätestens, wenn die Pegel leicht fallen, sollten wir an den Fluss gehen. Aber wohin genau?

 Grosse Forellen attackieren Streamer nicht nur, weil sie hungrig sind. Sie behaupten mit der Attacke auf kleinere Fische auch ihr  Territorium.

Grosse Forellen attackieren Streamer nicht nur, weil sie hungrig sind. Sie behaupten mit der Attacke auf kleinere Fische auch ihr Territorium.


Wo mit dem Streamer fischen?

Wenn wir grosse Forellen gezielt befischen möchten, müssen wir uns die entsprechenden Stellen gut aussuchen. Oft bieten sich Flussabschnitte an, die wir mit den üblichen Methoden – sprich mit Trockenfliege oder Nymphe – nicht so effizient abfischen können. Besonders langsamer fliessende, tiefe Abschnitte sind hier zu nennen. In den Uferbereichen dieser Stellen hält sich der kleinere Brutfisch gern auf und in den tieferen Zonen findet die kapitale Raubforelle ihren Schutz, immer in sicherer Nähe zu ihrer Beute. Egal ob im schnellen oder eher langsam fliessenden Wasser, für eine Forelle macht es am meisten Sinn, sich dort aufzuhalten wo ausreichend Schutz und viel Nahrung vorhanden ist. Sind an einer interessanten Stelle keine kleineren Forellen aufzufinden, kann dies ein Indikator dafür sein, dass ein «Platzhirsch» vor Ort ist. 

Forellen, die sich also im tiefen und langsameren Wasser positionieren, bekommen kleinere Nahrung (Insektenlarven oder Fluginsekten) weniger frequentiert zu sehen, als es im schnelleren Wasser der Fall wäre. Die Fische fressen also unregelmässiger, aber dafür oft auch grössere, proteinreichere Nahrung – kleine Fische, Frösche oder gar mal eine Maus stehen hier auch auf dem Menü. Grosse Streamer imitieren genau dieses Nahrungsangebot. 

Aber auch im schnelleren Wasser, in den tieferen Rinnen der Aussenkurve und deren Innenkanten, oder in tieferen Gumpen – dort, wo wir mit den herkömmlichen Fliegen auch gut zurecht kämen, lohnt es sich, halt mal einen grossen Streamer ans Ende des Vorfachs zu knüpfen. Der Streamer appelliert an ganz andere Sinne der Fische als die Nymphe oder die Trockene. 

 Grosse Zonker wie dieses Modell von Fliegebinder Holger Lachmann setzt der Autor im Frühling besonders gerne ein.

Grosse Zonker wie dieses Modell von Fliegebinder Holger Lachmann setzt der Autor im Frühling besonders gerne ein.


Wie mit dem Streamer fischen?

Streamerfischen hat eine grosse Bandbreite: Vom kleinen unbeschwerten Woolly Bugger, der eher an eine Nassfliege als an einen Streamer erinnert, bis hin zum beschwerten, handlangen Intruder ist hier alles möglich. Die Fischerei mit dem Streamer ist alles andere als eindimensional und bietet uns viele Möglichkeiten der Imitation und Präsentation, um die Fische an ihren unterschiedlichen Standorten abzuholen.

Abhängig von unserer Streamergrösse und der Tiefe, in der wir fischen, wählen wir unsere Rute, aber vor allen Dingen unsere Flugschnur aus. Einen kleineren, unbeschwerten Streamer können wir gut an unserer Standard-Forellenrute der Klasse 4 oder 5 fischen. Es macht aber Sinn, sich eine etwas schwerere Rute der Klasse 6 oder 7 extra für die Streamerfischerei aufzubauen. Eine Schnur mit Sinkspitze hilft uns, die Fliege auch in schnellerer Strömung auf die richtige Tiefe zu bringen. 

Unser Vorfach wählen wir passend zur Sichtigkeit und Fliegengrösse. Ein unverjüngtes Vorfach ist nützlich, eine beschwerte Fliege ausgestreckt zu präsentieren. Fischen wir eine Schnur mit Sinktip, wählen wir unser Vorfach deutlich kürzer (1 bis 1,5 m reichen hier oft). Wollen wir allerdings eine beschwerte Fliege an einer Schwimmschnur auf Tiefe bringen, sollte das Vorfach etwas länger gewählt sein, da die Schwimmschnur die Fliege in der Strömung stets an die Wasseroberfläche drückt. Beim Werfen werden wir mit diesem Ansatz jedoch bald an unsere Grenzen stossen. Wird ein grosser Streamer im angetrübten Wasser gefischt, sind Vorfachlänge und Durchmesser – was die Scheuchwirkung anbelangt – fast nebensächlich. Ein unverjüngtes Vorfach von 0,25-0,30 mm Durchmesser und etwa 1,2 bis 1,5 Meter Länge an einem kurzen Sinktip ist für die meisten Szenarien, wo das Wasser eingetrübt ist, ein gutes Standardrezept. Kleinere­ Streamer im klaren Wasser müssen wir natürlich etwas delikater anbieten und unser Vorfach kann unserem «normalen» Forellenvorfach deutlich näherkommen.

 Deutlich mehr  als eine Hand­- voll Fisch: Kein anderer Köder an der Fliegenrute ermöglicht eine ähnlich selektive Fischerei auf Grossforellen.

Deutlich mehr als eine Hand­- voll Fisch: Kein anderer Köder an der Fliegenrute ermöglicht eine ähnlich selektive Fischerei auf Grossforellen.

Bei der Streamerwahl sollten wir nicht vergessen, dass grosse Forellen ernst zu nehmende Raubfische sind. Wähle die Fliege ruhig eine Nummer grösser als der Brutfisch, den die Forellen jagen! Wir können uns gut durch Fliegenmuster aus der Meerforellen- und Steel­head­fischerei inspirieren lassen. Grosse, artikulierte Leeches, Intruder mit Stinger­haken oder ein Zonker der XXL-Variante sollen uns nicht abschrecken. Die meisten Fischer schmeissen den schwarzen Woolly Bugger in Standardgrösse in den Bach, doch es darf ruhig eine Nummer grösser sein. Auch ein Streamer, der die Länge Deiner Handfläche hat, findet durchaus seine Abnehmer. Je grösser die Fliege, desto grösser der Schlüsselreiz und der potenzielle Nährwert für den Fisch. Denn schliesslich muss er immer die Entscheidung treffen, ob er für einen Happen schwimmen soll oder energiesparend an seinem Standort verweilt, um sich kleinere Nahrung (Larven, Bachflohkrebse, Würmer usw.) in den Mund treiben zu lassen. Wir können diese Entscheidung mit unserer Fliegenwahl immens beeinflussen und oft lassen sich grosse Fische mit einem grossen Streamer zumindest von ihren Standplätzen bewegen. Und das ist doch schon mal ein Erfolg! 

 

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