28 | 07 | 2023 | Praxis | 0 | 2768 |
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Mit Fliege auf Karpfen & Co.
Weissfische, im Speziellen Karpfen und Schleien auf Fliegen? Die suchen doch ihre Nahrung selbst in trüben Gewässern und nachts mit ihren empfindlichen Tast-, Geschmacks- und Riechorganen! Sie haben aber auch gute Augen und sind neugierig.
Mein erstes Karpfenerlebnis mit der Fliege liegt lange Zeit zurück: Auf einem Spaziergang dem Luganersee entlang mit der Fliegenrute – immer wieder ergaben sich Chancen auf Schwarzfedern und sogar Forellenbarsche. Hatte grad so einen im Visier, als ganz gemächlich zwei kleinere Karpfen im Uferbereich auftauchten. Der eine auffallend hell, fast gelb gefärbt. Die bereits montierte rote «Bernernymphe» dezent in die Schwimmbahn geworfen und Biss! Ein anwesender Bauarbeiter freute sich mit mir: «Bella carpa – si deve mazzare!» Zu seinem Unverständnis liess ich ihn aber schwimmen. So einfach wars dann aber in der Folge lange nicht mehr.
Eine Frage des Charakters
Da ich im Engadin wohnhaft bin, lagen Weissfische nicht so in meinem Fokus. Nachdem ich einige intensive Salmonidenjahre erlebt hatte, suchte ich nach Weiterentwicklung auf weitere Fischarten mit der Fliegenausrüstung. Im Bündnerland gibts einige wenige Gelegenheiten auf Cypriniden, vor allem aber in meinen Feriendestinationen ist mein Blick immer auf die Gewässerbewohner gerichtet. Am liebsten sind mir die verwunschenen, versteckten Kleingewässer. An extra angelegten Karpfenteichen habe ich noch nie gefischt. Eines muss ich aber vorausschicken: Ich bin kein Karpfenprofi und hatte etliche Fehlversuche zu verdauen bis zu meinen ersten Erfolgen.
Warum wars denn so schwer für mich als Forellenfischer? Weil die meisten Cypriniden einen total anderen Charakter haben! Ihre Behäbigkeit beim Schwimmen und bei der Nahrungsaufnahme und ihre Aufmerksamkeit und ihr Misstrauen.
Eine Forelle in Steiglaune nimmt meistens meine sauber angebotene Fliege. Einer heiklen Äsche kann ich mehrere Nymphen präsentieren, bis ich ihren Geschmack treffe und sie doch noch beisst. Hingegen Alet, Karpfen, Schleien – ein einziger Fehlversuch, ein leiser Verdacht und die Fangchance ist definitiv vorbei. Wie es nicht geht: Entlanglaufen am Gewässer, seine Silhouette zeigen, ausgeprägte Wurfbewegungen. Was geht: sehr leise und behutsam ans Gewässer schleichen, sich erst mal hinter einen Busch setzen. Und wenn einer in die Nähe kommt: die Fliege mit einem dezenten Schlenz- oder Rollwurf ausbringen und warten.
Bunte Fliegenwahl
Beste Erfolgsaussichten bieten flache Gewässer, Uferzonen mit nicht zu trübem Wasser, fressaktive Fische, die im Boden wühlen oder Fressbares im Mittelwasser oder an der Oberfläche einschlürfen.
Fliegen, die nicht gehen: zu schwere, mit Goldkopf oder Blei beschwerte, die wie ein Stein zu Boden sinken; zu christbaumhafte oder aber schlecht sichtbare Fliegen. Was hingegen geht: fluffige, sacht sinkende Muster, die man mit den Augen gut verfolgen kann. Die Farben Orange, Rot und Chartreusegrün wurden gerne genommen. Da ich selber binde, habe ich mir passend scheinende Muster ausgedacht. In diesem Sommer konnte ich mehrere Erfolge mit Bonefish-Fliegen verbuchen. Die Originalhaken sind sehr stark und diese Muster mit den Gummibeinchen wirken wohl wie eine grosse Insektenlarve. Die oft empfohlenen «Brotfliegen» habe ich bisher noch nie probiert.
Die Herausforderung bei der Präsentation ist, dass die Fliege dem suchenden Fisch vors Maul schwebt. Zu früh abgelegte Fliegen versinken oft im Schlamm – zu spät servierte werden vom gründelnden Karpfen nicht wahrgenommen. Touchiert der Karpfen mit Flossen oder Körper das Vorfach, erfolgt meist sofortige Flucht – Chance vertan.
Beobachtungen zum Staunen
Als Fliegenfischer kennt man das Verhalten der Salmoniden ja gut. Doch beim Karpfen kann man immer wieder Erstaunliches beobachten. So ist mir ein Schuppenkarpfen in Erinnerung, wie er vom Grund ganze Algenbüschel ausriss, sich etwas vom Grund erhob und die Kleintiere regelrecht herausschüttelte. Ich präsentierte ihm ein grünes Marabou-Knäuel, dies wurde arglos eingesaugt.
Normalerweise muss dieses Einsaugen des Köders beobachtet werden können, um den Haken zu setzen. Die Karpfen prüfen das ihnen präsentierte Ding aus reiner Neugier, nur um es sofort wieder auszuspucken. Ein einziges Mal bisher konnte ich einen Fisch haken, dessen Biss ich nicht sah. Das Vorfach tauchte weg, ich setzte einen Anhieb und los ging der Tanz mit einem Sechspfünder am 14er-Vorfach. Ich konnte ihn schliesslich feumern, aber nur, weil dort keine Hindernisse im Wasser waren.
Ein weiteres Erlebnis, das mir geblieben ist: Nach erfolgloser Hechtpirsch stattete ich den Karpfen einen Besuch ab. Tatsächlich konnte ich einen ausmachen. Ich hatte aber nur Hechtstreamer dabei. Den kleinsten, grün mit Silberfäden, servierte ich ihm schwebend vor dem Rüssel – keine Reaktion. Aber er war noch da. Also Glitzerfäden und überflüssiges Material weggeschnitten. Ich bekam eine zweite Chance und der Spiegler schlürfte den reduzierten Streamer ein. Der Drill war intensiver als mit einem Frühlingshecht.
Gerät und Fangchancen
Oft sind die Karpfen-Schleien-Gewässer verkrautet, mit Seerosen bestanden und mit viel Totholz gespickt. Ich benutze daher die kräftige 9er-Rute. Je nach Hindernissen gehe ich nicht unter 30er-, oft sogar 35er-Vorfach. Es geht in solchen Gewässern oft hart auf hart! In unseren Schweizer Gewässern kenne ich keine Fische mit mehr Kraft. Trotz guter Montur geht so ein Rüssler manchmal buchstäblich in die Binsen.
Zu den Fangchancen mit der Fliegenausrüstung: Zugegeben, es braucht viel Zeit und Geduld zum Herumpröbeln. Massenfänge sind mit der Fliege kaum möglich. Wenn ich einen pro Tag habe, ist es ein guter Tag. Erst einmal bisher ist es mir gelungen, am selben Tag zwei gute Karpfen, eine Schleie und dazu noch einen Giebel zu erwischen – quasi der Grandslam der Teichfischer.
Probierts einfach mal aus. Forelle und Äsche sollten im Sommer bei hohen Temperaturen ohnehin besser in Ruhe gelassen werden.
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