28 | 03 | 2022 | Praxis | 0 | 6184 |
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Wechseln oder ausharren?
Wann sollen wir die Stelle wechseln und an einem neuen Spot unser Glück versuchen? Wir haben unsere Mitarbeiter gefragt; die Antwort ist gar nicht so einfach.
Robin Melliger
«Never leave fish to find fish»
Beim Fischen vom Boot oder vom Land aus sollte man sich immer für eine bestimmte Taktik entscheiden. Ein guter Kollege aus den Staaten sagte mir bei unseren gemeinsamen Trips stets: «Never leave fish to find fish!» Wenn man also Fische gefunden hat, dann sollte man sich an diesem Ort besonders viel Zeit nehmen und sich nicht direkt auf die Suche nach weiteren Fischen machen, weil sie gerade nicht beissen wollen. Doch was, wenn die Fische nach mehreren Stunden immer noch nicht beissen? Liegt es am Wetter, dem Spot, der Tageszeit oder daran, dass sie momentan einfach nicht im Fressrausch sind? Wir wissen es alle: Beim Fischen gibt es eine Vielzahl an Faktoren, welche über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Wenn man sich jedoch sicher ist, dass man einen den Umständen entsprechenden Köder in der passenden Farbe angelt und keinen Fisch an den Haken bekommt, sollte man meiner Meinung nach trotzdem nicht zu lange an einem Ort bleiben.
In meinen letzten Fischerferien in Holland machte ich mit zwei Kollegen viel Strecke, um grosse Egli und Zander zu fangen. Die meisten Raubfische haben durch den Tag bestimmte Fresszeiten, in welchen sie aktiver auf Nahrungssuche sind. Daher war unser Motto, so lange wie möglich am Wasser zu sein. Theoretisch hätten wir demnach den ganzen Tag an einem bewährten Platz bleiben können. Denn wir wussten ja, dass sich an dieser Stelle Fische befanden, die irgendwann hungrig sein werden. Jedoch zogen wir es vor, verschiedene Orte zu befischen. Warum? Denn wer weiss, es könnte ja gerade an der anderen Stelle so richtig abgehen! In diesen sogenannten «Sternstunden» ist es natürlich immer schön, vor Ort zu sein, aber wann genau die sind, ist kaum vorherzusehen. Was auch gegen ein pausenloses Befischen des einen Orts spricht, ist der Umstand, dass man die Fische durchaus vergraulen kann, wenn man ihnen in einer inaktiven Phase ununterbrochen Köder vorsetzt. Zudem sind die Beisszeiten meiner Erfahrung nach ortsabhängig. Geht an Stelle A nichts, muss das nicht automatisch heissen, dass an Stelle B auch nichts geht. Wir waren also auch oft unterwegs und vielleicht hätten wir mehr gefangen, wenn wir pausenlos an Ort und Stelle gefischt hätten. Gefangen haben wir aber auch so – und gerade die Erkundung neuer Spots und Gegebenheiten macht das Angeln ja so vielseitig und spannend. Schliesslich gilt: Irgendwo wird bestimmt ein Fisch auf der Suche nach Futter sein. Im besten Fall gleich am nächsten Spot, im schlechtesten Fall an jenem, den wir eben verlassen haben.
Ruben Rod
Streif(en)züge am Ufer
Ich laufe gern und mag Überraschungen. Diese Vorlieben lassen sich bestens kombinieren beim Spinnfischen vom Ufer aus. Warme Frühlings- oder Sommerabende mit aktiven Fischen in Ufernähe zählen zu meinen Lieblingsmomenten am Wasser. Während andere an solchen Feierabenden ihre Jogginghosen anziehen, hole ich mir eine leichte Rute und ein kleines Etui mit einer Handvoll bewährter Spinnköder. Und schon kann es losgehen! An meiner Hausstrecke am Zürichsee hat es einen langen Weg dem See entlang mit etlichen markanten Strukturen wie Anlegestellen, schwimmenden Stegen, grossen Steinblöcken, Bachmündungen, Wasserpflanzen oder parkierten Schiffen. Diesen Uferweg fische ich genussvoll ab auf der Suche nach aktiven Räubern. Denn so vielseitig wie der Weg sind auch die Fische. Mal verbirgt sich ein Trupp grosser Rehlig unter einem Steg, dann ist es ein Schwarm halbstarker Egli im Freiwasser oder ein Hecht schiesst plötzlich aus dem Kraut. Obwohl ich hauptsächlich die gestreiften Räuber im Visier habe, ergeben sich immer wieder unerwartete Beifänge. Auf die Spinnköder haben sich auch schon Seeforellen und sogar Haubentaucher gestürzt. Je nach Gewässer kann auch mit Welsen und Zandern gerechnet werden. Bei jedem Wurf kann etwas passieren und es gibt immer etwas zu sehen. Das aktive Fischen ist eine kurzweilige Angelegenheit und meistens treffe ich am See auch fischende und nichtfischende Bekannte. Langweilig ist es mir dabei noch nie geworden.
Besonders spannend ist es, einen frisch anvisierten Spot zu befischen. Der Überraschungseffekt ist nämlich entscheidend! Allerdings geht es auch darum, die Stelle nicht zu schnell «auszulutschen». Besonders bei den vielversprechenden Hotspots taste ich mich zuerst eher vom Rand her mit flach laufenden und schnell geführten Wobblern an, um die aggressivsten Räuber schnell und diskret aus der Reserve zu locken und zu landen. Wenn man gleich zu Beginn mitten hineinwirft und Radau macht, verlieren die Raubfische rascher das Interesse. Meist starte ich mit oberflächennah geführten Wobblern und fische danach in Grundnähe mit Gummis an einem Rig oder Jigkopf. Für das Freiwasser schätze ich Sinkwobbler, die ich nach dem Auswerfen zuerst eine Weile sinken lasse und anschliessend aus der Tiefe heraufführen kann. Nicht selten folgen dabei Räuber aus den unteren Wasserschichten. Hat man einen Schwarm «aktiviert» und vor die Füsse geführt, kann es sich lohnen den Köder rasch zu wechseln und die Räuber mit einem nervös animierten kleinen Wobbler verrückt zu machen. Hat man das Glück, zur richtigen Zeit an einem guten Gewässer zu sein, kann man Jagdszenen beobachten. Mit einem Popper oder Stickbait ein solches Getümmel anzuwerfen und auf Sicht Attacken auf den Köder mitverfolgen zu können, ist an Adrenalin kaum zu überbieten. Leider sind solche Sternstunden rar geworden. Trotzdem habe ich immer einige Oberflächenköder mit dabei und halte Ausschau nach Aktivitäten an der Wasseroberfläche. Neigt sich mein Fischerspaziergang dem Ende zu, befische ich auf dem Rückweg nochmals die Stellen mit der besten Action. Der Überraschungseffekt frischt sich nämlich wieder auf und ein knapp verpasster Rehlig attackiert den Köder manchmal noch einmal. Wobei ich diesmal darauf vorbereitet bin. Meistens zieht sich der Heimweg auf diese Weise in die Länge und ich verpasse das Abendessen. Dafür habe ich Energie und Erlebnisse getankt.
Ivan Valetny
Strecke machen – aber nicht um jeden Preis
Ich mache gerne Strecke, aber nicht um jeden Preis. Manchmal kommt man in einen Modus, wo man von Stelle zu Stelle hetzt, manchmal bleibt man aber an einem Ort regelrecht kleben und kommt nicht vorwärts. Beides macht zu gegebener Zeit an gegebenem Ort durchaus Sinn. Wichtig ist aber zu spüren, wann welches Vorgehen von Erfolg gekrönt werden kann.
Abwarten und Ausdauer an den Tag legen
Am Ufer hat man oft Verbauungen und eingezäuntes Privatgelände und meist ist nur ein kleiner Bereich für uns Fischer zugänglich. Manchmal gibt es genau dort eine interessante Struktur, wo sich die Räuber immer wieder aufhalten. An diesem Ort versammeln sich dann aber auch gerne die standorttreuen Fischer der Region. Wieso die Stelle wechseln, wenn es hier immer mal wieder läuft? Auch vom Boot aus kenne ich einige solcher Kanten und Strukturen, an denen es matchentscheidend ist, am richtigen Spot zu ankern und in die richtige Richtung zu werfen, um Bisse zu bekommen. Selbst wenn viel Angeldruck herrscht und viele Fischer unterwegs sind, beispielsweise an einem warmen Sommerabend am Wochenende, macht es durchaus Sinn, einen bewährten Spot nicht zu wechseln. Auch wenn die Bissfrequenz nicht extrem hoch ist, kann man ebenso an schwierigen Tagen seine Fische fangen. Manchmal sind gewisse Stellen Magnete für grosse Egli, Hechte, Zander oder Seeforellen. Und wenn diese Stelle vielleicht nur eine halbe Stunde am Tag gut ist, kann es Sinn machen, diese öfter und länger abzufischen. Ich habe an heissen Stellen schon mehrere Stunden vorher «reserviert», um dann am Abend «zur richtigen Zeit am richtigen Ort» zu sein. An Stellen, wo immer wieder Raubfische vorbeiziehen, verweile ich auch selbst gerne eine längere Zeit. Gelegentlich kommt nach 50 Würfen dann doch ein plötzlicher Biss. Wenn es also sinnvoll ist, stationär zu bleiben, dann an einer solchen vielversprechenden Stelle.
Mehrere Stellen abfischen
Normalerweise wechsle ich beim Egli- und Hechtfischen eher einmal zu oft als einmal zu wenig die Angelstelle. Zum Beispiel entlang einer schönen, über 500 Meter langen Kante, wo man ideal alle 100 Meter ankern kann, oder über einem Plateau in der richtigen Tiefe, bei dem man die verteilt stehenden und aktiven Räuber suchen muss, oder an einem gut zugänglichen Seeufer oder Flusslauf entlang. Überall wo man gut Strecke machen kann, sollte man dies auch tun. Tendenziell kann man die Raubfische in aktive und passive Fische unterteilen. Es sind nie alle Hechte gleichzeitig aktiv auf Futtersuche, das selbe gilt für Egli oder Forellen. Wenn die Raubfische verteilt stehen, ist Strecke machen effizienter als an einer Stelle abzuwarten, bis etwas vorbeikommt. Vor allem bei den Hechten ist es oft so, dass sie sich grossflächig verteilen, um sich gegenseitig nicht in die Quere zu kommen. Bei Egli ist es hingegen vielfach so, dass sie sich in grossen Schwärmen aufhalten; diese sind bekanntlich überall und nirgends. Auch sind nicht alle Schwärme regsam, die aktiven Eglischwärme muss man also suchen. Nicht selten habe ich an einer Kante überall Echos gesehen, aber nur an einem 50 Meter langen Abschnitt Egli in regelmässiger Frequenz erwischt. Am nächsten Tag waren die grossen Egli wieder an einem anderen Teil dieser Kante aktiv. Oft ist es so, dass Egli den Braten nach einer Weile riechen und vorsichtig werden. Obwohl also noch grosse Egli am Platz sind, macht es Sinn, an einem neuen Spot weniger skeptische Egli zu befischen. Die Seeforellen hingegen legen auf ihrem Beutezug täglich weite Strecken zurück. Das richtige Gebiet grossflächig schnell abzufischen, ist hier das richtige Rezept. Deshalb wird auch so häufig auf Seeforelle geschleppt. Strecke machen ist hier Trumpf, und nur der Köder, der sich durchs Wasser bewegt, fängt Fische.
Nils Anderson
Ortswechsel so klein wie möglich gestalten
Ich kenne die Geschichten, dass beim gefühlt 50sten Wurf an die gleiche Stelle doch noch der ersehnte Hechtbiss kam. Bei mir aber reicht die Geduld gerade beim Uferfischen selten für ein so langes Ausharren. Leider allzu oft tendiere ich beim Uferfischen zu einem viel zu schnellen Orts- und auch Köderwechsel. Fünf Würfe an einem Spot, dann Köder- und Ortswechsel, dann wieder fünf Würfe sternförmig, und weiter gehts. Ehrlich gesagt bin ich mit dieser «Taktik» selten erfolgreich. Die Gründe dafür sind zum Ersten, dass so deutlich mehr Zeit verstreicht, ohne dass man einen Köder im Wasser hat, und zweitens sagt die Kombination von Wechsel des Köders und des Orts fast gar nichts aus: Liegt es jetzt am Köder oder an der falschen Stelle oder an der falschen Präsentation, wenn nichts beisst? Man weiss es schlicht nicht und kann so kaum etwas dazulernen. Wenn schon wechseln, dann also entweder Köder- oder Ortswechsel, aber nicht beides aufs Mal.
Wer auf einem mittleren oder grossen See mit dem Boot unterwegs ist, kann jederzeit auch weit entfernte Stellen ansteuern, doch auch hier ist meiner Meinung nach weniger oft mehr.
Gerade beim Felchenfischen empfehle ich bei einer Flaute nur kleine Ortswechsel. Wenn nach einer halben Stunde oder so nichts beissen will, stelle ich irgendwann einen Timer auf 15 Minuten. Nur wenn in diesen 15 Minuten gar kein Biss bemerkbar war, wechsle ich den Spot, aber nur um einige Dutzend Meter. Dabei fahre ich langsam und achte mich aufs Echolot. Wenn immer wieder Fische zu erkennen sind, lohnt es sich nicht, am anderen Seeufer eventuell hungrigere Fische zu suchen. Jetzt wähle ich also in der Nähe einen Platz mit einer etwas anderen Wassertiefe, zum Beispiel ein Wechsel von 23 Meter auf 21 Meter. Bin ich am Spot angekommen und habe unterwegs Fischschwärme gesehen, stelle ich das Echolot ab. Ab jetzt lenkt es nur vom Fischen ab. Im letzten Frühling beobachtete ich einen Fischer, der auf seinem hypermodernen Bassboot einen Ausflug bei einem Pulk Felchenfischern machte. Er starrte wie gebannt auf sein Echo und tuckerte umher auf der Suche nach Sicheln. Sobald er welche gefunden hatte, setzte er den elektronischen Anker und liess seine Hegene herunter. Er kurvte so kreuz und quer durch die Boote, drillen sah ich ihn aber nie – ganz im Gegensatz zu allen, die fix geankert hatten …
Bin ich mit dem Boot aktiv auf Hecht oder Egli unterwegs, so suche ich mir stets ein Gebiet an einer Kante, wo ich innert weniger Meter verschiedene Tiefen erreichen kann und versuche dieses eine Gebiet möglichst systematisch abzuklopfen. Und will ich an einem Tag von vornherein mehrere Spots abfischen, beginne ich stets mit demjenigen, der am weitesten entfernt von meinem Ausgangspunkt ist, und arbeite mich anschliessend wieder zurück. Auf der Hinfahrt kann ich mir Gedanken über Köder, Präsentation und alles Weitere machen und komme so mit einem Plan an. Wenn ich mich hingegen immer weiter vom Ausgangspunkt entferne, weil ich gleich beim Hafen mit dem erstbesten Köder an der erstbesten Stelle mal begonnen habe, kommt es deutlich seltener gut. Und auf dem Rückweg, der ja auch zum Ausflug dazugehört, kann ich mir wiederum Gedanken über den nächsten, statt über den jetzigen Fischertag machen.
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